Einige werden sich vielleicht noch an den Ausspruch des verstorbenen und polarisierenden Bischof Kurt Krenn von den „Buben-Dummheiten“ in Zusammenhang mit Vorfällen in einem Priesterseminar erinnern. Ähnlich könnte man so manche Auswüchse von Jugendkultur wie jene der Identitären beurteilen, ohne gleichzeitig bestimmte Tendenzen mit scharfem Auge und Verstand genau zu beobachten.
Was ist die Ursache für derartige Entwicklungen in der Jugendkultur? Analysiert man derartige Zeitgeistphänomene satirisch, so könnte man sagen, dass das Winnetou-und-Old-Shatterhand-Spielen im Wald von einst sich auf das World Wide Web und auf Aktionismus mit coolem Hipster Style verlagert hat. Die Welt ist zweifelsfrei komplizierter geworden. Politische Kaliber wie Willy Brandt oder Franz Josef Strauß – je nach politischer Präferenz – existieren heute nicht mehr als Identifikationsfiguren oder könnten vielleicht auch so nicht mehr existieren.
So ist es wenig verwunderlich, dass auf dem Nährboden eines eher wenig substantiellen Angebots auf politischer Ebene gepaart mit antiquierten Parteiapparaten, Bewegungen Zuspruch finden, die in einem modernen Design kombiniert mit scheinbar guten alten Werten, welche über neue Medien transportiert und an die Zielgruppen direkt herangetragen werden, punkten.
Jugend auf der Suche nach der Identität
Das Identitätsthema, sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene, ist das Thema der Zeit. Jung wie auch Alt müssen sich in ständig verändernden Zeiten permanent neuen Trends anpassen oder verspüren zumindest einen gewissen gesellschaftlichen Zwang. Da ist es umso angenehmer, wenn man einen sicheren Heimathafen in Form einer Gruppe von Gleichgesinnten findet, die einem Sicherheit und Rückhalt geben, damit man in einer immer stärker globalisierten Welt nicht alleine dasteht.
Alte Werte wie Heimat, Natur und Volkszugehörigkeit stellen hier einen immer attraktiveren Gegenpart zu den zunehmend inhaltsleeren und oberflächlicheren politischen Institutionen dar. Ein Rückbesinnen auf die guten alten Zeiten. Bei einem eher beliebigen Angebot von in die Jahre gekommenen Parteien, die es nicht wirklich schaffen, sich neu zu erfinden, ist dieses Phänomen nicht wirklich verwunderlich.
Die Jugend ist nicht dumm. Ähnlich wie sie einen wenig kompetenten und glaubwürdigen Lehrer nicht annehmen wird, geschieht es auch in Zusammenhang mit der Politik oder präziser formuliert mit den heutigen Politikern. Die junge Wählergruppe detektiert durchaus ohne große politische Detailbildung, wer etwas stimmig rüberbringt und wer nur eine sozial erwünschte Aussage tätigt.
Da das politische Angebot quer über die Parteienlandschaft nicht gerade das ansprechendste ist, suchen sich junge Menschen ihre eigenen Wege und Themen. Übrigens durchaus ein Qualitätsmerkmal der Jugend. So entstehen ebenfalls gesellschaftliche Erneuerungen, Fortschritt und Innovationen (siehe Mark Zuckerberg, Bill Gates, Steve Jobs und Co.). Dieses „aus-dem-Feld-Gehen“ kann natürlich auch andere Triebe zu Tage befördern, wie das Beispiel der Identitären belegt. Hier aber mit dem moralisch erhobenen Zeigefinger zu kommen ist nicht unbedingt intelligent und macht derartige Bewegungen für die jeweiligen Zielgruppen umso interessanter.
Vertrauen in die Jugend
Die heranwachsenden Generationen stehen vor Herausforderungen wie einer schwierigen Arbeitsmarktlage und einem härteren internationaler Wettbewerb. Dennoch werden sie es, wie auch die Generation davor, schaffen diese zu meistern.
In diesem Kontext stellen Phänomene wie rechts- oder linksextremere Tendenzen eher die Ausnahme als die Regel dar. Nach einer Sturm und Drang Phase tendiert man im Erwachsenenalter wieder zur goldenen Mitte. Der Grundwertekanon, der in der Jugend verankert ist, ist zweifelsfrei stimmig. Man kann auf ihr Potenzial und ihre menschliche Integrität setzen. Gerade aufgrund der anspruchsvolleren Zeiten wird sie ihr eigenes Wertesystem entwickeln, das diese die Herausforderungen der Zukunft meistern lassen wird.
Daniel Witzeling, (*1985) Psychologe und Sozialforscher. Leiter des Humaninstituts Vienna (www.humaninstitut.at). Als Sozialforscher beschäftigt er sich mit angewandter Psychologie auf verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern unter anderem Wirtschaft, Politik und Soziales.