Historische Dreier-Entscheidung. Maschinen werden durch Hochwasser weggespült. Stronach und der Ziehneffe. Putsch in Knittelfeld. Abfangjäger entscheiden über Koalition. Was ist und tut ein Airchief?
Dienstag, 25. Juni 2002 bis Dienstag, 2.Juli 2002. In dieser Woche fällt nach der militärischen Entscheidung für den Eurofighter die politische. Ebenfalls für den Eurofighter. Der favorisierte Gripen wird es nicht.
Die Entscheider: Bundeskanzler Schüssel, Verteidigungsminister Scheibner, Finanzminister Grasser, und eigentlich auch alle anderen Minister in der Regierung. Denn Regierungsbeschlüsse müssen bei uns bekanntlich einstimmig gefasst werden, es gibt kein Weisungsrecht des Kanzlers. Doch den anderen Damen und Herren Regierern konnte das mehr oder weniger egal sein. Denn erstens ist die Landesverteidigung unpopulär, da will ein Politiker, der auf sich hält, nicht einmal dran anstreifen, zweitens stand man damals in der aufgeheizten innen- und außenpolitischen Situation wie ein Mann hinter dem Kanzler und drittens regiert man einem Kollegen ohnehin nicht gern in sein Ressort hinein, auf dass auch er das bei einem selbst nicht mache.
Letztentscheider würde der Nationalrat sein, denn ein Kauf der Republik in dieser Größenordnung muss natürlich noch durchs Parlament gehen, wo aber unter der Klubobmann-Achse Khol-Westenthaler ohnehin politische Zucht und Ordnung herrschte. Parteipolitisch standen da zwei FPÖler einem ÖVPler gegenüber, was aber keinen Einfluss zu haben schien, denn es hatten sich in dieser Frage in der Koalition (noch) keine parteiideologischen Standpunkte gebildet.
FPÖ-Chef Haider war entweder von Schüssel so unter Kontrolle gehalten worden, dass er nicht aufmuckte, oder er hatte es schlicht und einfach verschlafen, eine Sache, die keiner will, zu seiner eigenen zu machen, sonst eine seiner großen politischen Stärken. Später wollte er sich an die Spitze der Eurofighter- und überhaupt Abfang-Gegner setzen und arbeitete mit wilden Bedrohungstheorien kräftig an der Fama mit. Man erinnere sich nur an jene dramatische Flucht aus einem Klagenfurter Cafehaus, eine Szene wie aus einem Film noir (oder eher einem Krimi mit Eddie Constantine?). Aber da war es schon zu spät. Da hatten ihm die Sozialdemokraten und Grünen schon die Butter vom Brot genommen. Und bei den von ihm angezettelten Neuwahlen blieb ihm dann überhaupt nur mehr das Scherzl übrig.
Wir hatten es also in praxi mit drei Entscheidern zu tun, die die Luft-Geschicke dieses Landes fürs nächste halbe Jahrhundert festlegen sollten. Es sei dahingestellt, inwieweit sich diese drei Männer der Bedeutung ihrer Entscheidung bewusst waren – Entscheidungen gehören zum Alltag jedes Spitzenpolitikers, ja im Grunde ist das seine Job description. Da wird man wahrscheinlich nicht jedesmal über historische Tragweiten nachdenken. Wie auch immer, es ist aufgrund des oben Gesagten und nach wiederholten öffentlichen Äußerungen vor allem des Finanzministers anzunehmen, dass Scheibner und Grasser dem Gripen den Vorzug gaben, während Schüssel sich noch keine Meinung gebildet hatte.
Sinnesänderung durch Überzeugungsarbeit
Folgendes kann vermutet werden: Scheibner wollte auf Nummer Sicher gehen und lieber den – zwar flügellahmen, aber immerhin – Spatz in der Hand als die Hochtechnologie-Taube auf dem Dach. Grasser wollte als Sparmeister der Nation dastehen, der nur ja den Militärs kein kostspieliges Luxus-Spielzeug schenken wollte, das billigste sollte es auch tun. Der Kanzler wollte gar nichts. Dass Schüssel immer wieder ganz gerne als tabula rasa durch den ideologiefreien Raum wandert, konnte auch von Vorteil sein, wie eben in diesem Fall. Wie die Diskussion genau ablief, weiß niemand. Was aber herauskam, verdient gehörigen Respekt. Die drei Entscheider stellten sachliche und formale Erwägungen über politische. Sie schielten nicht auf die Wähler (der nächste Urnengang schien auch noch weit entfernt zu sein), sie blieben bei der Sache.
Nun sei hier festgestellt, dass rein politische Entscheidungen a priori nichts Schlechtes sein müssen. Denn manchmal kann die zweitbeste Lösung die beste sein. Stellen Sie sich vor, Sie fahren in den Urlaub. Alles spricht für ein bestimmtes Ziel, nur ist das so teuer, dass die Familie kein zweites Mal im Jahr Urlaub machen kann. Die will das aber, und so ändern Sie das Ziel ab auf ein nicht ganz so ideales, aber günstigeres. Solche kleinen politischen Entscheidungen trifft jeder täglich permanent, für sich selbst und andere, und es gibt eine Grenze, wo Objektivität und Subjektivität ineinanderfließen. Man weiß einfach nicht mehr, was besser ist, von der Sache her und für einen selbst. Das Problem des freien Willens, neurologisches Liebkind des kontemporären Wissenschaftsparadigmas, lassen wir jetzt einmal außen vor, sonst ist ohnehin alles, was wir tun, lassen und hier schreiben, nicht mehr als ein sinnleeres Ritual.
