Der Ausgang der Abstimmung über die Änderung der türkischen Verfassung hat viele irritiert. Insbesondere die hohe Zustimmung der türkischen Staatsbürger in Österreich, Deutschland und anderen Ländern Westeuropas hat die Frage aufgeworfen, wie wenig geglückt die Integration dieser Menschen ist, die vor über 50 Jahren als „Gastarbeiter“ angeworben worden sind, ist.
Spätestens die beängstigenden 73 Prozent, mit denen die in Österreich lebenden Türken die Umbaupläne Erdogans unterstützt haben, haben die Integrationslüge offenbar gemacht. Eine Lüge, die seit Jahren durch Wegschauen der Politik befördert wird. Und diese 73 Prozent Zustimmung passen auch sehr gut zu aktuellen Erhebungen der Statistik Austria, wonach sich 69,3 Prozent der türkischen Einwanderer nach wie vor „dem Staat, aus dem ich stamme beziehungsweise aus dem meine Eltern stammen“ zugehörig fühlen; umgekehrt fühlen sich nur 30 Prozent der Türken Österreich zugehörig.
Der muslimische Bürgermeister von Rotterdam hat vor einigen Jahren seinen Glaubensgenossen sehr deutlich zugerufen: „Wer die westliche Freiheit nicht will, soll die Koffer packen!“ Ähnlich hat sich auch der türkischstämmige (Ex-)Grünpolitiker Efgani Dönmez geäußert. Mehr hat er nicht gebraucht, er ist 2015 wegen dieser kritischen Aussage aus dem Bundesrat geflogen. Das ist nur eines von vielen Beispielen, wie die so toleranten und basisorientierten Grünen mit abweichenden Meinungen umgehen.
Das mit dem Koffer packen wird so einfach nicht werden. Immerhin leben heute hierzulande rund 250.000 Menschen, die Wurzeln in der Türkei haben und stellen damit 15 Prozent der Österreicher mit Migrationshintergrund dar. Türken stellen auch fast die Hälfte der Muslime, die sich heute in Österreich aufhalten. Rund 116.000 von ihnen haben (noch) die türkische Staatsbürgerschaft. Auch wenn dieser Tage die inakzeptable Tatsache von Doppelstaatsbürgerschaften wieder stärker thematisiert wurde, kann dies bestenfalls ein Randthema sein. Die große Aufgabe wird es sein, wie Österreich mit dieser Viertelmillion Türken, von denen ein Großteil mehr oder weniger stark integrationsfeindlich ist, umgehen wird.
Es ist ein trauriges Faktum, dass es sowohl bei der Bildung als auch bei der Arbeitslosigkeit sowie bei der Armutsgefährdung die Türken wesentlich schlechter rangieren als die anderen Zuwanderergruppen. Das heißt, dass etwa die früheren Gastarbeiter und mittlerweile Zuwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien sich wesentlich besser und rascher integriert haben als die Türken (so das statistische Jahrbuch Migration und Integration). Signifikant ist die fast 20-prozentige Arbeitslosigkeit bei Türken, die damit mehr als doppelt so hoch ist wie bei Inländern. Das AMS führt dies vor allem auf das geringe Bildungsniveau zurück.
Hier wird wohl anzusetzen zu sein. Schon eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat ausgewiesen, dass muslimische Kinder mit ihren schlechten Leistungen und Disziplinschwierigkeiten besonders auffallen. Einer der Gründe dafür ist, dass es keine auf die Anforderungen der Schule ausgerichtete „Vorerziehung“ gibt. Das heißt muslimische/türkische Schüler kommen oftmals unvorbereitet in die erste Klasse, weil das Elternhaus ihre eigene pädagogische Verantwortung komplett an die Schule abgibt.
