„Ich habe mich selbst geheiratet“, so eine britische Fotografin. Sie setzte damit das in die Tat um, was Carrie in der US-TV-Serie Sex and the City inszeniert hatte, um auch endlich mal Geschenke von ihren verheirateten Pärchen zurück zu bekommen. Grace Gelder hat den Vorgang aber real – vor einer Parkbank – im Herbst 2014 vollzogen und somit Carries Fake-Vorhaben in die Tat umgesetzt. Vor fünfzig Hochzeitsgästen hat sie ihr Ja-Wort gegeben und zwar sich selbst. Die Zeremonie wurde mit dem Kuss aufs Spiegelbild besiegelt.
Die Zukunft wird vielfältig. Ob ein Mann vier Frauen, eine Frau drei Männer, zwei Schwule oder drei Lesben sich verbinden – der Slogan: „Ehe für alle“ wird die Hoffnung auf viel Freibier für alle auslösen.
„Wir fühlen uns in unserer Familie mit Wolfgang und Isolde wohl. Täglich gehen wir mit den beiden mindestens zweimal Gassi. Das Wochenende verbringen wir mit unseren Hunde-Freunden als Großfamilie. Wir haben auch schon eine Grabstätte gekauft, wo wir dann gemeinsam unsere letzte Ruhe finden.“ Dieser beim Hunde-Freunde-Treff im Park aufgegriffene Gedankenaustausch machte mich nachdenklich. Auch wenn wir nicht auf den Hund gekommen sind, das Verständnis von dem, was als Keimzelle der Gesellschaft betrachtet wird, ist recht schillernd. Mal wird sie als antiquiert abgelehnt oder gar bekämpft, dann wird sie als Lebensmodell für alle gefordert? Und da die Ehe als Basis der Familie zu betrachten ist, geht es dabei gleichzeitig um die Entwicklungs-Chancen von Kindern.
Ehe und Familie sind wieder im Gespräch. Das ist gut und verwundert zugleich. Denn im politisch und medial inszenierten Mainstream weht Ehe und Familie oft ein eisiger Wind entgegen, werden die Vorsetzungen für ein gut lebbares Miteinander von Eltern mit ihren Kindern stark behindert, manchmal auch bekämpft. Andererseits ist zu beobachten, dass sich unterschiedlichste Interessengruppen oder Lebensformen gerne als Familie bezeichnen, wenn es dem eigenen Vorteil dient. Nun steht wieder einmal die Forderung nach einer „Ehe für alle“ als politische Forderung im Raum. Dabei scheint es auch um die stille Sehnsucht nach Heimat und dem kleinen Fleck einer heilen Welt zu gehen. Aber bei allem Hin und Her unterschiedlichster Interessen ist die Vergegenwärtigung wichtig: „Ehe und Familie“ – so fordert es etwa das deutsche Grundgesetz – „steht unter dem besonderen Schutz des Staates“.
Eine Familie ist mehr als die Summe von zusammenlebenden Menschen
Die Geburt eines Kindes macht ein Paar zur Familie. Dies ist Alltagswissen. Der Duden definiert die „Lebensgemeinschaft Familie“ als „ein Elternpaar oder einem Elternteil mit mindestens einem Kind“ beziehungsweise in der erweiterten Form alle miteinander [bluts]verwandten Personen (Sippe). Wenn wir diese Definitionen bei der aktuellen Diskussion um Ehe und Familie zugrunde legen, klärt sich Vieles von selbst.
Da aber das Zusammenleben in der Familie – wenigstens per Erinnerung – bei vielen Menschen in Lebensformen jenseits dieses klassischen Verständnisses die Erfahrung von Vertrautheit, Heimat und etwas heiler Welt wachruft, wird durch die Übernahme von Begriffen versucht, die erinnerten positiven Erfahrungen neu zu vergegenwärtigen. Dieser Denkansatz ist in vielen werteorientierten Handlungsfeldern zu beobachten.
