Direkte Demokratie bei ÖVP und FPÖ

Die beiden wahrscheinlichen zukünftigen Regierungsparteien, ÖVP und FPÖ haben die direkte Demokratie in ihrer Wahlwerbung angesprochen. Das wenige, das bisher darüber bekannt wurde, zeigt große Unterschiede in der Herangehensweise.

Die ÖVP will, ehe ein Volksbegehren zu einer verpflichtenden Volksabstimmung führt, eine Beteiligung von 10 Prozent der Wahlberechtigten beim Volksbegehren als Hürde einziehen, die FPÖ begnügt sich mit 4 Prozent Beteiligung.

Allein die Tatsache, dass die künftige Regierung die direkte Demokratie ausbauen wird, ohne noch konkrete Einzelheiten zu nennen, hat in den elektronischen und gedruckten Medien zu einer Fülle von Beiträgen geführt. Der Bogen der Meinungen spannt sich von der Ansicht, die Österreicher sind nicht reif für die Beteiligung am politischen Geschehen, über die Befürchtung der Einmischung aus dem Ausland beziehungsweise der Agitation von Lobbyisten vor einer Volksabstimmung oder des Missbrauchs durch die Opposition bis hin zur Durchführung nach schweizerischem Vorbild. Außerdem sollen Volksbegehren zu internationalen Verträgen, Menschenrechte – extra angeführt, obwohl auch ein internationaler Vertrag – und das B-VG von der Zulassung ausgeschlossen sein.

Zu den einzelnen Bedenken ist anzuführen:

  1. Hürde, ab der ein Volksbegehren verpflichtend zur Volksabstimmung führt.
    Zum Vergleich sei angeführt, dass in der Schweiz eine Volksinitiative auf Bundesebene dann zur Volksabstimmung führt. wenn innerhalb von 18 Monaten 100.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt werden. In Österreich schafft eine Partei den Einzug in den Nationalrat wenn sie bei der NR-Wahl 4 Prozent der abgegeben Stimmen erreicht. Sie kann dann dort für ihr Programm Verbündete suchen. Die FPÖ liegt mit ihrem Vorschlag der Hürde von 4 % der Wahlberechtigten nahe bei dem Wert den eine Partei für den Einzug in den NR braucht, die ÖVP liegt mit ihrem Vorschlag der 10 % in einem Bereich der das Vorhaben unmöglich macht.
    In diesem Punkt bin ich für den Vorschlag der FPÖ.
  2. Die Österreicher sind nicht reif für die Beteiligung am politischen Geschehen.
    Aus der Unreife des Wählers heraus sei jede Entwicklung hin zur direkten Demokratie zu unterlassen. Das erinnt fatal an den Ausspruch "Des hob' ma scho immer so g'mocht". Dieses Argument bedeutet Stillstand und ist daher nicht akzeptabel. Hieraus resultiert auch die Angst vor Fehlentscheidungen der Bürger. Als Beispiel wird das Brexit-Ergebnis im UK angeführt. Dieses Beispiel ist fehl am Platz. Das Brexit-Ergebnis ist nicht auf Grund eines Volksbegehrens entstanden, sondern als Premierminister Cameron eine Volksbefragung zu seiner Stärkung initiiert hat. Andere englische Politiker haben innerhalb kürzester Zeit das Volk zum Austritt aus der EU hingeputscht, die nicht verbindliche Abstimmung zu einer verbindlichen hochstilisiert und anschließend jede Übernahme von Verantwortung abgelehnt. Der Brexit ist ein von Politikern inszeniertes Schmierentheater gewesen. In der Schweiz werden zu Themen, die einer Volksabstimmung zugeführt werden, die Für und Wider ausführlich behandelt wozu jedermann beitragen kann. Schlussendlich werden die Für und Wider jedem Wahlberechtigten in einem Abstimmungsbüchlein zur Verfügung gestellt.
  3. Einmischung aus dem Ausland beziehungsweise Agitation von Lobbyisten.
    Die Einmischung aus dem Ausland wäre kein Spezifikum einer Volksabstimmung, sondern könnte bei jeder Wahl erfolgen, wie die Nachrichtenlage zur Wahl des US-Präsidenten zeigt. Im Vorfeld jeder Wahl sind die Sicherheitsorgane des Staates gefordert, solche Versuche aufzudecken und publik zu machen. Unter Agitation von Lobbyisten ist wohl die Interessensvertretung multinationaler Firmen gemeint, aber wie die Volksbefragung zur Wehrpflicht gezeigt hat, lobbyieren auch NGOs für ihre Interessen. Ich meine, die Fülle der Argumente trägt zur Komplettierung der Für und Wider bei und wenn herausgeschält wird, wer welche Argumente vertritt, so ist die Interessenslage klar. Es sei daran erinnert, wer für und gegen CETA auftrat, als die Ratifizierung dieses Vertrages anstand.
  4. Missbrauch durch die Opposition.
    Befürchtet wird, die Opposition könnte durch eine Reihe von Volksbegehren die Regierungsarbeit lähmen, beziehungsweise durch anschließend erfolgreiche Volksabstimmungen sogar ein Regieren der Opposition über Volksabstimmungen erzwingen. Oppositionsparteien können ihre Anliegen im Nationalrat über Initiativanträge artikulieren. Es ist anzunehmen, dass auch die Reife von Politikern mit der Ausweitung der direkten Demokratie wächst. Im Gesetz zur Einführung einer erweiterten direkten Demokratie sollten empfindliche Strafen für Parteien vorgesehen werden, wenn deren Urheberschaft bei Volksbegehren aufgedeckt wird.
  5. Themenausschluss bei Volksbegehren.
    Bundeskanzler Kern hat die SPÖ-Basis über das CETA-Abkommen abstimmen lassen und dann anders gehandelt. Das ist Pflanzerei zum Geht-nicht- mehr. Wie die weitere Glyphosatzulassung durch deutsche Politquerelen zustandekam, ist nun auch bekannt geworden. Das Volk hätte anders entschieden. Auch die Zwentendorfabstimmung bezweckte, die Kreisky-Linie zu stärken. Aber vom Volk wurde die Antiatomhaltung gewählt, die die österreichische Regierung nun bei internationalen Verhandlungen zu beachten hat. Sollte das Volk in internationalen Angelegenheiten Änderungen einfordern, so hat die Regierung dies zu vertreten. Ob es beim internationalen Gewicht Österreichs immer gelingt, steht wieder auf einem anderen Blatt. Es sollte daher kein Thema dem Volk vorenthalten werden. Die Föderalismus- und Verwaltungsreform lässt seit Jahren auf sich warten. Auch hier könnte das Volk die Umsetzung des vom Österreichkonvent erarbeiteten Vorschlags einfordern. Auch das B-VG darf nicht sakrosankt sein.

Das Volk wird dieses Instrument sicher nicht missbrauchen. Es wird nur dann zum Einsatz kommen, wenn sich über einen längeren Zeitraum Unzufriedenheit mit der Arbeit der Regierungen aufstaut. Ein bemerkenswertes Beispiel bietet momentan Deutschland, das Neuwahlen mit allen möglichen Verrenkungen scheut, weil die Verantwortlichen genau wissen, welche Fehler sie in der Euro/Schuldenkrise und der Migranteninvasion gemacht haben.

Rudolf Wirthig war Offizier beim österreichischen Bundesheer

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