Im Nachspann der Nationalratswahlen ist ein Blick nach Großbritannien angebracht. Dort macht bereits seit einigen Jahren ein außergewöhnlich gebildeter und wortgewandter Politiker von sich reden. Der achtundvierzigjährige Unterhaus-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg (Tory), Vater von sechs Kindern, wird als möglicher Minister und sogar als möglicher Premierminister gehandelt. Er ist Befürworter des Brexit und schloß sich der inszenierten Kampagne gegen den US Präsidentschaftskandidaten Trump ausdrücklich nicht an. Nie von ihm gehört? Kein Wunder angesichts der deutschsprachigen Hauptstrommedien.
Rees-Mogg ist, für die Verhältnisse der englischen Politik ziemlich ungewöhnlich, praktizierender Katholik mit traditioneller Ausrichtung. Daher wurde er vor kurzem unter Lebensschützern bekannt:
Rees-Mogg sprach sich in einem Fernsehinterview mit dem britischen Sender ITV Anfang September unzweideutig gegen die Abtreibung aus (https://www.lifesitenews.com/news/uk-leadership-candidate-turns-heads-with-opposition-to-abortion-gay-marriag).
Er sagte, dass Abtreibung moralisch nicht zu rechtfertigen ist. Er sei auch im Fall von Vergewaltigung und Inzest dagegen. Es handle sich immer um ein Unrecht gegenüber dem empfangenen Kind.
Das hat man hierzulande aus Politikermund schon lange nicht mehr gehört. (Bezeichnenderweise kam eine ähnliche und durchaus erfreuliche Stellungnahme beim heurigen "Marsch für die Familie" am 17. Juni von einem fraktionslosen Abgeordneten, Dr. Marcus Franz, der sich nicht mehr um Parteizwänge kümmern muss.)
Da es aber der Lehre der Kirche (Katechismus der Katholischen Kirche 2270 – 2275) und dem Naturrecht entspricht, ist es unverständlich, dass man es auch aus Bischofsmund so gut wie nie hört – und wenn, dann nur sehr verklausuliert und politisch völlig unwirksam. (Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun war der Letzte, der sich deutlich aussprach. Genau an seinem 75. Geburtstag am 13. Oktober wurde sein kanonisches Rücktrittsgesuch angenommen. Da hatte man es offenbar sehr eilig.)
In Bezug auf die "gleichgeschlechtliche Ehe" – wenn man es genau betrachtet, ist es eigentlich verrückt, dass man über eine solche Monstrosität überhaupt diskutieren muss – sagte Rees-Mogg, er habe gegen deren Einführung gestimmt: "Ich bin Katholik und ich nehme die Lehre der Katholischen Kirche ernst."
Das klingt in verworrenen Zeiten offenbar so ungeheuerlich, dass einer der beiden Journalisten, nach eigenen Angaben Katholik, der die Lehre der Kirche ablehnt, weiter nachbohrte. Da Rees-Mogg über ein reifes Geschichtsbewußtsein verfügt, bezog er sich gegen den Wahnsinn, die Ehe umzudefinieren, auf seinen Landsmann, den Humanisten, Schriftsteller, Lordkanzler, Märtyrer und Heiligen Thomas Morus (1478 – 1535) und dessen Kampf gegen die Anmaßung von König Heinrich VIII.:
"Die Ehe ist ein Sakrament, und die Entscheidung darüber, was ein Sakrament ist, liegt bei der Kirche und nicht beim Parlament." Punkt, aus.
Bezüglich der Sündhaftigkeit homosexueller Handlungen hielt sich Rees-Mogg mit expliziten Aussagen zwar zurück, bekräftigte aber auch hier, der Lehre der Kirche zu folgen.
Der Bischof der englischen Diözese Shrewsbury, Mark Davies, lobte Jacob Rees-Mogg für sein fruchtloses Bekenntnis zu seinen christlichen Überzeugungen. Er sagte, die Briten sollten dankbar für den integren Charakter des Abgeordneten Rees-Mogg sein.
Auch eine solche Stellungnahme eines Bischofs ist in Zeiten wie diesen selten geworden.