In unserem Fall gab es im Grunde zwei politische Argumente: Das können wir uns nicht leisten. Und: Dafür sind wir zu klein/provinziell (und im Grunde zu dumm). Die Gegenargumente: Wer anders sollte sich das leisten können als einer aus den Top Ten der reichsten Länder der Erde? Und: Auf allen Gebieten reden wir von Leistung und Hochtechnologie, wollen vorne mit dabei sein bei Forschung und Entwicklung, und davon wollen wir nun ein Gebiet ausklammern und auf dem Niveau der 50er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts behandeln (wenn nicht gar – bei einem Sieg der Totalabschaffer – des neunzehnten)? Was zudem auch deshalb ein Blödsinn wäre, weil die Hochtechnologie heute unendlich verzahnt ist (und der militärische Bereich schon immer einer der Vorreiter war).
Das formale Argument schlug in dieselbe Kerbe: Wir haben die eindeutige Empfehlung der von uns eingesetzten Expertenkommission. Nun, wir sind nicht verpflichtet, uns daran zu halten. Wie hieß das? Freihändige Vergabe im Wettbewerb! Aber wozu das ganze Theater, wenn man die Empfehlung dann einfach wegwirft? Ob das alles in dieser Woche so explizit überlegt und/oder diskutiert wurde, weiß man nicht. Vielleicht können sich die Akteure selbst nicht mehr so genau daran erinnern. Jedenfalls muss es den drei Herren in diesen Tagen gedämmert sein: Wer billig kauft, kauft teuer.
Aber vielleicht war der letzte Anschub für die endgültige Entscheidung zum Kauf ja doch der Nine-Eleven-Zwischenfall. Jedenfalls meinte Bundeskanzler Schüssel Anfang September 2001: "Ich werde es nicht zulassen, dass österreichisches Territorium nicht ausreichend geschützt wird."
"Wer Schlechtes denkt, ist selbst ein Gauner"
Am meisten fiel der Sinneswandel natürlich bei Karlheinz Grasser auf, dem Medien-Sunnyboy, der aus seinem Misstrauen gegen Abfangjäger nie ein Hehl gemacht hatte. Aber Grasser ist ein intelligenter Mann, auch er kam eben an den Argumenten nicht vorbei, und dazu konnte er seinen Sinneswandel auch schön verkaufen: Nein, kranksparen wollen wir die Österreicher ja auch nicht, statt dessen setzen wir sie an die Spitze der Hochtechnologie, und euer Karlheinz ist der strahlende Ritter, der die schmucken Flieger unter die Goldhaube bringt. Und die Gegengeschäfte sind ja auch viel besser als beim Gripen, da kostet uns das ja in Wirklichkeit gar nix.
Das war natürlich Futter für die Fama, das sie gierig bei den Stehitalienern der Hauptstadt hinunterschlang. Grasser hätte agieren können, wie er wollte, er hätte auch Rübenbomber bestellen können, als Schillerfigur des veröffentlichten Lebens steht so einer bei einem 2-Milliarden-Projekt sowieso auf der Angriffs- und Abschussliste. Grasser, der sich von Anfang an gerne in die Medien begab, kam spätestens jetzt darin um.
Gaudens et pariter facta atque infecta canebat – die Fama "kündete froh, was geschah, und erfand, was niemals geschehen": "Ziehneffe" Karlheinz, der ehemalige Angestellte mit Rückkehrrecht bei Österreichs größtem Tycoon, "Onkel" Frank Stronach, habe sich plötzlich doch für den Eurofighter entscheiden müssen, war da zu lesen, um dem riesigen Konzern seines potentiellen Dienstherrn Zulieferungen für Flugzeugteile zu sichern.
Man fragt sich, wie ein Auspuff von Chrysler in einen Abfangjäger passen soll, auch wenn es der des Sportwagens Crossfire ist, ein Name, der unwillkürlich an das legendäre britische Spitfire-Jagdflugzeug erinnert. Generell ist diese Verschwörungstheorie der hanebüchenste Blödsinn, den man sich vorstellen kann. Die Eurofighter waren schon längst fertig konstruiert, mit und ohne Stronachs Chrysler-Aschenbechern, und für künftige Ausschreibungen gelten genau dieselben professionellen Kriterien, wie sie auch bei unserer Beschaffung verbindlich waren: Pflichtenheft (Was will man?) – Angebote (Was kann man kriegen?) – Zuschlag (Was passt am besten zusammen?). Da ist schon rein abwicklungstechnisch kein Spielraum für Herren mit hochgeschlagenen Mantelkrägen und Geldköfferchen unterm Arm.
Ein so großes, international tätiges Unternehmen wie EADS kann sich gar nichts anderes leisten, als bis zur letzten Schraube korrekt vorzugehen. Aber so funktioniert eben die Wirtschaftswelt bei machen Linken und Grünen und anderen einfachen Gemütern: Geschäftsgrundlage in der freien Wirtschaft sei nichts anderes als Lug, Trug und Täuschung, und hinter jedem Kontoauszug lauere das Verbrechen. Eine seltsame Sicht von Leuten, die eigentlich den Menschen als grundsätzlich edles Wesen betrachten. Honni soit qui mal y pense.
Das letzte Gerücht
Es gibt aber auch noch schlimmere, schmierige Gerüchte, die bis heute durch die Hauptstadt wabern. Eines besagt, dass Grasser vom Heeresnachrichtendienst erpresst worden sei. Mit Fotos, die ihn als jungen Landeshauptmannstellvertreter mit seinem damaligen Landeshauptmann und noch zwei weiteren sehr jungen Männern in einem Boot auf irgendeinem Kärntner See zeigen. Das kann man schon durch reine Logik aus der Welt schaffen. Warum sollte ein Ministerium, das bis in die obersten Haarspitzen mit schwedischem Blau-Gelb eingefärbt war, jemanden dazu erpressen, dass er dem Konkurrenzprodukt sein placet gibt?
Und weil's gerade hier so gut passt und zudem so schön ist, hier noch ein Zitat aus dieser wunderbaren Vergil-Stelle über die Fama, das Gerücht (Äneis IV, 180ff.):
... monstrum horrendum ingens, cui quot sunt corpore plumae,
tot vigiles oculi subter – mirabile dictu –
tot linguae, totidem ora sonant, tot subrigit auris.
