Wenn Linke von "Gerechtigkeit" schwadronieren, wird es gefährlich

Die Schuldenkrise, respektive die totale Unwilligkeit und Unfähigkeit der Regierung, das Bundesbudget ausgabenseitig in den Griff zu bekommen, einte einstmals gegensätzliche politische Lager. Grundsätzliche weltanschauliche Auseinandersetzungen sind inzwischen out. Unsere Zeit gehört grundsatzfreien Pragmatikern und Relativisten. Über den Tageshorizont hinausreichende, auf langfristige Ziele gerichtete politische Entscheidungen werden nicht mehr getroffen.

Die allgemeine Zeitpräferenz korreliert mit der zunehmenden Kurzfristorientierung aller Maßnahmen der Regierenden. Ausschließlich das Wohlbefinden der proletarischen Massen und Klienten des Wohlfahrtsstaates hier und jetzt zählt – oder allenfalls die nächste ins Haus stehende Wahl und die zum Stimmenkauf nötigen Aktivitäten. Es geht, dieser Vergleich drängt sich förmlich auf, nicht länger um die Erhaltung der Gesundheit, sondern nur noch um Kosmetik.

Ungeachtet der andauernd geführten Klage über angeblich unüberbrückbare regierungsinterne Differenzen und trotz kindischer gegenseitiger Sticheleien ist die Einigkeit der rotschwarzen Koalitionäre in Fragen der Krisenbewältigung, die nur und ausschließlich auf eine zu Lasten der Jungen gehende, unaufhörliche Vermehrung der Staatsschulden hinausläuft, geradezu erschreckend! Brot und Spiele, Version 2017.

Ein Symptom dieser unheilvollen, allerdings auch allen anderen Wohlfahrtsstaaten immanenten Entwicklung ist die immer wiederkehrende Debatte um die, wie es heißt, mangelnde „Steuergerechtigkeit“. Allein schon dieser Begriff dürfte die Liebhaber skurriler Wortschöpfungen entzücken. Denn wie könnte die willkürliche Enteignung privaten Eigentums je „gerecht“ sein? Was ist daran „gerecht“, wenn im real existierenden Wohlfahrtsstaat eine unentwegte Umverteilung von den Produktiven zu den Unproduktiven erfolgt?

Diese Frage gewinnt umso mehr an Bedeutung, da es – entgegen Karl Marx´ These – nicht der „Kapitalismus“ ist, der Klassengegensätze schafft, sondern der Steuerstaat, der die Bürger in zwei Klassen einteilt: eine, die Steuern bezahlt und eine, die von Steuern lebt. Zur letzteren zählen nicht nur die vom Wohlfahrtsstaat liebevoll gehätschelte, stetig wachsende Gruppe von einheimischen Müßiggängern und ungebeten eingedrungenen „Gästen“ aus aller Herren Länder, die falsch gesetzten Anreizen folgen, sondern auch die politische Klasse sowie die pausenlos wachsende Staatsbürokratie.

Kleiner Exkurs: Ein aktuelles Beispiel für die stetige Aufblähung der Bürokratie bildet die Absicht der österreichischen Bundesregierung, eine angeblich dem Kampf gegen „Hasspostings“ im Internet gewidmeten Behörde zu schaffen, die vorerst mit fünf Akademikerposten (Juristen und Psychologen) ausgestattet sein soll. Wieder fünf gut dotierte Positionen für Zeitgenoss_innen, die keine Lust verspüren, ihren Unterhalt auf redliche Weise zu verdienen.

Totalitäre Regime der Vergangenheit waren noch ehrlich genug, Gesinnungsdiktate ganz unverblümt zu formulieren und auch so zu benennen. Dieses bemerkenswerte Maß an Offenheit sucht man im paternalistischen Wohlfahrtsstaat unserer Tage vergebens. Weitere nicht-wertschöpfende Staatsämter ließen sich zum Beispiel für Rikscha- und Lastenfahrradbeauftragte oder beamtete Windradinspektoren einrichten.

