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Schwarz-Blau: Da lässt sich vieles gut an – manches aber gar nicht

Nun liegen alle Wahlprogramme vor. Man sollte solche Programme freilich nicht allzu Ernst nehmen, weil sie ja im Grund nur bei einer absoluten Mehrheit einer Partei nachher einforderbar sind. Da es die aber nicht geben wird, hat jede Partei später eine gute Ausrede, warum ein guter Teil nicht umgesetzt werden kann.

Genau aus diesem Grund glauben die Parteien wohl, jetzt sehr unbesorgt viel mehr an finanziellen und sozialen Wohltaten versprechen zu können, als jemals erfüllbar sein kann. Schuld sind dann einfach immer die anderen. Oder halt die Weltkonjunktur. Daher sind derzeit eigentlich nur jene Reformpläne wirklich interessant und relevant, die nichts oder wenig kosten.

In diesem Bereich findet man aber zum Glück bei Schwarz wie Blau – um diesmal nur die wahrscheinlichste Koalitionsvariante zu untersuchen – sehr viel Positives, sehr viel Gemeinsames. Man stößt aber da wie dort auch auf völlig unverdauliche Brocken.

Daher seien die interessantesten Positiva wie Negative aus den Hunderten Vorschlägen herausgeholt und analysiert.

Die "Hetze"

Fangen wir bei den Negativa an:

Entsetzen erweckt im schwarz-türkisen Programm vor allem ein Punkt: Das ist der Wunsch nach noch "härteren Strafen für Hetze gegen Demokratie, Rechtsstaat, Religionen, Personen- und Gesellschaftsgruppen". Eine solche Absicht im ÖVP-Programm ist dumm, undurchdacht und eigentlich ungeheuerlich.

Dies schon einmal deshalb, weil die überwiegend linke Staatsanwaltschaft ja auch schon bisher die ohnedies bereits zweimal(!!) verschärften Paragraphen gegen Verhetzung vor allem dazu angewendet hat, um auch total gewaltfrei geäußerte Meinungen von Islamkritikern zu bestrafen. An diesem Verhalten der Justiz ändert es auch nichts, dass diese auf Dutzende Stellen im Koran hinweisen können, die zu Mord und Unterdrückung aufrufen. Diese Stellen im Koran (der ja auch auf Steuergeld an österreichischen Schulen gelehrt wird) sind jedoch von den Staatsanwälten noch nie als Hetze angeklagt worden. Und jetzt will die ÖVP ihnen allen Ernstes noch schärfere Waffen in die Hand geben? Man fasst es nicht.

Dieses vermutlich von Justizminister Brandstetter ins ÖVP-Programm geschmuggelte Verlangen ist aber auch deshalb ungeheuerlich, weil die Obrigkeit mit solchen Gummi-Formulierungen letztlich jede Kritik am gegenwärtigen Zustand von Demokratie und Rechtsstaat als "Hetze" pönalisieren kann. Im Grund kann dann jeder grundsätzliche Einwand etwa gegen die heutige Form der repräsentativen Demokratie, gegen Zwangsquoten, gegen verpflichtendes Gendern, gegen massive Fehlentwicklungen des Rechtsstaats ins Gefängnis führen. Im Grunde, verehrter Herr ÖVP-Obmann, kann das auch wegen des Verlangens nach einer Richtlinienkompetenz für den Regierungschef erfolgen; ein dialektisch geschulter Staatsanwalt kann das spielend als Vorstufe zu einer Diktatur inkriminieren.

Als warnendes Beispiel, wie leicht das geschehen kann, sei auch auf Deutschland verwiesen. Dort werfen die (bisherigen) Machtparteien der AfD ständig "Demokratiefeindlichkeit" vor. Folglich würde dieser Partei in Österreich künftig ein "Ab ins Gefängnis" drohen. Dabei will die AfD so wie einst ein Bruno Kreisky nicht weniger, sondern mehr Demokratie (nämlich die direkte – so wie ja auch das ÖVP-Programm), während die große Koalition in Österreich in den letzten Jahren die Demokratie auf etlichen Ebenen abgebaut hat.

Hätten wir eine wirklich liberale – und nicht bloß eine linksliberale – Partei in Österreich, dann würde diese jetzt ob solcher Vorschläge laut aufheulen. Sie würde geißeln, dass da eine weitere massive Einschränkung der Meinungsfreiheit verlangt wird. Eine solche Partei haben wir freilich nicht.

Zur Verteidigung dieses Vorhabens solle man auch bitte nicht mit dem Argument kommen, der Kampf gegen "Hetze" wäre im Kampf gegen Terrorismus notwendig. Das ist eine glatte Lüge. Denn jedes Gutheißen von, jeder auch nur indirekte Aufruf zur Gewalt ist auch heute schon längst verfolg- und strafbar. Denn Terror ist Gewalt, ist Anstiftung zur Gewalt, ist Rechtfertigung von Gewalt. Aber eine falsche, widerliche, abstoßende Meinung zu haben ist nicht Terror.