"... ein fürchterliches, gewaltiges Monstrum,
wie viele Federn ihm am Körper sind,
so viele wachsame Augen sind darunter
und – oh Wunder! –
wie viele Zungen es hat, so viele Münder klingen,
und so viele Ohren werden gespitzt."
Das Moratorium
Vier Wochen später, am Dienstag, dem 30.Juli 2002, beginnen auf breiter Front die Detailverhandlungen mit EADS (präziser: mit deren Tochter Eurofighter GmbH), wobei im Wissen um etwaige things to come so zügig gearbeitet wird, dass schon im September ein weitgehend zur Unterschriftsreife gediehener Vertragsentwurf vorliegt. Doch der liegt dann noch fast ein ganzes Jahr herum.
Hochwasser spült sechs Abfangjäger weg
Zunächst einmal musste die Stückzahl reduziert werden, denn die Regierung hatte während der Hochwasser-Katastrophe Mitte August nasse Füße bekommen. Im Angesicht dieser "Jahrhundertkatastrophe" wollte man sein weiches Herz beweisen und ein Zeichen setzen. Der Verteidigungsminister verkündet mit bewegter Stimme, dass nur 18 statt der geplanten 24 Maschinen angekauft werden, um eine langfristige Kreditabsicherung für die aktuelle Hochwasserhilfe zu gewährleisten.
Aber das war wohl weniger ein finanztechnisches Problem als eines der Außendarstellung. Wenn schon den armen Landsleuten an der Donau Hab und Gut weggenommen worden war, dann wollte man in einem Anfall von masochistischer Selbstbestrafung sich selber auch was wegnehmen und auf den Luxus von so vielen silberglänzenden Düsenjägern verzichten.
Dass die kein Luxus waren, sondern pure Notwendigkeit, wussten einige Politiker nicht, oder es war ihnen schlicht egal. Wobei nebenbei bemerkt die Regierungsparteien in den Medien ohnehin gut dastanden, denn vom Bundeskanzler abwärts stiefelte alles im Gummi- und Ölzeug durch die Fluten. Im Gegensatz zum SPÖ-Vorsitzenden Gusenbauer, der in seinem Urlaub in den kanadischen Wäldern verschollen blieb. Dieser Kratzfuß vor dem hypertrophierten sozialen Popanz dieser Republik wäre also gar nicht notwendig gewesen.
Revolution in Knittelfeld
In der FPÖ kriselt es in diesem Sommer wieder einmal, wie eigentlich permanent in den vergangenen zweieinhalb Regierungsjahren. Von bestimmten Kreisen in der FPÖ, nämlich den Sozialfanatikern der Rechten, den Anwälten des kleinen Mannes in Form des Kleinstgewerbetreibenden, wird der Abfangjägerkauf mit der periodisch anstehenden Steuerreform junktimiert.
Und diesmal können die Regierungsmitglieder den Mob der Basis nicht mehr im Zaum halten. Der übernimmt beim berühmten Knittelfeld-Parteitag in dramatischen Szenen die Macht. Am Samstag, dem 7.September 2002, wird dort gegen den Willen der Parteiführung die Einberufung eines Sonderparteitags beschlossen.
Am folgenden Tag tritt Susanne Riess-Passer als Parteivorsitzende und Vizekanzlerin zurück, zusammen mit Grasser und Klubobmann Westenthaler. Der Bundeskanzler nützt dies zum Absprung aus der Koalition, indem er am Freitag, dem 20.September, im Parlament Neuwahlen beschließen lässt. Er hält die Abfangjäger für seine Partei geschickt aus dem Wahlkampf heraus, indem er eine Nachdenkpause bis nach den Wahlen verkündet und gleichzeitig die Schaffung einer Wirtschaftsplattform für die Finanzierung anregt. Die Vertragsverhandlungen mit der Eurofighter GmbH werden jedenfalls eingefroren.
Mit welchen Mitteln die Sozialdemokraten, einst eine staatstragende Partei, jetzt schon arbeiten, zeigt eine Episode aus dem ausgehenden Wahlkampf. Ihre Bundesgeschäftsführerin Doris Kuntzl stellt in einer Aussendung die Frage: "Womit werden die FPÖ-Regierungsmitglieder für die Kampfflieger-Entscheidung belohnt?" Bei der folgenden Gerichtsverhandlung kann sie diese Frage natürlich nicht beantworten und ist damit der üblen Nachrede schuldig. Sie muss an die Verleumdeten 30.000 Euro zahlen. Gottseidank leben wir noch in einem Rechtsstaat.
Neue Wahl – Alte Koalition
Am Sonntag, dem 24.November 2002, gewinnt die ÖVP mit einem Stimmenzuwachs von 16 Prozent haushoch die Nationalratswahl. In der Woche darauf beginnen Koalitionsverhandlungen mit allen anderen im Parlament vertretenen Parteien. Die aus dem Rennen geflogenen Abfangjäger-Produzenten schnuppern wieder Morgenluft, denn Sozialdemokraten und Grüne sprechen sich dezidiert gegen Abfangjäger im Koalitionsfall aus – oder halt zumindest gegen diese sündteuren Eurofighter. Die Russen versuchen wieder, mit ihrer MIG zu landen. Ein Paket mit 30 brandneuen MIG 29-M2 inklusive Schulung, Logistik und Zusatzausstattung um 1,15 Milliarden Euro steht bereit.
Ein wahres Schnäppchen! Nur haben sich diese Maschinen erst in einem einzigen Prototyp materialisiert, sie sind mehr Idee als Realität. Und die Schweden kommen noch einmal mit 18 Jets plus Übergangslösung plus Finanzierungspaket plus Leasingvariante plus Kompensationsgeschäfte. Eine Chuzpe – hätten Sie ja schon vorher anbieten können. Der Sieger Eurofighter GmbH weist zu Recht darauf hin, dass ein solches Nachwassern nach erfolgter Entscheidung im internationalen Geschäftsleben völlig unüblich und unseriös ist.