Richten wir nach diesem Ausflug in die wunderbare Welt der Schaffung garantiert unproduktiver Dienstposten unsere Aufmerksamkeit auf das, was von der Regierung und der veröffentlichten Meinung als „steuergerecht“ bezeichnet wird. Gewerkschafter, Grüne und NGO-Funktionäre, also Agenten solcher Organisationen, deren tragende Säulen ökonomischer Unverstand und linke Sozialromantik bilden, verfügen hierbei über die unangefochtene Deutungshoheit.

Alle diese Gruppen agieren mit Vorliebe als Herolde und Symbionten des Fiskus, indem sie unentwegt die angeblichen Segnungen hoher Steuersätze loben. Denn wer sein ebenso rechtmäßig wie mühsam erwirtschaftetes Eigentum zu behalten gedenkt, erweist sich, nach Ansicht dieser „Experten“, als „gierig“ – nicht etwa derjenige, der gegenleistungsfrei alimentiert zu werden fordert. Ihr bevorzugtes Feindbild sind die „Reichen“ (wobei als „reich“ jedermann anzusehen ist, der nicht von steuerfinanzierten Transferzahlungen lebt).

Dagegen ist zu betonen (wobei zu befürchten steht, dass progressive Bessermenschen das auch in den nächsten 1.000 Jahren nicht kapieren werden): Der größte Teil privater Vermögen steckt nicht in Luxusvillen, Zobelmänteln und lupenreinen Dreikarätern, sondern in Unternehmen und somit in produktivem Kapital, das im Dienste der Volkswirtschaft wirkt. Wer, wie zum Beispiel grüne und rote Jugend- und Studentenführer_innen und eine Spitzenfunktionärin der „Linken“ konfiskatorische Substanzsteuern fordert, betreibt kollektive Wohlstandsminderung – auch und gerade für die am wenigsten Begüterten!

Der US-Ökonom Arthur Laffer bringt es auf den Punkt: „Man macht nicht die Armen reich, indem man die Reichen arm macht.“

Unternehmenssteuern sind, wie übrigens alle gewaltsam eingetriebenen Steuern, deshalb ein Übel, weil das Geld, das der Fiskus Betrieben und Haushalten entzieht, nicht länger für wohlüberlegte Konsumausgaben, Investitionen und Betriebszwecke zur Verfügung steht. Betriebliche Modernisierungen sind – nach Steuern – nicht mehr in dem Ausmaß möglich, in welchem es bei niedriger bemessenen Zwangsabgaben der Fall gewesen wäre.

„Gerechtigkeit“ à la Gewerkschaft, Caritas und Diakonie, ist daher nichts als Chimäre. Der Staat kann zwar, wenn er im Sinne der „sozialen Gerechtigkeit“ noch aggressiver gegen die Leistungsträger vorgeht, kurzfristig bei den „Reichen“ mehr Beute machen. Gewiss. Aber die Freude darüber wird kurz währen, da produktive Arbeitsplätze nun einmal (siehe Exkurs weiter oben) nicht vom Staat, sondern von der Privatwirtschaft geschaffen werden. Von unter Wettbewerbsbedingungen agierenden Betrieben, die im Eigentum der „Reichen“ stehen. Diese durch noch höheren Steuern zu belasten, schädigt am Ende die Arbeitnehmer.

Der britische Historiker Dalberg-Acton meinte dazu schon vor mehr als 100 Jahren: „Die Arbeiterklasse hat durch eine Schädigung des Kapitals mehr zu verlieren als die Kapitalisten, denn was für letztere den Verlust von Luxus und Überfluss heraufbeschwört, bedeutet für erstere den Verlust des Notwendigen.“

Der Krise durch die Mobilisierung von Neidgefühlen beikommen zu können, ist ein – im Lichte der seit der großen Depression der 1930er Jahre gemachten Erfahrungen – absolut abwegiger Gedanke. Wer die Leistungsfähigkeit und Prosperität privater Unternehmen auf dem Altar einer herbeiphantasierten „Steuergerechtigkeit“ zu opfern gedenkt, hat keine der von der Geschichte erteilten Lehren begriffen.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien. 

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