Gastkommentare

Der Handelskrieg kennt nur Verlierer (mit Ausnahme der Bürokratie)

13. April 2025 18:53 | Autor: Andreas Tögel
7 Kommentare

Präsident Trump hat mit seiner Zollpolitik weltweit für Aufregung gesorgt. Im Zuge der zum Teil geradezu hysterischen Kommentare geraten jedoch allzu oft verschiedene Aspekte durcheinander: Handelsbilanzen (bzw. deren Ungleichgewichte) einerseits und Zölle andererseits.

 Außer Streit steht, dass Spezialisierung und Arbeitsteilung den Wohlstand fördern. Dieses Prinzip gilt unabhängig davon, ob Waren und Dienstleistungen politische Grenzen überschreiten oder nicht. David Ricardo (1772–1823) verdanken wir darüber hinaus die Einsicht in die Bedeutung "komparativer Vorteile". Demnach soll sich jede Nation auf die Produktion jener Güter konzentrieren, die sie am wirtschaftlichsten herstellen kann (Ricardo wählte zur Erläuterung seiner Theorie die Tuchproduktion in England und die Weinproduktion in Portugal).   

  Donald Trump hat wiederholt behauptet, die USA würden von Freund und Feind gleichermaßen "ausgeraubt", weil Ungleichgewichte in den Handelsströmen vorliegen. In der Tat weisen die USA seit Jahrzehnten ein erhebliches Handelsbilanzdefizit gegenüber dem Rest der Welt auf. Das sei, so Trump, der den internationalen Handel offenbar als Nullsummenspiel betrachtet, unfair, was aus zwei Gründen nicht stimmt: Die notorisch von Sozialisten und Planwirtschaftlern vorgebrachte Behauptung, dass der Gewinn des einen den Verlust des anderen bedeute, ist hundertfach widerlegt. Geschäfte bringen nämlich – sofern sie nicht unter Zwang, sondern auf freiwilliger Basis erfolgen – stets für beide Seite Vorteile, sonst würden sie nämlich gar nicht erst stattfinden. Kein bei klaren Sinnen befindlicher Akteur stellt sich bei einem Geschäft aus freien Stücken schlechter, als es ohne das Geschäft der Fall wäre.

Darüber hinaus bedeutet das US-Handelsbilanzdefizit, dass die Amerikaner Waren aus aller Welt beziehen und dafür mit (inhärent wertlosem) Fiatgeld bezahlen. Welcher Grund zur Klage sollte also aus dem Umstand resultieren, dass aus aller Welt reale Güter in die USA geliefert werden und dafür im Gegenzug aus dünner Luft geschaffenes Geld ins Ausland fließt? Es kann nicht oft genug daran erinnert werden, dass seit der Präsidentschaft Richard Nixons, um genau zu sein seit dem 15. August 1971, der US-Dollar nicht mehr in Gold umgetauscht werden kann. Die Welt schwimmt seither auf einem Meer von Greenbucks, denen kein Realwert gegenübersteht, wie das noch bis zum 15. 8. 1971 der Fall war. Die USA ziehen aus der Tatsache, dass der Dollar die Leit- und Reservewährung der Welt ist, offensichtlich einen gewaltigen materiellen Nutzen.

Allerdings läuft die Chose nicht ganz kostenlos für die USA. Der Preis, den sie dafür bezahlen, ist der Export von Arbeitsplätzen, da die in den USA konsumierten Güter zu großen Teilen eben nicht mehr im Inland, sondern in Mexiko oder in Übersee hergestellt werden. Länder wie China oder Vietnam sind dadurch zu Werkbänken der Welt geworden.

Trumps Idee soll nun darauf hinauslaufen, ausländische Lieferanten durch prohibitiv hohe Zölle dazu zu nötigen, ihre Produktion in die USA zu verlegen. Das steht indes im Widerspruch zu seiner Vorstellung, die Staatsfinanzierung der USA von Einkommensteuern auf Zolleinnahmen umzustellen. Denn bedingt durch die Übersiedelung bislang ausländischer Industrieanlagen in die USA würden ja auch die angepeilten Zolleinahmen wegfallen. Steigende Inlandsproduktion und zugleich explodierende Zolleinnahmen kann es aus logischen Gründen nicht geben.

Donald Trump mag ein sprunghaft-unberechenbarer Narziss sein. Ein Trottel ist er nicht. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass ihm die oben dargestellten Überlegungen nicht unbekannt sind. Was hinter seinen Zollplänen stecken könnte, hat soeben Elon Musk bei einer Veranstaltung der Lega Nord ausgesprochen: Musk schlug nämlich die Einrichtung einer Freihandelszone USA-Europa vor, mit Zollsätzen von jeweils null Prozent.

Die EU-Nomenklatura wäre im Sinne der Binnenindustrie und der Arbeitsplatzsituation Europas gut beraten, diesen Gedanken aufzugreifen und mit den USA in entsprechende Verhandlungen einzutreten. Beiderseits des Atlantiks könnten daraus große Vorteile resultieren. Geld würde aus den Händen des Fiskus in jene der produktiv Tätigen transferiert werden.