Die ÖVP steht inzwischen mit den Grünen kurz vor einem positiven Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Dem Vernehmen nach sind nur noch die Abfangjäger der Knackpunkt. Der aber entscheidend wird. Realo Van der Bellen ist schließlich grundsätzlich bereit, den "Kübeln" sogar in Form von Eurofightern, zuzustimmen. Eine Rechnung, die er ohne seine Fundis aufgemacht hat. Die Koalition kommt nicht, am Freitag, dem 28.Februar 2003, wird das zweite schwarz-blaue Kabinett angelobt.
Aufgrund der Kräfteverschiebung im Parlament bekommt die ÖVP zusätzlich das Verteidigungsministerium, Günther Platter löst Herbert Scheibner ab. Der neue Minister verlautbart, dass er die Beschaffung bis Mitte des Jahres unter Dach und Fach haben möchte, vorbehaltlich des positiven Rechnungshofberichts über die Typenentscheidung. Die Verhandlungen zwischen Verteidigungs- und Finanzministerium auf der einen und der Eurofighter GmbH auf der anderen Seite laufen in diesem Frühjahr wieder an.
Das Netzwerk der Air Chiefs
Divisionär Wolfgang Spinka, der Leiter der Generalstabsdirektion, bekommt in diesem Frühjahr noch einmal kalte Füße. Werden uns die Luftwaffen der Betreiber-Nationen bei der Einführung des Eurofighter denn auch gehörig unterstützen, so wie unsere schwedischen Freunde es über Jahrzehnte gemacht haben? Gerade bei diesem hochkomplexen System ist das unbedingt notwendig.
Damit dieses Problem nicht wieder Monate und Jahre durch Genehmigungen, Stempel und Amtsschimmel alles aufhält, setzt sich der neue Kommandant der Luftstreitkräfte seit dem 1. Dezember 2002, Generalmajor Erich Wolf, ins Flugzeug. Um Verschwendungsvorwürfen gleich vorzubeugen: als aktiver Bundesheer-Einsatzpilot muss er sechzig Stunden pro Jahr "abfliegen", das trifft sich gut, da bringt er wieder ein paar Stunden zusammen. Wolf stattet seinen Kollegen und guten Bekannten, den Air Chiefs der betreffenden Länder, einen Besuch ab.
"Air Chief" ist viel mehr als ein Indianer-Titel, sein Träger ist sozusagen das Hirn der Militärluftfahrt eines Landes, der oberste "Luft-Denker", Chef des Luftwaffenstabs, in der Regel direkt dem Generalstabschef zugeordnet. Diese weltweit übliche Funktion steckte in Österreich traditionell in den Kinderschuhen, wobei es überhaupt auch bis 2002 gedauert hatte, dass endlich ein Chef des Generalstabs installiert wurde. Nichtsdestotrotz haben auf mehr oder weniger informelle Weise zuerst der Leiter der Luftabteilung und dann der Kommandant der Luftstreitkräfte diese Funktion wahrgenommen, zumindest auf dem internationalen Parkett.
Im Bestreben der Air Chiefs der europäischen NATO-Länder, sich von den USA zumindest informell abzunabeln, war im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts die European Airchiefs Conference (EURAC) entstanden, die heute über 20 Mitglieder umfasst. In der Folge sind auch die Nicht-NATO-Airchiefs – also jene der Schweiz, Finnlands, Schwedens und Österreichs – eingeladen worden dazuzustoßen. Sinn und Zweck der Gruppe ist die Erörterung aller Themen, die mit der Militärluftfahrt zusammenhängen: von der Ausbildung der Piloten und Techniker über Trends im Flugzeugbau und die Zukunft der Militärluftfahrt bis zur Bildung gemischter Verbände aus den verschiedenen Luftwaffen.
Man kennt und schätzt einander und hat freundschaftlichen Kontakt, sodass – und das ist das Besondere daran – praktisch jederzeit eine Verbindung herstellbar ist, und nicht erst der umständliche militärdiplomatische Weg beschritten werden muss. So war es für Wolf auch kein Problem, selbst um Ostern herum innerhalb von zwei Tagen Besprechungstermine mit den Airchiefs von Italien, Deutschland, Spanien und Großbritannien zu bekommen. Termine, die andere nicht bekommen hätten. Vielleicht hatte sich da ja jemand gedacht, wenn wir einen möglichst kurzen Termin setzen, wird er das nicht schaffen. Aber Freundschaft in Verbindung mit der Flexibilität und hohen Geschwindigkeit der Fliegerei – das ist eine unschlagbare Mischung.
Wolf flog am Gründonnerstag nach Berlin, am Karfreitag nach Rom und besuchte am folgenden Dienstag und Mittwoch mit Linienflügen Madrid und London. Es war kein Problem – er kehrte mit einer Unterstützungs-Zusage aller vier Air Chiefs zurück: "Ja, wir werden Euch mit allen Erfahrungen, die wir bisher mit dem Flugzeug gemacht haben, helfen, den Eurofighter zu implantieren." So war das letzte Hindernis beseitigt, und auch im Parlament wurde die endgültige Endrunde eingeläutet.
Bis zur letzten Patrone
Am 11. Juni 2003 wird im Nationalrat das "Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen" mit den Stimmen der Regierungs-Fraktionen beschlossen.
Bundesgesetz über den Nachkauf von Luftraumüberwachungsflugzeugen.
