Schon Adam Smith, der Autor des weltberühmten, im Jahr 1776 erschienenen Werks über den „Wohlstand der Nationen“, fand durchaus kritische Worte für Unternehmer im Allgemeinen und Kaufleute im Besonderen. Er unterstellte ihnen, dass sie, wann immer ein paar von ihnen zusammenstünden und sich die Möglichkeit dazu böte, versuchen würden, ein Kartell zu bilden, somit den Wettbewerb, zumindest teilweise, auszuschalten und auf diese Weise ihre Profite zulasten der Konsumenten zu erhöhen. Die Politik konnte diesen Gedanken offensichtlich gut nachvollziehen, denn sie reagierte mit einer rigorosen Kartellgesetzgebung.
Preisabsprachen unter Unternehmern sind seit geraumer Zeit verboten. Mit einigem guten Willen und auf der Grundlage eines felsenfesten Glaubens an blütenreine Intentionen des Gesetzgebers lässt sich diese Maßnahme in die Kategorie „Ordnungspolitik“ einordnen, gegen die auch Liberale nichts einzuwenden haben.
Warum die Politik indes nicht nur auf halbem Wege stehenbleibt, sondern den Gewerkschaften sogar noch ein Privileg dafür einräumt, ihrerseits Kartelle – nämlich Lohnkartelle – zu bilden, denn um nichts anderes handelt es bei kollektivvertraglich festgesetzten Mindestlöhnen, ist unter dem oben genannten Gesichtspunkt unmöglich zu verstehen. Um zu begreifen, weshalb ein Kartell auf der Angebotsseite üble, auf der Nachfrageseite aber segensreiche Wirkung entfalten sollte, muss man entweder Gewerkschafter oder Sozialist sein. Am besten beides.
Wettbewerb ist offensichtlich etwas Gutes. Der Umstand, dass der Staat sich via Kartellgesetzgebung zum Wettbewerbshüter aufschwingt, deutet ja unmissverständlich darauf hin. Weshalb aber eine ganz andere Form von Wettbewerb – nämlich der zwischen Staaten und hier insbesondere der hinsichtlich der Höhe von Steuerlasten – schlecht sein soll, ist ebenfalls rätselhaft. Wahr ist: Wettbewerb führt in jedem Fall zu erhöhten Anstrengungen, gute Angebote zu niedrigen Preisen zu machen – zum Nutzen der Vertragspartner. Das gilt natürlich auch für vom Staat angebotene Waren und Dienstleistungen.
Wie dem auch sei – das ist nicht das Thema dieses Beitrags. Hier geht es um die Gewerbeordnung, die auf einen zunft- oder kartellartigen Schutz der Interessen von Unternehmern in bestimmten Branchen hinausläuft und – vorgeblich – dem Konsumentenschutz dienen soll.
Ein freiheitlicher Ansatz garantiert jedermann volle Erwerbsfreiheit: Jeder, der über bestimme Fertigkeiten verfügt, soll sie auch ins Verdienen bringen können und dürfen. Die ebenso unbestechlichen wie gnadenlosen Marktmechanismen regeln dann alles Weitere. Wer gute Würste, Möbel, Schuhe oder Dienstleistungen welcher Art auch immer zu attraktiven Preisen herstellt, wird sich um die Nachfrage nicht sorgen müssen. Da die Nachfrageseite nicht durch Idioten dominiert wird, die darauf versessen sind, miese Qualität zu hohen Preisen einzukaufen (bei staatlichen Zwangsangeboten, etwa bei der Bildung, der Rechtsprechung oder der Sicherheit, bleibt dem Zwangskunden allerdings gar nichts anderes übrig!), wird das Angebot schon stimmen müssen, wenn sein Anbieter wirtschaftlich dauerhaft überleben will.
Der sich in ganz Europa ausbreitende, in besonders unerträglicher Weise aber hierzulande herrschende staatliche Paternalismus, steht indes für die hoheitliche Bevormundung sowohl der Unternehmer als auch der Konsumentenseite. Die Ausübung jedweder gewerblicher Aktivitäten ist demzufolge streng an staatliche Konzessionen gebunden. Nichts mit Erwerbsfreiheit! Die gesetzgeberische Realität läuft auf eine völlige Knebelung der Wirtschaftssubjekte hinaus.