Auch um derartigem gegenzusteuern wurde das verpflichtende Kindergartenjahr geschaffen. Nun gibt es Hinweise, dass türkische Familien mittlerweile diese Kindergartenpflicht dadurch umgehen, indem Kinder dieser Altersstufe in ländlichen Gebieten „verschwinden“, das heißt offensichtlich vorübergehend in der Heimat bei Verwandten leben. Anders in der Großstadt: Hier wird selbstverständlich der muslimische Kindergarten besucht. Was dort geschieht, wird auch immer wieder von muslimischen Experten heftig kritisiert. Der deutsche Experte Ahmad Mansour etwa bezeichnet den islamischen Unterricht als eine Pädagogik „der Entmündigung“. Und die linksliberale deutsche „Zeit“ hat kritisiert, dass kleine Mädchen bereits im Vorschulalter in Koranschulen sitzen müssen und dort „nicht nur religiös, sondern auch anti-deutsch abgerichtet werden“.
Die Aufdeckung der vielfältigen Skandale um die Wiener muslimischen Kindergärten hat ja nur an der Oberfläche gekratzt. Es geht hier nicht nur um finanzielle Unregelmäßigkeiten, sondern vor allem auch darum, dass oftmals die Kinder in einer prononciert anti-westlichen Einstellung erzogen werden – von Vorbereitung auf die Volkschule keine Spur. Und das wird auch noch mit Steuergeld mitfinanziert. Der Kurier vermerkte dazu lakonisch „die Frage, wie viele Nicht-Österreicher mittlerweile private Kindergärten in Wien betreiben, wurde von den Stadträtinnen nicht beantwortet: ‚Es existiert keine Erfassung dieser Daten.‘“ Es ist verständlich, dass die rot-grüne Wiener Administration, die ja an Zuwanderung nach wie vor interessiert ist, kein Interesse hat, hier unangenehme Fragen zu stellen.
Alles in allem ist es doch signifikant, dass sich im Gegensatz zu Kroaten oder Serben die muslimischen Türken in Österreich in ihrer Masse so schlecht integriert haben. Da steckt einerseits die Politik der Türkei dahinter, die diese Menschen noch immer als ihre Staatsbürger und Schutzbefohlenen betrachtet. Das hat aber auch zweifelsohne Gründe, die in der Religion liegen. Auch der friedfertigste Muslim, der zu uns kommt und keinerlei Gedanken an Terrorismus hegt, hat tief in seinem Innersten mehr oder weniger große Vorbehalte und Ressentiments: gegen unseren permissiven Lebensstil, gegen die Freizügigkeit, die hierzulande vorherrscht, sowie generell gegen unsere westlich-demokratische Lebensart. Für einen gläubigen Muslim sind wir schweinefleischessende Ungläubige.
Apropos „Ungläubige“ - ist es nicht interessant, dass der Islam nur Moslems und Ungläubige kennt, wir Christen hingegen zwischen Christen und Andersgläubigen unterscheiden? Auch dieser – gar nicht so kleine – Unterschied kann vielleicht die mangelnde Integrationsbereitschaft muslimischer Zuwanderer erklären.
Gefördert wird das mangelnde Wissen und Interesse durch den Umstand, dass viele Türken gar nicht wissen, dass es auch ein österreichisches (oder deutsches) Fernsehprogramm gibt, geschweige denn, dass sie einschlägige Sendungen verfolgen würden. Sie finden ihr Auslangen mit den türkischen Kanälen, die sie über Satellitenschüsseln empfangen. Das hat den Vorteil, dass man nicht extra Deutsch zu lernen braucht und man sich nicht mit komplexeren Zusammenhängen auseinandersetzen muss, denn das türkische Staatsfernsehen bringt die Regierungspropaganda leichtfasslich und ungefiltert in Millionen westeuropäische Haushalte.
Ein Staat, der sich ernst nimmt, muss klarmachen, dass er derartige Parallelgesellschaften nicht duldet. Das beginnt bei einer kompromisslosen Einforderung von Integrationsmaßnahmen (vom Spracherwerb bis zu Werteschulungen) über die Bereinigung der Doppelstaatsbürgerschaften bis zur konsequenten Nichtverlängerung von Visa für notorische Verweigerer.
Prof. Dr. Herbert Kaspar war langjähriger Herausgeber und Chefredakteur der ACADEMIA. Der Beitrag ist sein aktueller Gastkommentar in der Mai-Ausgabe der ACADEMIA.