- Der Bundesminister für Landesverteidigung wird ermächtigt, für den Bund
- 18 Stück Luftraumüberwachungsflugzeuge zum Kaufpreis von bis zu 1.337 Millionen Euro anzukaufen und zusätzlich
- Verträge über Lieferungen und Leistungen von bis zu 632 Millionen Euro im Zusammenhang mit dem Ankauf und der über den Voranschlagsansatz 1/40108 zu bedeckenden mehrjährigen Bezahlung dieser Luftraumüberwachungsflugzeuge abzuschließen. Für die finanzielle Bedeckung hat der Bundesminister für Finanzen zu sorgen.
- Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist der Bundesminister für Finanzen, der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie und der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Landesverteidigung betraut.
Noch einmal versuchen die Sozialdemokraten mit aller Gewalt zu blockieren. Denn als das Gesetz in den Bundesrat weitergeht, kommt es dort zu einer kuriosen Patt-Situation. Ein Antrag der SPÖ, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats Einspruch zu erheben, wird zwar abgelehnt. Ein weiterer Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, wird aber ebenfalls abgelehnt.
Die Folge davon ist, dass vor der notwendigen Beurkundung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten eine achtwöchige Frist verstreichen muss. Da das Offert für den Eurofighter aber mit Anfang Juli 2003 ausläuft, wird der Kaufvertrag "vorbehaltlich Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2003" unterschrieben. Eine Maßnahme, die auch den aktuell gültigen Zinssatz rettet und dadurch bei der Finanzierung noch einmal rund zehn Millionen Euro einspart.
Ohne Pauken und Trompeten
Jetzt waren alle Hindernisse beseitigt. Am Dienstag, 1. Juli 2003, wird der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Eurofighter GmbH von den beiden Verhandlungsführern Mag. Edwin Wall (dem Abteilungsleiter der Kaufmännischen Zentralabteilung) und Reinhard Faltlhauser im ehemaligen Ministeriumsgebäude am Wiener Franz-Josefs-Kai 7-9 unterzeichnet. Das heißt eigentlich sind es zwei: der Vertrag "V1" über die Lieferung von 18 Abfangjägern und der Vertrag "V2" über Logistik und Ausbildung. Ohne Zeremonie, ohne Sektgläser, ohne alles.
Der Vertrag erlangt Rechtskraft am Freitag, dem 22.August 2003, um 0:00 Uhr.
Gerade jenem Tag, an dem neues Futter für die Fama zu wachsen beginnt.
Das Fest
Am Vertragstag selbst war es still, doch es findet natürlich eine Feier statt. Klar, warum sollten am Ende eines solchen Vertragsabschlusses (oder, wie es jetzt modern ist: "am Ende des Tages") nicht alle, die jahrelang für das Projekt gearbeitet hatten, einmal privat zusammenkommen. Da gibt es kleinere Gelegenheiten, bei denen größer gefeiert wird.
Der rote Stier
Wie der Zufall so spielt. Am selben Tag, an dem der Vertrag Rechtskraft erlangt, geht in Salzburg eine große Flugshow über die Bühne. Red Bull-Tycoon und Flug- und Motorsportfan Dietrich Mateschitz will damit die Eröffnung seines Hangar-7 zu einem Riesenfest mit großer PR-Wirkung machen. Und es wäre nicht Mateschitz, wenn er sich nicht etwas ganz Besonderes hätte einfallen lassen. Es sollte keine "gewöhnliche" Show sein, sondern im Rahmen der Salzburger Festspiele wird so etwas wie eine neue Kunstform aus der Taufe gehoben.
Zunächst wurde das "Hubschrauber Quartett" des deutschen Großkomponisten und Neutöners Karlheinz Stockhausen aufgeführt, ein Auftragswerk der Festspiele aus der Ära Mortier. Vier Musiker wurden in jeweils einen Hubschrauber gesetzt und brachten über der Stadt die Partitur zum Klingen. Der Kunstgenuss (wenn man bei Stockhausen von so etwas sprechen kann) wurde dann auf riesigen Videowalls im Hangar vor dem Publikum zusammengeführt.
Anschließend stand ein noch größeres Spektakel auf dem Programm: Taurus Rubens, "der rote Stier". Eine Choreographie des Salzburgers Hubert Lepka, die eine Geschichte der Welt aus der Sicht der Antike zum Thema hatte. Neben dem Ballett der Menschen fungierten Düsenflugzeuge und Sportwägen als Götter und Halbgötter. Zum künstlerischen Wert kann man stehen, wie man will, einige Kritiker jedenfalls betrachteten das Werk lediglich als Event mit Kunsttünche, von allen jedoch gelobt wurde die gewaltige organisatorische Leistung dieser Inszenierung, einer Mischung aus langsamen Menschen und pfeilschnellen Maschinen.
Die österreichischen Luftstreitkräfte, mit denen Red Bull in einer Partnerschaft verbunden ist, sind mit Fluggerät dabei. Als Partner, auf gleicher Augenhöhe, und nicht als Dienstleister. Denn das Bundesheer hat als einen seiner Aufträge auch die Erfüllung kultureller Pflichten. Abgesehen davon ist der errechnete Werbenutzen für das Bundesheer so groß, dass er den Aufwand weit übertrifft.
Das nennt man Öffentlichkeitsarbeit. Und schließlich ist die präzise Abstimmungsarbeit bei der Inszenierung ein wertvolles Training für die Piloten. Wohlgemerkt: besteht kein Nutzen, verlangt das Heer für Gerät und Mannschaften, die es für Fremdzwecke zur Verfügung stellt, immer eine entsprechende Bezahlung. Da gibt es eine genaue Liste, jeder Panzer für einen Spielfilm hat seinen Tarif.
