Der SPÖ scheint es zumindest via ORF geglückt, die Diskussion von den Taten des SPÖ-Dirty-Campaigners Tal Silberstein abzulenken und auf die Versuche der ÖVP hinzulenken, das aufzuklären. SPÖ und der von ihr kontrollierte ORF tun so, als ob jetzt die ÖVP mindestens im gleichen Ausmaß beschmutzt wäre. Was spricht da aber alles für die ÖVP und gegen den Dreifachagenten Peter Puller? Und wo hat die ÖVP-Argumentation Schwachpunkte?
Pullers Darstellung ist in mehreren Punkten völlig unglaubwürdig:
- Wieso trifft Puller überhaupt den Kurz-Sprecher unter diesen Umständen? Schließlich gibt er ja zu, noch bis zum Schluss am letzten Freitag diese Schmuddelseiten Tal Silbersteins betrieben zu haben.
- Woher sollte die ÖVP wissen, dass er für Silberstein/SPÖ arbeitet(e)? Er hat ja wohl nicht gesagt, "die SPÖ hat mir unmoralisches Angebot gemacht – das muss ich Dir erzählen" Warum aber hat er dann Geld verlangt beziehungsweise warum hätte es ihm angeboten werden sollen?
- Vor allem aber hatten Puller (war fast pleite) und Kern (war politisch fast pleite!) weit eher ein Motiv als Kurz, der überlegen in Umfragen führte und fast als Messias und als "Schwiegersohn des Landes" gefeiert wurde. Warum hätte Kurz seine höchst erfolgreiche Kampagne mit einem zweifellos fragwürdigen Berater aufs Spiel setzen sollen?
- Sollte Puller aber wirklich bereit gewesen sein, die Seite zu wechseln, spräche das zwar nicht für dessen Charakter – aus Sicht der ÖVP wäre es aber nicht übermäßig verwerflich. Nicht einmal wenn die ÖVP Puller wissentlich als Doppelagenten benützt hätte, wäre es sehr verwerflich gewesen – weil ja die SPÖ offensichtlich "angefangen" hat. Es wäre ja nur eine Revanchemaßnahme gewesen.
- Puller hätte ja außerdem das Motiv, den Schaden, den er der SPÖ zugefügt hat, wieder "gutzumachen"
- Außerdem ist er ja quasi immer noch im Dirty-campaigning-Mode gegenüber der ÖVP, wo es keinerlei Anzeichen gibt, dass er diese Einstellung geändert hätte. Da passt eine weitere Dirty-Aktion perfekt dazu.
- Daher ist der analytische Schluss gar nicht so abwegig, dass Puller der ÖVP eine Falle stellen wollte – was ja gewisser Maßen jetzt sogar funktionieren könnte: Einerseits, um nachher sagen zu können: "Die sind ja auch nicht besser!" Oder aber, um als Doppelagent dann erst recht auch wieder alles an die SPÖ berichten zu können – und doppelt zu verdienen.
- Dass ihm allerlei zuzutrauen ist, hat er leider mehrfach bewiesen.
- Auch die SPÖ (von Kern abwärts) hat – nicht nur in dieser Affäre – mehrfach nachweislich gelogen. Von wegen Glaubwürdigkeit.
- Dass die Seiten wie Puller nun behauptet, angeblich nur "zur Marktforschung" betrieben wurden, entschuldigt nicht ihren Inhalt. Sonst könnte man ja auch jedes Verbrechen "zur Marktforschung" begehen (in welcher Geisteswelt muss man übrigens leben, damit einem SO etwas überhaupt einfällt?).
Die nun veröffentliche Stellungnahme aus dem Kurz-Team klingt recht plausibel. Sie hat aber auch zwei wunde Punkte:
- "Ja, ich wollte in diesem Gespräch Puller überreden, doch wieder für uns aktiv zu sein und nicht gegen uns." Warum will man SO jemanden wieder anstellen?
- "Nachdem ich ihm fälschlicherweise am Ende des Gesprächs geglaubt hatte, dass er nicht für die SPÖ oder Silberstein arbeitet, ging es darum, dass man künftig nach seinem Engagement bei den Neos vielleicht wieder einmal zusammen arbeiten könne. Es wurde vereinbart, über mögliche Kooperationen in Kontakt zu bleiben." Und warum hat man ihm geglaubt, wenn doch vorher so massive Verdachtsmomente existierten?
"Peter Altenberg" ist ein Journalist, der bei einer Zeitung unter anderem Namen tätig ist.