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Wie sich Schönborn und Orbán näherkommen

Christoph Schönborn und Viktor Orbán: Zwei scheinbar ganz unterschiedliche Persönlichkeiten haben in den letzten Tagen jeweils eine bedeutungsschwere Aussage gemacht, die in den Medien aber völlig verschwiegen worden ist. Das ist erstaunlich, weil es in beiden Fällen, wenn auch in scheinbar ganz unterschiedlicher Weise, um das zentrale Problemfeld Europas gegangen ist: also um seine Identität, um seine Zukunft und um die Völkerwanderung nach Europa.

Der ungarische Ministerpräsident hat dabei so deutlich Klartext rund um die innere Situation in der EU gesprochen wie noch nie. Er machte ungeschminkt klar, dass die EU heute in zwei Ländergruppen völlig unterschiedlicher Orientierung zerfällt: in "eine migrantenfreie Zone, das ist Mitteleuropa; und es gibt jene Länder, die sich in Einwanderungsländer umgeformt haben".

Orbán schloss aus, "dass irgendeine der beiden Ländergruppen ihre Vorstellungen der anderen aufzwingen kann". Wie sehr bei den EU-Gipfeltreffen hinter geschlossenen Türen darob die Meinungen aufeinanderprallen, lässt sein nächster Satz noch deutlicher ahnen: "Wir werden also nicht erreichen können, dass die Migranten aus Westeuropa hinaustransportiert werden, obwohl ich den betroffenen Ländern dies nachdrücklich empfehlen würde". Umgekehrt könnten aber auch die anderen "uns nicht aufzwingen, dass wir sie hereinlassen sollen".

Die vielen Forderungen der westeuropäischen Politiker von Angela Merkel bis zur äußersten Linken, die seit Jahr und Tag eine Aufteilung der Migranten auf alle europäischen Länder verlangen, haben also keine Chance auf Realisierung. Ähnliches hatte einst auch schon Nicolas Sarkozy klargemacht, der französische Ex-Präsident. Er hatte den Migranten-Tsunami mit einem heftigen Rohrbruch verglichen, den man ja auch nicht dadurch beheben könne, dass man das austretende Wasser gleichmäßig auf alle Räume verteilt.

Während 2015/16 Politiker wie Sarkozy und Orbán, wie der Österreicher Sebastian Kurz und die sogenannten Rechtspopulisten mit ihrer Ablehnung von Völkerwanderung und Aufteilungsideen noch krass in der Minderheit waren, sieht es heute in der politischen Realität völlig anders aus. Heute sind sie keine Außenseiter mehr.

Heute ist völlig klar – auch wenn die formalen EU-Beschlüsse in Hinblick auf eine obligatorische Aufteilung der illegalen Migranten theoretisch unverändert gültig sind: Die Mitgliedsländer haben mit Ausnahme von Merkel-Deutschland nur Lippenbekenntnisse abgegeben; sie haben allesamt weit weniger "Flüchtlinge" aufgenommen, als sie eigentlich den EU-Beschlüssen zufolge müssten; sie werden auch kaum weitere aufnehmen; und noch sicherer ist, dass es in der EU keine neuen Flüchtlings-Umverteilungsbeschlüsse wie 2015 geben wird.

Denn in Europa ist die Stimmungslage in Sachen Völkerwanderung heute total anders. Orbán ist nur jener Politiker, der diesen Wechsel deutlicher ausspricht als alle anderen.

Was hat nun der Wiener Kardinal Schönborn mit dem zu tun? Er ist ja nach der gesamtösterreichischen Bischofskonferenz dem Migrationsthema scheinbar weiträumig ausgewichen. Er hat vielmehr die Hauptforderung der Bischöfe an die Regierung formuliert; und die ist eine nach einer "familienfreundlichen Politik, weil die Familie die Zukunft der Gesellschaft ist".