Einerseits wird die Ehe von vielen Menschen als antiquierte Form des Zusammenlebens abgelehnt, andererseits wollen gleichgeschlechtliche Paare, trotz der wichtigen Möglichkeit, sich als Partnerschaft offiziell eintragen zu lassen, nun auch heiraten. Da wird christliches Handeln als obsolet bezeichnet oder gar lächerlich gemacht, aber fast alle wollen kräftig Weihnachten – das Fest der Geburt Christi – feiern, indem vorher per endoskopischer Detailarbeit der religiöse Kern des Festes entfernt wurde. So wird die Handlung, wenn öffentliche Gebäude, Brücken Straßen oder die eigenen vier Wände zur Nutzung freigeben werden, meist als Ein-Weihungs-Feier bezeichnet, obwohl der dazu gehörende sakrale Rahmen – oder nach Duden: „die rituelle Handlung, durch die jemand oder etwas in besonderer Weise geheiligt oder in den Dienst Gottes gestellt wird“ – gar nicht vorgesehen ist.
Per Zeitgeist mit Volldampf in eine substanzlose Welt des Haben-Wollens?
So hat der Zeitgeist – wer immer das auch sein mag – einen Quasi-Fetischismus in die Welt gesetzt: Es wir gehofft, durch die Übernahme von positiv besetzten Begriffen – bei gleichzeitiger Entleerung ihrer inhaltlichen Substanz – doch noch etwas vom ursprünglich damit assoziierten guten Gefühl herüber retten zu können. Das Ganze ähnelt dann, um einige Beispiele zu nennen, Strandpartys ohne Wasser und Sand, Musikfestivals ohne Sänger, Bands ohne Orchester oder „Classic Days“, bei welchen zwar kräftig konsumiert wird, nur halt keine Oldtimer zu bestaunen sind.
Ein weiterer Grund im Kampf um die Aneignung der Begriffe „Ehe“ und „Familie“ ist das Erheischen-Wollen handfester staatlicher Privilegien. Es geht dann nicht mehr um Inhalte, Fakten oder schutzwürdige sinnvolle Gehalte, sondern um den eigenen Nutzen, um Selbstverwirklichung und Gleichmacherei. Der Schein verdrängt das Sein, die so Handelnden steuern wegen fehlender eigener Substanz in ihren Lebensformen in einen Als-ob-Modus und gieren trunken nach immer mehr Haben-Wollen.
Stabilität und Verlässlichkeit als Qualitätsanforderungen für Familien
Die angemessene Biegung einer Banane wird durch die EU ebenso genormt wie die einheitliche Tischhöhe zwischen Mittelmeer und Nordsee. Die Regelungswut treibt häufig genug absonderliche Blüten. Aber beim Thema Qualitätsanforderungen zur Erziehung in der Familie wird eher „das Schweigen der Lämmer“ in Szene gesetzt. Denn die Frage, ob eine sogenannte klassische oder eher eine moderne Familie – was immer auch damit gemeint sein mag – optimalere Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern bereitstellt, ist zukunftsweisend für die nachwachsende Generation und den Wirtschaftsstandort.
Auf der Sprachebene wird der Kampf der Gesinnungen offensichtlich. So geben sich Menschen, die in eher instabilen Formen zusammen leben, per Selbstetikettierung das Vorzeichen „modern“ und beschreiben sich als bunt, facettenreich und lebendig. Im Gegenzug wird versucht, stabile familiäre Lebensformen – erst recht die Ehe – als alt, konservativ und nicht mehr lebbar abzuqualifizieren. Und Politiker sprechen gerne von verschiedenen „Familienmodellen“. Die wichtige Frage, welche Familien gezielt zu fördern sind, bleibt bei einem solch undifferenzierten Schlagabtausch offen.
Wie unscharf oft Begriffe verwendet werden, wird durch die folgende Sequenz einer Podiumsdiskussion offenkundig:
Familie ist da, wo Kinder leben!
So das Statement einer Partei-Vertreterin. (Übrigens wird diese Formulierung von den unterschiedlichsten Parteien gleichermaßen genutzt). Dazu meine Entgegnung: Dann leben die unzähligen Kinder in den Slums der Welt quasi als Groß-Familie.
Leichte Irritation, dann der nächste Versuch, versehen mit der Randbemerkung, dass da doch wohl nicht auszusetzen wäre:
Familie ist da, wo Erwachsene mit Kindern leben!
