Regierung mit der Faust im Nacken

Der Countdown bis zu den Nationalratswahlen hat bereits begonnen. Die einen hören ihn schon lauter. Die anderen versuchen ihn noch zu ignorieren. Egal wie man es dreht oder wendet, früher oder später kommt es zur Bewährungsprobe für die Regierungsparteien. Auch wenn die Regierung ehrlich bemüht sein dürfte, bis zur großen Abrechnung mit dem Bürger ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen, rückt der Tag der Wahrheit immer näher. Es fragt sich nur wann und mit welchen Konsequenzen für die Alpenrepublik.

Der Wiener Bürgermeister kämpft noch wie ein Löwe um sein Fell, das ihm andere abspenstig machen wollen. Sein Schicksal wird eng verbunden sein mit jenem der gesamten Bundesregierung, denn das Machtzentrum der SPÖ liegt in Wien.

Häupl verbindet seine Zukunft mit jener der gesamten Bundespartei. Es fragt sich, ob die Rechnung aufgeht und es ihm gelingt, wie bei der Wien-Wahl 2015 für die Sozialdemokratie alles gegen das Feindbild FPÖ zu mobilisieren und somit Christian Kern zu einem Wahlerfolg zu verhelfen oder ob diesmal der Schuss nach hinten losgeht.

Die ÖVP hat es da auch nicht leichter. Bei den bundesweiten Wahlen wird sie mit Kurz in wichtiger Position, wenn nicht sogar als Spitzenkandidat in den Ring steigen. Er genießt momentan noch, im Unterschied zu seiner Partei, Spitzenwerte bei den demoskopischen Erhebungen. Wie viel PS er aber in einem österreichweiten Wahlkampf auf den Boden bringen kann oder ob die Erwartungen an ihn zu hoch gesteckt sind, wird sich dann zeigen.

Gleiches gilt für die FPÖ. Strache ist schon weit über ein Jahrzehnt Spitzenkandidat und wartet auf seine Chance. Gelingt es der FPÖ nicht mit einer neuen Familienaufstellung gemeinsam mit Norbert Hofer einen positiven Spin und eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen, droht sie weit unter den in Umfragen prognostizierten Erwartungen zu bleiben und aus einem Kopf-an-Kopf-Rennen wird wieder nichts. Bei dieser Wahl, wo drei scheinbar gleich starke Kontrahenten antreten, werden die alten Rezepte und ein noch so starker Social-Media-Apparat nicht reichen, um eine Wende zugunsten der FPÖ herbeizuführen.

Qual der Wahl

Das Rennen um Platz eins ist offen und so schwer vorhersagbar wie noch nie. Wer diesen Platz ergattern wird, kann heute noch niemand seriös antizipieren. Wie die Bundespräsidentenwahlen eindrucksvoll gezeigt haben, können sich die einstigen Großparteien nicht mehr auf Gewerkschaft, Pensionisten und Bünde verlassen. Bei der kommenden Wahl wird sich für die drei Hauptakteure die Spreu vom Weizen trennen und es wird sich zeigen, ob aufgrund von Zuspitzungen und Polarisierungen im Wahlkampf eine der Regierungsparteien auf der Strecke bleiben wird.

Für die FPÖ ist nämlich noch bei weitem nicht alles geritzt. Wenn man sich das Beispiel von Geert Wilders in den Niederlanden ansieht, der zwar dazugewinnen konnte aber unter den Erwartungen blieb, so könnte die FPÖ Umfragekaiser mit einem enormen Erwartungsdruck bleiben. Hier stellt sich noch die Frage, wie die anderen Oppositionsparteien punkten werden und ob vor der Wahl noch neue Gruppierungen die Bühne betreten (siehe Düringer).

Am Ende werden nur jene als Sieger hervorgehen, die über die meiste personelle Substanz, Stabilität und inneren Zusammenhalt verfügen. Hier wird das Spielen von eindimensionalen Themen oder eines schönes Gesichtes nicht mehr ausreichen, denn Österreich steht von der Migrationsthematik über den Arbeitsmarkt bis hin zur lebenswerten Zukunft für Jung und Alt vor großen Herausforderungen.

Vielleicht bewahrheitet sich auch die Erkenntnis des römischen Philosophen Cicero: „Je größer die Schwierigkeiten, desto größer der Sieg.“ Bleibt nur zu hoffen, dass nach der Wahl nicht alle Welt an Loriot denkt, der meinte: „Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen.“

 Daniel Witzeling (geboren 1985) ist Psychologe und Sozialforscher. Er ist Leiter des Humaninstituts Vienna (www.humaninstitut.at). Als Sozialforscher beschäftigt er sich mit angewandter Psychologie auf verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern unter anderem Wirtschaft, Politik und Soziales.

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