Soziale Forderungen der Bischöfe an die Politik sind an sich nichts Neues. Müssen doch die Bischöfe nicht all das für die Erfüllung dieser Wünsche notwendige Geld auftreiben. Dennoch haben sie mit dem Verlangen nach einer familienfreundlichen Politik zweifellos recht. Denn gerade die Familien werden seit den 70er Jahren steuerlich diskriminiert, präziser gesagt: die Mittelstandsfamilien. Und nicht zuletzt deswegen ist seither die Geburtenfreudigkeit der Familien massiv zurückgegangen, genauer gesagt: die der Mittelstandsfamilien. Das sind aber genau die Familien, die eine Gesellschaft tragen.

Was aber viel mehr auffällt, ist die Begründung, die Schönborn dafür formuliert hat, nämlich dass "die Familie die Zukunft der Gesellschaft ist". Damit hat der Wiener Erzbischof dem früher oft von Kirchenexponenten geäußerten Gedanken widersprochen, dass man ja das Geburtendefizit ruhig mit den vielen migrationswilligen Millionen aus der Dritten Welt füllen könne.

Schönborn hat dies – vielleicht ohne dass es ihm ganz bewusst geworden ist – nun als Unsinn entlarvt. Denn wenn anstelle der Kinder österreichischer Familien die Migranten die erwünschte Zukunft sein sollen, bräuchte es ja keine großen Aufrufe, die Familien besser zu unterstützen. Der Migranten und potenziellen Migranten gibt es ja wahrlich mehr als genug.

Die in den letzten Jahren nach Europa gekommenen Menschen haben in ihrer großen Mehrheit nämlich weder die Bildung noch Ausbildung, um die Zukunft zu sichern. Ihnen fehlen vor allem so gut wie alle sozialen und kulturellen Tugenden, die für Europas Zukunft wichtig wären, wie: Disziplin, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Sorgfalt, Toleranz, Pluralismus, Gleichbehandlung von Mann und Frau, Umweltbewusstsein, Verzicht auf jede Form der Gewaltausübung, Bekenntnis zu Rechtsstaat und Demokratie – oder gar ein christliches Weltbild.

Schönborn hat auch nicht allgemein von "Zukunft" gesprochen, sondern von "Zukunft der Gesellschaft". Und damit ist klar, dass er an eine konkrete Gesellschaft denkt. Und das kann nur die europäische, die österreichische sein. Und das kann aus seinem Mund nur eine christlich geprägte Welt sein. Würde er nämlich statt dessen eine diffuse Welt-Gesellschaft meinen, dann hätte er sich nicht nur sprachlich schlecht und unpräzise ausgedrückt, dann bräuchte er sich auch keine Sorgen zu machen und müsste keine Forderungen stellen. Steigt doch die Zahl der Weltbevölkerung weiterhin an, wird sie doch nach allen seriösen Berechnungen noch von 7,5 auf mindestens 10 Milliarden zunehmen, wahrscheinlich sogar noch mehr.

Mit dieser Äußerung ist bestätigt, dass auch Schönborn heute – wenn auch recht verspätet – die Notwendigkeit und das Recht der europäischen, der österreichischen Gesellschaft sieht, sich um die Zukunft der eigenen Kinder und eigenen Familien zu kümmern. Wenn – endlich – auch Bischöfe diese Notwendigkeit sehen, dann ist vielem gutmenschlichem Schwadronieren den Boden unter den Füßen weggezogen, das eine Zeitlang auch in kirchlichen Kreisen zu hören war.

Damit steht aber auch Schönborn viel näher bei Orbán, als sich der Kardinal wohl selber bewusst ist. Wobei im übrigen umgekehrt Orbán wiederum einer der wenigen Spitzenpolitiker ist, der sich offen zur christlichen Identität Europas bekennt. Der so also näher zu Schönborn steht als die meisten anderen.

Ich schreibe regelmäßig Beiträge für das unabhängige Internet-Portal eu-infothek.com.

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