Auf dieser Veranstaltung, oder besser gesagt diesem Event, denn wenn dieses Modewort eine Berechtigung hat, dann hierfür, trafen sich nicht nur Hinz und Kunz, sondern alle, die Rang oder Namen hatten; vom Verteidigungsminister (Günther Platter) bis zum Fotomodell (Naomi Campbell) starrte alles mit offenen Mündern in den Himmel. Natürlich waren auch die Chefs der beteiligten "Unternehmen" dabei, Aloysius Rauen von der Eurofighter GmbH, die dafür auch Flugzeuge zur Verfügung gestellt hatten, und der Kommandant der Luftstreitkräfte, Erich Wolf. Und in der Folge entstand zwischen diesen beiden die Idee, doch ein Fest auszurichten, zu dem alle eingeladen werden sollten, für die der Eurofighter-Vertrag in den letzten Jahren zu einem wichtigen Teil ihres beruflichen Lebens geworden war.
Belsazars Fest?
Am Donnerstag, 30. Oktober 2003, in der Woche rund um die Feste und Festivitäten Nationalfeiertag, Halloween und Allerheiligen, wird auch in Langenlebarn gefeiert. Es war aber kein Gelage wie in Belsazars Palast, wie es sich so mancher in seiner blühenden Phantasie ausmalt, sondern ein zwangloses Zusammentreffen in der schmucklosen Kantine des Fliegerhorsts Langenlebarn. Mit einem ordentlichen Menü und ordentlichen Getränken. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Nobelcatering, keine Haubenköche, Brünnerstrassler statt Grand Cru. Alle Restaurant-Leistungen lieferte der Pächter des Offiziers-Casinos des Stützpunkts. Es gab einen offiziellen Teil mit kurzen Ansprachen von Minister Platter, Eurofighter-Chef Rauen und dem Luftstreitkräfte-Kommandant Wolf. Darin wurde die Leistung aller Beteiligten gewürdigt und zum kräftigen Weiterarbeiten motiviert. Wie das halt so ist bei "Firmenfeiern". Rund 120 Gäste waren dabei, in der Mehrzahl Männer, die Ehepartner waren nicht eingeladen worden.
Und dann kam der informelle Teil – welch üppiger Nährboden für Jahre an Fama! Denn das Programm lehnte sich an das schwedische Vorbild der Feiern nach Typenprüfungen an. Kein Wunder, waren doch österreichische Militärpiloten über Generationen zu einem guten Teil dort ausgebildet worden, hatten schwedische Verhaltensmuster sozusagen internalisiert. Die Schweden sind militärisch ein raues Völkchen, was man schon aus der Tatsache ersehen kann, dass sich aus diesem Land immer wieder überproportional viele Söldner für alle möglichen Staaten und Kriege rekrutiert haben. Diese gestandenen Kerle stehen sich auf Spiele mit Geschicklichkeitsübungen, die – sagen wir einmal so – in Mitteleuropa nicht üblich sind. Etwas traurig nur die Tatsache, dass der schwedische Brauch eben nicht zu einem schwedischen Vertragsabschluss zelebriert werden konnte – aber das Leben geht weiter.
Unsere Draken-Piloten hatten die harmloseren Varianten dieses Brauchtums für die Teilnehmer an einem Jux-Battle vorbereitet: Verteidigungsminister Platter, Generalstabschef Ertl, den Chefverhandler des Finanzministeriums, Ministerialrat Hillingrathner, und den Luftstreitkräfte-Kommandanten Wolf. Sie wurden auf Fahrräder gesetzt, an denen hinten ein Ballon montiert war, und mussten mit dem eigenen Rad die Ballons der anderen zum Platzen bringen.
Schoss Platter auf Grasser?
Das Spiel, das dann zum Skandal wurde, hat sogar einen militärischen Hintergrund: es "simuliert" das Feuern eines Piloten auf ein anderes Flugzeug, der dabei seine ganze Maschine in die richtige Position bringen muss – so, wie der Bodensoldat den Gewehrlauf auf das Ziel ausrichtet. Während man auf einem Standfahrrad fährt, erscheinen Scheiben mit Fotos von eigenen Flugzeugen, fremden Flugzeugen sowie das eigene Porträtfoto, auf die man mit der Sprühpistole schießen muss. Und jetzt kommt's: da in der Schnelligkeit kein Foto von Hillingrathner aufzutreiben war, wurde einfach eines seines Chefs Grasser genommen (von dem ja unzählige in den Medien existieren). Und darauf hat der Herr Minister Platter nicht einmal geschossen, weil jeder seine eigene Scheibe mit seinem aufgespannten Foto hatte. Das ist die ganze banale Wahrheit, die hinter dieser aufgeblasenen Schießaffäre steckt. Ein Hornberger Schießen sozusagen.
Lustigerweise gewannen der Zivilist Hillingrathner und der Zivilist Platter, die Offiziere Ertl und Wolf dagegen waren die Verlierer. Man sieht auch daran, dass es wirklich nicht mehr als eine Hetz war. Für die es als Siegespreise Urkunden und Fliegerschals gab.
Man kann derartige Spielchen nun für einen Blödsinn halten, für pubertäre Ausflüsse unreifer Jungoffiziere und/oder depperter alter Herren, und das Ganze kann auf Außenstehende durchaus befremdlich wirken. Aber es gibt nun einmal einen esprit de corps, gewisse Verhaltensmuster in einzelnen gesellschaftlichen Gruppen. Man denke nur an die Bräuche der Handwerkszünfte bei Gesellenprüfungen. Ein bekanntes Beispiel ist das "Gautschen" der Drucker, bei dem der Lehrling nach bestandener Prüfung in einem Schaffel Wasser untergetaucht wird. Und man sage nicht, dass das mittelalterlich und längst vergessen sei: heute werden etwa in manchen deutschen Bundesländern in der Nachfolge der Drucker die Mediengestalter schon wieder – oder immer noch – gegautscht.