Gemeinsam mit den Aussagen von Rees-Mogg selbst sind sie Anlass zur Hoffnung, dass die Katholiken, Amtsträger und Laien doch den Geboten Gottes im öffentlichen Raum Recht verschaffen und sie verteidigen. Alle Menschen guten Willens sind unabhängig von religiösen Überzeugungen aufgerufen, das menschliche Leben und die Familie ebenfalls zu verteidigen.
Religion kann eben niemals nur "Privatsache" sein. Weltanschauliche Überzeugungen prägen auch die Politik, so oder anders. Wo die Apostasie ein Vakuum hinterlässt, dringen eben aberwitzige Ideologien ein, wie in Großbritannien und in Österreich mit freiem Auge erkennbar – zum Schaden aller Betroffenen.
Politische Konkurrenz und unvermittelbare Gegensätze
Jacob Rees-Mogg ist zwar ein "Hinterbänkler" im House of Commons. Aber durch seine Wortgewalt, seinen Witz und seine Schlagfertigkeit, durch sein enormes historisches Wissen und sein Problembewusstsein in vielen politischen Detailfragen, lenkte er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich. Da der Humor bekanntlich eine exorzierende Wirkung hat, bricht er angespannte Interview- oder Parlamentssituationen gerne mit einer humorvollen Überraschung. Damit bringt er häufig auch den Gegner zum Lachen. (Die Konsultation seiner Auftritte per Internet-Video sei hier ausdrücklich empfohlen.)
Angesichts eines Politikers, der den stillen Genozid im Mutterleib anspricht und verurteilt, tobt die Abtreibungsindustrie, unter ihnen Marie Stopes International (die am Fleischmarkt in Wien eine Tötungsstätte betreibt). Eine Sprecherin der "Familienplanungsorganisation" Family Planning Association meldete sich mit der Aussage zu Wort, dass Rees-Moggs Aussagen "massiv von der großen Mehrheit der öffentlichen Meinung abweichen, religiöse Leute eingeschlossen".
Dazu muss man sagen, dass die Sprecherin das erstens nicht wissen kann und dass es zweitens unerheblich ist: Rees-Mogg bezeugt die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens und stört das blutige Geschäft. Darauf kommt es an. Mit denen, die vom Töten ungeborener Kinder leben, kann es keine Arrangements geben. Hier ist der Raum möglicher politischer Kompromisse unter Konkurrenten bei weitem verlassen.
Zukunftshoffnung für England – könnte hierzulande nachgeahmt werden
Es ist erfreulich zu sehen, dass ein katholischer Politiker hohe Bildung, aristokratisches Format und gute Manieren zeigt. Umgelegt auf österreichische Verhältnisse könnte man sagen, dass das ein wohltuender Kontrast zu profillosen bürgerlichen Parlamentariern und zu giftigen Linkspolitikern und vor allem Linkspolitikerinnen ist.
Sehr erfreulich, dass etliche von letzteren nunmehr abgewählt worden sind.
Zum Schluss nur eine kleine Einschränkung: Man erwartet sich als Katholik von der Politik keine "messianischen" Zustände – natürlich nicht. Während wir gute Politiker unterstützen und wählen sollen, werden wir immer eine gewisse innere Reserve bewahren. Auch Jacob Rees-Mogg ist nicht schlechthin perfekt. Er antwortete beispielsweise sehr defensiv auf die Frage, ob er, wenn er die Möglichkeit dazu hätte, die Abtreibungsgesetze dann auch nach den Vorgaben des Lebensschutzes geändert werden sollen.
Als ehemaliger Beschäftigter in einer Rothschild-Bank und als reicher Kapitalmanager wird er somit nicht völlig oppositionell zum üblichen System stehen (muss er auch nicht).
Ob er an Thomas Morus heranreichen wird, wird sich weisen.
Vorläufig ist Jacob Rees-Mogg jedenfalls eine erfreuliche Erscheinung. Politiker dieser Einstellung wären auch hierzulande erwünscht. Sie würden manche verdrängte Wahrheiten aussprechen. Und bekanntlich kann nur die Wahrheit Freiheit garantieren.
Wolfram Schrems, Mag. theol., Mag. phil., Katechist