Nur kann Indizien echter Terrorabsichten oft nicht nachgegangen werden, weil die SPÖ und auch die FPÖ das dringend notwendige Sicherheitsgesetz blockieren, dass der Polizei die Instrumente dazu in die Hand gäbe. Mit diesem Verlangen nach einem solchen Gesetz ist freilich wiederum die ÖVP eindeutig auf dem richtigen Pfad unterwegs.

Die Menschenrechtskonvention

Genauso großes Entsetzen löst das freiheitliche Verlangen aus, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention auszutreten. Denn diese ist in Wahrheit der einzige Schutz der Bürger gegen Willkür und Machtanmaßung durch die Obrigkeiten in Wien wie Brüssel. Gerade sie bietet da den letzten Hoffnungsanker für die Freiheit der Europäer.

Zu kritisieren ist nicht die Konvention, sondern die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in bestimmten Bereichen. Dieser hat sich zwar seit Jahrzehnten segensreich in Sachen Meinungsfreiheit erwiesen, bei Migration und Asyl war seine Judikatur hingegen katastrophal. Der Gerichtshof hat weit über den Text von Flüchtlings- und Menschenrechtskonvention hinaus der Zuwanderung auch aus völlig menschenrechtsfernen Kulturen einen roten Teppich ausgelegt.

Bei diesem Gerichtshof muss sich freilich die FPÖ selbst bei der Nase nennen. Ist sie doch selbst hauptverantwortlich dafür gewesen, dass Österreich unter Schwarz-Blau für lange Jahre eine linke Juristin in diesen Gerichtshof entsandt hat. Diese Dummheit setzte sich dann auf schwarzer Seite fort, als die ÖVP in der großen Koalition der Entsendung einer genauso linken Nachfolgerin zugestimmt hat. Und als sie überdies auch zugestimmt hat, dass in den EU-Gerichtshof, also ins zweite supranationale Gericht Europas, sogar eine frühere SPÖ-Ministerin geschickt wird. Diese fortgesetzte schwarz-blaue Ignoranz gegenüber der Wichtigkeit der europäischen Höchstgerichte begreift nicht, dass die dortigen Richter weit mehr gesellschaftspolitische Gestaltungsmacht als die gesamte Bundesregierung haben.

Die üble Zusammensetzung dieser beiden Richterbänke ist aber in keiner Weise ein Grund, die Menschenrechtskonvention selbst anzugreifen. Es ist bedauerlich, dass eine "Freiheitliche" Partei nicht die fundamentale Bedeutung der Freiheit und all dessen, was zu ihrer Verteidigung notwendig ist, begreift. Und das ist eben eine über der politischen Macht stehende Menschenrechtskonvention.

Aber auch bei der ÖVP, die sich einst so stolz und erfolgreich "Freiheit für Österreich" auf ihre Fahnen schreiben hat können, ist es traurig, dass in allen Überschriften der schwarz-türkisen Programme das Wort Freiheit nicht vorkommt (sondern neben inhaltsfreien Parolen wie "Aufbruch", "Neue Gerechtigkeit" und "Verantwortung" finden sich dort nur die Begriffe "Wohlstand", "Sicherheit" und "Ordnung").

Russland und Neutralität

Bedrückend ist bei der FPÖ auch noch ein weiterer Punkt: die Außenpolitik. Ihre diesbezügliche Naivität erinnert ganz an linke Phrasen und Illusionen. Die heutige FPÖ gibt – im Gegensatz zur außenpolitisch viel versierteren FPÖ von früher – allen Ernstes vor, die Neutralität für hilfreich zur Verteidigung der österreichischen Souveränität zu halten. Die heutige FPÖ macht zugleich Russland bei seiner doppelten Aggression gegen die Ukraine (und gegen Moldawien und gegen Georgien und gegen Aserbaidschan) die Mauer.

Die FPÖ begreift nicht, dass es gerade im zentralen Interesse eines Kleinstaates liegen müsste, dass es die Welt nicht konsequenzenlos toleriert, wenn große Länder einfach kleinere Nachbarn überfallen und ihnen Territorien herausreißen. Es ist auch einfach absurd, wenn H.C. Strache die russische Propagandabehauptung übernimmt, es hätte nach der deutschen Wiedervereinigung ein "Abkommen" gegeben, das die Nato-Osterweiterung verbietet.

Sollte es wirklich zu Schwarz-Blau kommen, gibt es jedoch in Hinblick auf diese bisher angeführten Negativa freilich ein großes Glück: Weder der Unsinn der ÖVP noch jener der FPÖ hat Chancen, bei der anderen Partei durchzukommen. Daher kann man sich erleichtert den vielen Positiva in den beiden Programmen zuwenden, vor allem jenen davon, wo sich Gemeinsamkeiten abzeichnen.