Einladen und sich einladen lassen
Der strafrechtliche Vorwurf sind aber nicht jene "Vorkommnisse" auf diesem Fest, sondern der angebliche Tatbestand der unerlaubten Geschenkannahme. Wolf habe sich als Privatmann eine private Feier finanzieren lassen. Abgesehen davon, aus welchem Anlass er das denn hätte tun sollen, und dass private Feiern doch etwas anders ausschauen – es stimmt einfach nicht. Die Wahrheit ist: Es war eine dienstliche Feier. Für die auch die Genehmigung eingeholt worden war, und zwar vom Leiter der Öffentlichkeitsarbeit des Kommandos Luftstreitkräfte, Oberstleutnant Krasser, beim Chef der Gruppe Kommunikation im Ministerium, Magister Kullnig.
Das Fest wurde organisiert vom Kommando der Luftstreitkräfte, auf der offiziellen Einladung stand daher auch "Der Kommandant der Luftstreitkräfte beehrt sich ..." Es ist üblich, dass auf derartigen Einladungen der Kommandant angeführt ist. Auf Einladungen des Ministeriums ist ja auch der Minister angeführt, und es sind keine Privateinladungen.
Und der Clou des Ganzen: der der Geschenkannahme Beschuldigte finanziert vier Fünftel des angeblichen Geschenks selbst. Wolf in seiner Einlassung auf die Anzeige wörtlich:
"Da auch die Mitarbeiter von EADS an der Feier teilnehmen sollten, hat die Eurofighter GmbH angeboten, die Kosten für die Feier zu übernehmen. Ich wollte allerdings eine aliquote Teilung der Kosten zwischen der Eurofighter GmbH und mir. Die Kosten für die Bundesheerbediensteten habe ich persönlich übernommen, weil ich bei diesem Anlass ein besseres Essen und bessere Getränke bereitstellen wollte, als dies aus öffentlichen Mitteln üblicherweise möglich gewesen wäre. Die Kosten für die Mitarbeiter von Eurofighter hat die Eurofighter GmbH übernommen. Diese Kostenteilung ist auch tatsächlich erfolgt. Ich habe etwa 80% der Speise- und Getränkekosten bezahlt, nämlich Euro 3.700,-. Dies hat die Firma Eurofighter in ihrer Stellungnahme bestätigt. Ich musste Herrn Rauen von der Firma Eurofighter mehrmals daran erinnern, dass er mir den Betrag und die Bankverbindung bekannt geben solle, damit ich meinen Anteil einbezahlen konnte."
Wolf bat mehrmals, den von ihm zu begleichenden Betrag bekannt zu geben, jedesmal, wenn er Direktor Rauen traf, erinnerte er diesen daran. Der hatte immer wieder darauf vergessen und meinte nur, dass das alles lächerlich und eigentlich zu vergessen sei. Anderswo würde kein so ein Theater um derartige Gegenständlichkeiten und – im Vergleich zu vielen Schickeria-Festen geringfügige – Summen gemacht werden.
Natürlich ist das im Grunde lächerlich, aber erstens hält man als Offizier und Ehrenmann seine Versprechen, und zweitens ist bei der herrschenden Überempfindlichkeit unter den und gegen die Militärs unter Umständen Schlimmes zu befürchten. So konnte Wolf Anfang 2007 endlich den Betrag von 3.700 Euro überweisen. Die ministerielle Neid- und Missgunst-Bürokratie hatte da aber schon alle Vorbereitungen zur Vernichtung des Generals getroffen.
Vertrauen ist gut. Dienstweg ist besser
Die Kontrollsektion des Ministeriums unter Generalleutnant Mather wetzte die Messer. Der General Wolf hatte schon öfter ungewöhnliche Dinge gemacht, lästiger Typ, flog, wo's ging, über den Amtsschimmel drüber, der am Boden nur mehr wiehern konnte. Jetzt hatten sie die Chance, ihn abzuschießen. Dienstliche Feier? Nein! Das war nicht dienstlich. Denn die Feier war nicht auf dem Dienstweg angemeldet. Die Genehmigung vom eigenen Kommunikationschef zählt anscheinend nicht. Dienstwege sind unergründlich und verlieren sich im Nirgendwo der ministeriellen Erlässedschungel. Anscheinend auch der, dass man den Minister direkt fragt, von Angesicht zu Angesicht, und der Ja sagt, und selber bei der nichtdienstlichen Feier erscheint, und alle soldatischen Gäste, allen voran der Chef des Generalstabs, in ihrer Uniform, der Dienstkleidung.
Heute kann sich keiner der Involvierten mehr daran erinnern, wie es wirklich war. Oder besser gesagt, wer sich nicht erinnern kann, will sich nicht erinnern. Denn es ist natürlich sehr bequem, wenn man einen Sündenbock gefunden hat, für was weiß auch immer, etwas wird sich schon finden. Der Vorwurf des Amtsmissbrauchs ist schnell aus der Amtsschublade des Amtsschreibtisches gezogen, der der verbotenen Geschenkannahme auch, und wenn man dann den Einwand macht, alle haben ja gegessen und getrunken, verkünden die vollen Amtsmünder, dass es dann eben Geschenkannahme zugunsten Dritter war. Wolf, als Luftwaffenkommandant selbst einer der höchsten Militärs, hätte also Geld angenommen, um seinen Minister und dessen Generalstabschef zu verköstigen. Zu welchem Zweck denn? Vielleicht damit er dann bei denen besser angeschrieben ist? Etwas Absurderes gibt es ja gar nicht.
Das heißt doch, auch das gibt es: Vom Ministerium wird nämlich argumentiert, dass Wolf in die Vertragsabwicklung involviert war, und der Beitrag der Eurofighter GmbH zum Fest daher eine "Bestechung" gewesen sei. Sind die Anzeiger wirklich so schludrig, dass sie sich nicht kundig gemacht haben, dass die Verantwortung für das Projekt ausschließlich beim Ministerium liegt? Das Kommando Luftstreitkräfte ist Truppe und stellt für diese Projektarbeit einzelne Bedienstete als Spezialisten ab. Die sind aber damit, solange sie in dieser Funktion tätig sind, der Befehlsgewalt des Kommandanten entzogen. Aus. Punktum. Ist denn das so schwer zu kapieren?