Im Klartext bedeutet das, und dieser Aspekt ist von ganz besonderer Delikatesse, dass marktferne Bürokraten, also Zeitgenossen, die in aller Regel völlig außerstande sind, auch nur einen Nagel gerade in die Wand zu schlagen (geschweige denn, komplexere Tätigkeiten auszuüben), darüber zu befinden haben, ob Menschen, die das sehr wohl können, es tatsächlich auch tun dürfen. Ausfluss dieser eitlen Anmaßung ist die in Österreich seit 1994 geltende und anno 2002 novellierte Gewerbeordnung.
Wer im Internet nach dem Begriff „Gewerbeordnung“ fahndet, wird darüber belehrt, dass das Gewerberecht Bestandteil des Verwaltungsrechts ist und der „Gefahrenabwehr“ dient. Was für ein edler Gedanke! Wäre ja gar nicht auszudenken, welch schreckliche Gefahren auf die Kunden von Friseuren, Anstreichern oder Fliesenlegern lauerten, wenn nicht der Gesetzgeber (das heißt die bereits weiter oben genannten in den Parlamenten sitzenden Experten für die Unfähigkeit, Nägel in die Wand zu schlagen) in seiner grenzenlosen Umsicht diesen in Form rigider Zugangs- und Ausübungsregeln für Gründungswillige einen Riegel vorschöbe. Selbstverständlich (Stichwort Gefahrenabwehr), hat der Erziehungsberechtigte – Pardon, der Gesetzgeber – nur das Wohl der naturgemäß ein wenig unterbelichteten Konsumenten im Auge. Ihnen soll es erspart werden, durch tückische oder inkompetente Unternehmer schwerstens geschädigt zu werden.
Bislang steht die Wirtschaftskammer – dabei handelt es sich um die Zwangsinteressensvertretung der Unternehmer – mit aller Kraft auf der Bremse (siehe Adam Smith), wann immer es um eine Vereinfachung des Zugangs zur Gewerbeausübung geht. Die Platzhirsche sind eifersüchtig darauf bedacht, ihre Claims vor neuen Konkurrenten zu bewahren. Weil das aber nicht besonders edelmütig klingt, wird stattdessen stets die Sicherheit der Konsumenten bemüht, die es zu beschützen gelte. Wie rührend.
Dass die Konsumenten selbst imstande sein könnten, Coiffeure zu meiden, die ihnen Stiegenhäuser in ihre Haarpracht schneiden oder um Schuhmacher einen Bogen zu machen, die unfähig sind, einen Absatz zu richten – dass auf diese Weise ohnehin für eine rigorose Qualitätskontrolle gesorgt wäre, kommt den beamteten Konsumentenbevormundern gar nicht erst in den Sinn.
Die soeben durch die aktuellen politischen Ereignisse im Lande Metternichs entstandene Möglichkeit eines „freien Spiels der Kräfte“ im Parlament, bietet nun eine wahrscheinlich einzigartige Chance dafür, die Gewerbeordnung in einer Weise neu zu gestalten, wie das von wirtschaftsliberalen Denkern schon seit Jahren gefordert wird:
- Reduzierung der Zahl der gebundenen Gewerbe (nach deutschem Vorbild);
- Meisterprüfung als Betriebsvoraussetzung nur noch für gebundene Gewerbe;
- Obligate Betriebshaftpflichtversicherung im Sinne der Konsumentensicherheit.
Ein einfacherer Zugang zur beruflichen Selbständigkeit würde nicht nur dem liberalen Ideal der Erwerbsfreiheit Vorschub leisten, sondern, sozusagen als „Kollateralnutzen“ auch für ein zusätzliches Angebot an Arbeitsplätzen sorgen. Allen wäre gedient – mit Ausnahme eines kleinen Klüngels von Besitzstandwahrern und Bürokraten.
Und weil das so ist, wird es wohl auch nicht passieren. Nicht in Österreich. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder machte, wozu er lustig ist?!
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.