Gegenstimme gegen die Geschlechterquote im Aufsichtsrat

Ich habe Quoten immer für qualifikations- und leistungsabträglich gehalten und tue dies auch weiterhin. Frauenquoten sind auch frauenfeindlich. Wer Frauen fördern will, soll dies in der Realität tun – und nicht in einer gesetzgeberischen Parallelwelt. Dass das Geschlecht kein Qualifikationsmerkmal sein sollte, dürfte bis vor kurzem auch Mehrheitsmeinung gewesen sein. In der nun vorherrschenden parlamentarischen Stimmung, dass man trotz Ende der Koalition "noch etwas erreichen" möchte, schien dies anders zu sein. Die Torschlusspanik brachte Bewegung um der Bewegung willen.

In diesem Treibhausklimas hat also das sogenannte Gleichstellungsgesetz von Frauen und Männern im Aufsichtsrat letzte Woche den Nationalrat passiert. Es soll eine quotenmäßige Ausgeglichenheit der Geschlechter in Aufsichtsräten von privaten Unternehmen erreichen.

Im Regierungsprogramm war noch vom Vorbild der deutschen Gesetzeslage die Rede. Tatsächlich ist man weit darüber hinaus gegangen. Wäre die Vorlage eine EU-Richtlinie, würde man von "Golden Plating" sprechen – das wir uns, so das eben erst beschlossene Deregulierungsgrundsätzegesetz, ja abgewöhnen wollten.

Die Kernbestimmung lautet: In börsenotierten Gesellschaften sowie in Gesellschaften, in denen dauernd mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigt sind, besteht der Aufsichtsrat zu mindestens 30 Prozent aus Frauen und zu mindestens 30 Prozent aus Männern, sofern der Aufsichtsrat aus mindestens 6 Mitgliedern (Kapitalvertretern) und die Belegschaft zu mindestens 20 Prozent aus Arbeitnehmerinnen beziehungsweise Arbeitnehmern besteht.

Also: Während in Deutschland nur börsenotierte Gesellschaften betroffen sind, die mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen, sind bei uns alle börsenotierten Gesellschaften betroffen und jene Gesellschaften, die mehr als 1.000 Arbeitnehmer beschäftigen.

Die Definition der Börsenotierung ergibt sich, da die neue Regelung im Aktiengesetz platziert ist, aus dem – für Normalbürger unlesbaren – § 3 Aktiengesetz: Eine Aktiengesellschaft ist börsenotiert, wenn Aktien der Gesellschaft zum Handel an einer anerkannten Börse gemäß Art. 4 Abs. 1 Nummer 72 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012, ABl. Nr. L 176 vom 27.06.2013 S. 1, zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung (EU) 2015/62, ABl. Nr. L 11 vom 17.01.2015 S. 37, oder einem gleichwertigen Markt mit Sitz in einem Drittland zugelassen sind.

Im Klartext heißt dies, dass die im Dritten Markt notierten Gesellschaften nicht als börsenotiert gelten und daher von der Geschlechterquote nicht betroffen sind.

Dass Aufsichtsräte mit weniger als sechs Kapitalvertretern nicht in die neue Regelung einbezogen sind, ist ein Verhandlungserfolg, der Flexibilität eröffnen könnte. Es wäre nicht verwunderlich, wenn auch in Gesellschaften mit differenzierter Aktionärsstruktur in Zukunft höchstens fünf Kapitalvertreter gewählt werden und die relevanten Entscheidungen in einer vorgelagerten Syndikatsversammlung erörtert werden.

Viele werden sich nun fragen, was der letzte Halbsatz hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses der Belegschaft im Gesetz verloren hat. Antwort: Wir leben in einer Realverfassung, in der Betriebsräte einen großen Einfluss haben und durch die sogenannte Drittelparität (ein Widerspruch in sich) in Aufsichtsräten großer Gesellschaften vertreten sein können. Die Gewerkschaften haben nun in das Gesetz hineinreklamiert, dass die Quote nur gilt, wenn dies in gewisser Weise auch das Geschlechterverhältnis im Betrieb selbst abbildet. Warum soll der Betriebsrat Frauen in den Aufsichtsrat entsenden, wenn im Unternehmen keine (oder nur sehr wenige) Frauen arbeiten oder umgekehrt?

Hintergrund: Die Geschlechterquote gilt auch für die vom Betriebsrat entsandten Aufsichtsratsmitglieder, wobei der Gesetzgeber diesem Teil – es lebe die österreichische Räterepublik – einen verhältnismäßig großen Anteil an der Neuregelung gewidmet hat. Selbst das Arbeitsverfassungsgesetz wird an die neue Regelung angepasst.

Woran man offensichtlich nicht wirklich gedacht hat: Die Bedingung der 20-prozentigen Geschlechterquote in der Belegschaft gilt als Voraussetzung für die Geschlechterquote im Aufsichtsrat auch für nicht mitbestimmte Gesellschaften. Also: Wenn ein börsenotiertes Unternehmen acht Frauen und zwei Männer beschäftigt, gilt die Geschlechterquote. Beschäftigt dieses Unternehmen hingegen acht Frauen und einen Mann, gilt die Geschlechterquote im Aufsichtsrat nicht. Allerdings würde es bei Einstellung eines zusätzlichen Mannes (z.B. Portier) im Aufsichtsrat quotenpflichtig werden. Sucht das Unternehmen also eine zusätzliche Arbeitskraft, wird es eine Frau einstellen – wenn es die Frauen-(Männer)-Quote im Aufsichtsrat verhindern will.

Es können sich aber auch ganz andere Kombinationen ergeben: In einem börsenotierten Unternehmen, das vier Männer beschäftigt, wollen die Aktionäre in der Hauptversammlung einen dem Vorstand nicht wohl gesonnenen Aufsichtsrat wählen lassen. Am Tag vor der Hauptversammlung stellt der Vorstand eine Frau als Sekretärin ein, erfüllt damit die 20prozentige Mindestquote in der Belegschaft und zwingt so die Aktionäre zur Quotenerfüllung im Aufsichtsrat – und verhindert so die Wahl des kritischen Aufsichtsrats (falls er/sie dem falschen Geschlecht angehört). Der Phantasie sind mit dieser Regelung weite Felder geöffnet.

Um es zeitgeistig ausgedrückt auf den Punkt zu bringen: Das geplante Gesetz diskriminiert nicht nur auf Grund des Geschlechts, es steht auch der Diversität der Belegschaft entgegen.

Gelehrte werden viele Traktate über die neuen Regelungen schreiben. Auch der Oberste Gerichtshof wird Stoff zum Nachdenken erhalten, und vielleicht wird auch der Verfassungsgerichtshof eines Tages Stellung beziehen.

Ich habe im Nationalrat aus all diesen Gründen gegen die Geschlechterquote gestimmt. Sie ist ebenso geschlechterfeindlich wie börsefeindlich. Unternehmen brauchen mehr Freiheit, nicht mehr Erziehung.

Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Er ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP.

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