Direkte Demokratie

Davon ist die direkte Demokratie eindeutig das Wichtigste und Positivste. Erstmals hat sich im jüngsten Programm auch die ÖVP als Gesamtpartei eindeutig dafür ausgesprochen. Sebastian Kurz hat die direkte Demokratie zwar schon 2013 gefordert, ist aber dann am parteiinternen Widerstand und dem der SPÖ gescheitert. Da die FPÖ diese Form der Demokratie überhaupt zu ihrer wichtigsten Koalitionsbedingung ausgerufen hat, ist die Hoffnung so groß wie noch nie, dass endlich diese "Verschweizerung" Österreichs auch wirklich Realität werden könnte.

Besonders groß wäre diese Hoffnung natürlich, wenn Schwarz und Blau zusammen eine Zweidrittelmehrheit erlangen sollten. Was ja nicht ganz auszuschließen ist. Dann könnte der Parteienstaat wirklich dauerhaft zurückgedrängt werden. Wofür im Übrigen eigentlich auch Grün und Pink eintreten müssten, sollten sie ihre eigene Dauerkritik an diesem Parteienstaat Ernst meinen.

Kammern und ORF

Positiv und auffallend ist auch, dass sich in den ÖVP-Papieren zumindest keine harte Festlegung gegen die Kampfansage der Freiheitlichen zu den diversen Pflichtmitgliedschaften findet. Daher scheint da ein Kompromiss etwa in Form einer deutlichen Beitragsreduktion möglich. Dieser ist vor allem deshalb wahrscheinlich, weil beide Parteien sehr bald unter Druck kommen werden, trotz leerer Staatskassen die Abgabenbelastung der Bürger irgendwie zu reduzieren.

Wenn man sehr optimistisch ist, kann man auch in der sehr vage formulierten ÖVP-Absicht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk "weiterzuentwickeln", etwas Positives sehen. Man kann zumindest mit gewisser Berechtigung hoffen, dass sowohl Schwarz wie Blau nach dem Wahltag deutlich besser und ernsthafter die Medienpolitik angehen werden, als sie es derzeit aus Angst vor noch mehr Untergriffen des ORF wagen (als ob diese noch schlimmer werden könnten). Keine Frage: Eine wirklich positive Medienpolitik kann nur in einem Ende der ORF-Gebühren oder zumindest des Gebührenmonopols bestehen.

Wenn man freilich pessimistisch ist, muss man es auch für möglich halten, dass sich das derzeit bei beiden Parteien offenkundige Vakuum an Medienexpertise, an einschlägigem Mut und Wissen auch nach dem Wahltag nicht füllen wird. Dass es also auch hinter den Kulissen keine besseren Konzepte gibt als das derzeitige substanzarme Herumgerede. Dass Schwarz und Blau wirklich glauben könnten, der ORF ließe sich noch sinnvoll reformieren.

Vieles in den schwarzen und blauen Programmen ist gut, richtig und notwendig. Allerdings wird die Umsetzung ungeheuer viel Kraft erfordern – mehr, als sich die Akteure derzeit vorstellen. Denn Medien, linke Richter, EU, Bundesländer, Subventionsprofiteure, Sozialpartner, NGOs, die militante linke Kulturszene werden ab dem 16. Oktober sehr aktiv Sand in jedes Reformgetriebe streuen.

Die vielen Pluspunkte

Das wird etwa auch bei den – an sich durchaus lobenswerten bis begeisternden – Vorschlägen aus dem Wahlprogramm der ÖVP "Ordnung&Sicherheit" passieren, das jetzt als letztes veröffentlicht worden ist. Von diesen seien zum Abschluss noch einige besonders positive Punkte hervorgehoben:

  • Zuwanderung ausschließlich über ein nach dem österreichischen Bedarf gestaltetes Punktesystem.
  • Die Schaffung von "Protection Center" und "Rescue Center" außerhalb Europas, in die illegale Migranten rückgestellt werden sollen – was eindeutig auf das australische Modell eines totalen Stopps der illegalen Migration hinauslaufen würde.
  • Strafrechtliche Verfolgung der Einflussnahme ausländischer politischer Organisationen (das wird übrigens zufällig am gleichen Tag gefordert, da bekannt geworden ist, dass sich Christian Kern öffentlich mit extrem bedenklichen türkisch-islamischen Exponenten "versöhnt" hat).
  • Mehr Steuerautonomie für Länder und Gemeinden.
  • Strafen und Entfall von Sozialleistungen bei illegaler Doppelstaatsbürgerschaft.
  • Senkung der Hürden für den Erhalt eines Mandats durch Vorzugsstimmen (die ÖVP hat zwar als einzige Partei parteiintern diese Hürden gesenkt, aber auch sie hat das nur in weitgehend ungenügendem Umfang getan).
  • Mindestalter von 18 Jahren für eine Eheschließung.

In der Summe darf man sich also durchaus Hoffnungen für Österreich machen. Die Positivpunkte bei beiden Parteien sind zahlreich, gewichtig und weitgehend gemeinsam. Auch wenn in diesem Text die Negativa naturgemäß viel ausführlicher analysiert worden sind - dies schon aus der Hoffnung heraus, dass man bei Schwarz und Blau ernsthaft auch darüber nachzudenken beginnt.

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