Die Firma
Bevor Erich Wolf Luftwaffenkommandant wurde, war er im Ministerium zuständig für die Luftrüstung, genauer gesagt als Referatsleiter "Luftmaterialstruktur" für die Planung und Beschaffung dessen, was in der Luft gebraucht wird. Sein Chef: der Leiter der Luftabteilung beim Generalstab, Brigadier Josef Bernecker, den wir bereits kennen gelernt haben. Ein smarter, kunstverständiger, linksstehender Intellektueller mit einer dichten militärischen Biographie: Ehemaliger Kommandant des Jabo-Geschwaders, Testpilot, Austauschpilot in Schweden, in Israel, de facto "Air Chief", bevor es diesen Titel de jure in Österreich gab.
Vom Schreibtisch zur Show
Dieser Josef Bernecker war die Ursache für das nebenberufliche Engagement seines Mitarbeiters Erich Wolf. Denn alle, die mit Bernecker zusammenarbeiten mussten, litten darunter: Er war alles andere als ein Teamworker, ja er war sogar ein extremer Solist. Auch sonst fiel Bernecker immer wieder durch Seltsamkeiten auf. So wurde nicht der Offizier und erfahrende Pilotenkollege Wolf sein Stellvertreter, sondern ein ziviler Beamter, Diplom-Ingenieur Franz vom Stab Luftraumbeobachtungssystem.
Es war Mitte der 80er Jahre. Wolf saß also da und drehte Däumchen, während Bernecker im Nebenzimmer selbst alle zu beschaffenden Flugzeuge studierte, mit ihnen plante und überhaupt machte, was er wollte. In dieser Enge des Bürolebens, nur unterbrochen durch die Absolvierung der vorgeschriebenen Flugstunden, sucht sich Wolf, bis dato Zeit seines Lebens ein extrem aktiver Mann, noch eine andere Aufgabe. Es waren Flugshows. Schon früher hatte Wolf ab und zu bei solchen Schauen den "Auftritt" von Militärflugzeugen kommentiert. Und seine Sache nicht schlecht gemacht, wie die Zuschauer meinten. Der konkrete Auslöser aber war ein Anruf von Mag. Norbert Kohsem von den Wiener Messen im März 1985. Er wollte Wolf für eine Flugzeugmodell-Messe als Berater gewinnen. Dabei blieb es nicht. Bald wurde man sich einig, dass man es nicht bloß bei Modellen belassen wollte.
Es war nicht schwer, die Zustimmung des Ministeriums zu dieser Nebenbeschäftigung zu bekommen. Das heißt Zustimmung braucht es da gar keine, das Ministerium darf die gemeldete "Beschäftigung" nur nicht beeinspruchen. Es hat nicht. Und es war auch nicht schwer, daraufhin zusammen mit dem Partner Kohsem eine Firma zu gründen, die diese Shows managte. Man kann das Ganze ja nicht mit einem Telefon vom Badezimmer aus betreiben. Technisch nicht und finanziell auch nicht. Denn da geht es um relativ große Summen. Formationen etwa wie die Frecce tricolori zeigen nicht gratis ihre Kunststücke, das sind oft sechsstellige Beträge, die da aufzubringen sind. Die Firma erhielt den inzwischen berühmt gewordenen Namen Creativ Promotion GmbH.
Erich Wolf war selbst, wenn man so will, "Schau-Flieger". Er hatte 1979 die inoffizielle Militär-Kunstflug-Weltmeisterschaft gewonnen, 1983 mit seinem Jabo-Geschwader Vorführprogramme im 9er-Verband-Formationsflug einstudiert. Mit diesen Kenntnissen und Kontakten gelang es ihm bald, etwas Ordentliches auf die Beine zu stellen, das die Zuschauer fesselte. Die erste dieser Shows fand noch im selben Jahr 1985 in Linz statt, und zehn weitere folgten.
Dann kam Ramstein. Am 28.August 1988 ereignete sich dort bei dem alljährlich auf der amerikanischen Air Base stattfindenden Flugtag eine Katastrophe. Drei Jets der italienischen Frecce tricolori-Staffel stießen in der Luft zusammen. Siebzig Menschen wurden getötet, hunderte schwer verletzt. Das war natürlich das Aus für Wolf und Kohsem. Kein Mensch interessierte sich mehr für Flugshows. Man trennte sich. Kohsem wurde ausbezahlt, die Anteile übernahm die spätere Frau des damals Noch-nicht-Brigadiers Wolf.
Fortsetzung folgt.
Die Redl-Texte entstanden während des ersten Eurofighter-Untersuchungs-Ausschusses 2006/07 und stammen von einem Österreicher mit Heimat- und Verantwortungs-Bewusstsein und besten Verbindungen zum militärisch-ministeriellen Komplex. Es ist natürlich immer davon auszugehen, dass sich darin der Erkenntnis-Horizont von vor zehn Jahren widerspiegelt – was aber eher ein Vorteil ist, denn dadurch ist historische Authentizität gegeben. Alles ist original, es wurde nichts aus heutiger Sicht hinzugefügt. Die Texte sind dem "Tagebuch" von dritter Seite zugespielt worden und werden an dieser Stelle in loser Folge veröffentlicht.
Die bisherigen Texte:
- Die Redl-Papers(I): Eine halbe Milliarde veruntreut
- Die Redl-Papers(II): Der Gewerkschafter und der Grüne
- Die Redl Papers(III): Der Abschuss lahmer Enten
- Die Redl Papers (IV): Abfang, Abschuss und der Zeitgeist
- Die Redl Papers (V): Der Wörgl-Incident
- Die Redl Papers (VI): Das Schmierentheater Neutralität
- Die Redl Papers (VII): Ausgerechnet am 11. September
- Die Redl Papers (VIII): Einmal hü, einmal hott