Und weil das so ist, wird es dazu wohl nicht kommen. Bürokratien, wir wissen es seit den Untersuchungen des britischen Historikers und Soziologen Cyril Northcote Parkinson, neigen, malignen Tumoren gleich, zum unbegrenzten Wachstum. Brüssel bildet da keine Ausnahme. Dementsprechend unstillbar ist ihr Geldbedarf. Würde die EU nun mit reziproken Zöllen auf die Maßnahmen der US-Administration reagieren, spülte das gewaltige Summen in ihre stets leeren Kassen. Dieser Verlockung werden Von der Leyen und Genossen kaum widerstehen können. Dass jedes Handelshemmnis immer zu Lasten aller Beteiligten (mit Ausnahme parasitär lebender Bürokraten) geht, wird in Brüssel, wie zu befürchten steht, niemanden kümmern.

Intuitiv mag der Gedanke naheliegen, auf Druck mit Gegendruck zu reagieren, was aber nichts an der Schädlichkeit seiner Umsetzung ändert. Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Stefan Homburg erläutert das anschaulich anhand einer Fahrt in einem Schlauchboot. Wenn einer der beiden Insassen auf die Idee kommt, den Stöpsel aus einer der Luftkammern zu ziehen, wird die Situation nicht dadurch besser, dass der zweite Mitfahrer ebenfalls eine Kammer entstöpselt. Der darauffolgende Schaden träfe beide gleichermaßen.

Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Möge es den EU-Granden dämmern, dass ein weiterer Konflikt mit einem starken "Gegner" das Letzte ist, was Europa derzeit brauchen kann. Daher steht zu wünschen, dass sie geschickte Verhandlungen mit den USA einem offenen Krieg vorziehen. Letzten Meldungen zur Folge hat Präsident Trump bereits seine Verhandlungsbereitschaft signalisiert.

 

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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  1. Armin
    15. April 2025 07:44

    Die EU-Kommission bietet den Amerikanern jetzt ein 0/0 - Zollabkommen für Industrieprodukte an. Also genau für jene Güter, bei denen die Handelsbilanz aus Sicht der USA besonders ungünstig aussieht. Eine bewußte Provokation? Die Amerikaner sind nämlich hauptsächlich am Export von Landwirtschaftsprodukten interessiert, was der EU aber mit Rücksicht auf rabiate Bauernverbände nicht will. Ein gordischer Knoten?



    • Marus
      15. April 2025 10:27

      dann bin ich mal gespannt, wie das mit der Ukraine gehen wird. Denen hat "man" von US Seite ja versprochen, dass sie in die EU kommen. Damit hat dann die EU einen Produzenten, der deutlich billiger produziert als die Amis.



  2. gh57.at
    14. April 2025 09:50

    Ich denke, dass auch die Tatsache beleuchtet werden sollte, dass die USA vor dem Staatsbankrott stehen: 36 Billionen (1e12) Dollar Bundesschuld, alleine die jährlichen Zinskosten dafür betragen mehr als 1400 Milliarden Dollar, etwa das Anderthalbfache des jährlichen Militärbudgets.

    Es gibt also finanzielle Gründe, warum Trump die Militärausgaben nicht erhöhen kann und will und daher den NATO-Partnern mehr finanzielles Engagement abverlangt. Apropos, welche Marine bekämpft denn derzeit die Huthis, um den Warentransport durch den Suezkanal weiter zu ermöglichen? Für die USA ist der Suezkanal eher von marginaler Bedeutung, für uns Europäer jedoch sehr wichtig.

    Weiters waren die Zölle immer als Verhandlungsmasse vorgesehen, was von den linken europäischen Medien verschwiegen wurde. Mittlerweile streben mehr als 70 Staaten Verhandlungen mit der Trump-Administration an, um die Zölle reziprok zu senken. Für diese hat ja Trump die Zölle für 90 Tage wieder auf 10 Prozent gesenkt.



    • eupraxie
      16. April 2025 08:16

      Zum Suezkanal: Auch ein weiterer Grund, warum die Staaten der EU kriegstüchtig werden müssen - um auch hier nicht als Bittsteller an die USA herantreten müssen oder anders gewendet: um den USA nicht ständig einen Grund zu geben zu sagen: -was wir alles machen für euch, also zahlt einen entsprechenden Tribut.

      Ö hätte sich selbstverständlich mit einem finanziellen Beitrag an dieser Mission zu beteiligen.

      Also nicht Augen zu und durch sondern Augen auf und Handeln!



  3. Marus
    14. April 2025 08:04

    der Haken bei der Zollfreizone ist allerdings die dadurch eingeschränkte Handlungsfreiheit. Denn sinnvollerweise sollte die EU auch Geschäfte mit China, Russland und anderen Staaten machen, ohne dass die USA einseitig bestimmt, welche Zölle wir in so einem Fall einheben müssen. Denn wenn z. B. chinesische Produkte in die Zollfreizone hereinkommen, dann muss man vorher einen Zoll einheben, der jenem entspricht, den die USA für chinesische Waren einheben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der EU hier noch ein Spielraum bleibt. Der Teufel steckt bekanntlich immer im Detail.



  4. El Dorado
    14. April 2025 02:24

    Danke für den klugen Kommentar, Herr Tögel. Vielleicht entsteht wirklich so etwas wie eine flache, aber immerhin steigende, Lernkurve in der EU.



  5. rowischin
    14. April 2025 01:44

    Danke Herr Tögel , dem ist von meiner Seite nichts hinzuzufügen..






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