Aber auch diese Formulierung löste ein deutliches Unverständnis bei mir aus. Bevor ich mich jedoch äußern konnte, die Situation im Podium wirkte schon leicht angespannt, kam folgende Verdeutlichung: „Wollen Sie hier etwa konservatives Denken propagieren und dabei die vielen modernen Familienformen ausgrenzen? Schließlich gibt es verschiedene Familien-Modelle.“
Von mir kam einen deutliches „Nein!“ Ich wolle nur Klarheit, denn wenn diese Beschreibung so stehen bliebe, dann wären die unter einem Dach mit Kindern lebenden Missbraucher, Vernachlässiger und Gewaltanwender ja eine traute und auch zu fördernde Familie. Hier nun meine Definition:
Familie ist da, wo Eltern und Kinder in gegenseitigem Respekt eine in die Zukunft weisende Verantwortung füreinander übernehmen
- in Bezug zu den Kindern, die Erziehungsverantwortung,
- als gegenseitige Beistandschaft in Freud, Leid und Not,
- in Bezug zu den Eltern eine Mitverantwortung für das Leben im Alter.
Es geht also keinesfalls um Haarspalterei, sondern um eine punktgenaue Erfassung dessen, was im Zentrum einer gesellschaftlichen Wertschätzung und Förderung stehen soll. Dass es auch etliche Paare beziehungsweise Eltern gibt, die sich nicht aus Fahrlässigkeit trennen, ist trauriger Alltag. Bei diesen zeigt sich jedoch selten eine Glorifizierung der neu gefundenen Form eines (Zusammen)-Lebens jenseits der Erst-Familie. Frei gewählt hat in der Regel eine solche Situation niemand. Daher ist es auch nicht zielführend, dass Politiker der Tragik von Scheitern und Neubeginn einen Orientierung gebenden sollenden Modell-Status einräumen.
Welche Form des Zusammenlebens hat welche Auswirkung auf die Kinder?
Unter der Überschrift „Auf die Familie kommt es an“ rücken drei US-amerikanische Wissenschaftlerinnen die Wirkung unterschiedlicher Familienstrukturen auf die Entwicklung von Kindern ins Blickfeld. Sie überprüften, welchen Einfluss die jeweilige Familienstruktur auf die schulische und soziale Entwicklung des Kindes hat. Die meisten Forschungsergebnisse verdeutlichten, dass Kinder aus sogenannten traditionellen Familien bessere Schulleistungen, eine ausgeprägte Ambiguitäts-Toleranz, geeignetere Konfliktlösungs-Modelle, eine größere Zielstrebigkeit und bessere Voraussetzungen zur Lösung von Problemen oder Herausforderungen hatten.
Werden Lehrkräfte auf Problem-Schüler angesprochen, wird in der Regel auf die vielfältigen Verhaltens-Störungen in der Folge von Trennung und Scheidung hingewiesen, da das elterliche Auseinandergehen häufig einen tiefen Selbstwertverlust der Kinder und Jugendlichen auslöst. Die Psychologin Judith Wallerstein aus Kalifornien verfolgte 25 Jahre lang das Leben von 93 Kindern aus zerbrochenen Ehen. Dabei stellte sich heraus, dass die Scheidung der Eltern großen Einfluss auf das spätere Liebesleben der Kinder hat. So ist es nicht verwunderlich, dass 60 Prozent dieser Ehen wieder geschieden wurden, in der Vergleichsgruppe waren es nur 25 Prozent. Außerdem hatten nach dieser Studie 25 Prozent der Scheidungswaisen noch vor ihrem 14. Geburtstag Kontakt mit Alkohol und Drogen, in der Gruppe der Vergleichskinder waren es nur 9 Prozent.
Wandel als Anpassung an den Zeit-Geist oder als zu begleitender Steuerungs-Prozess
Es wird Konsens existieren, dass die politisch Verantwortlichen stetig Wandlungs-Prozesse zur Kenntnis nehmen müssen. Aber mit welcher Zielsetzung wird auf diese Veränderungen reagiert? Versteht sich Politik als Steigbügelhalter einer Anpassung an den Mainstream oder als Gestalter optimaler Voraussetzungen eines gelingenden und stabilen – durch Achtung und Wertschätzung geprägten – Zusammenlebens?
Es verwundert, mit welch intellektueller Begrenztheit hier reagiert beziehungsweise regiert wird. So wird im Bereich von Ehe und Familie Anpassung zum bevorzugten Handlungsprinzip. Würde dieser Anpassungs-Verhaltensansatz auch auf Steuerhinterziehungen bezogen, wären Aktionen zum Aufspüren von Steuervermeidungs-Schlupflöchern beziehungsweise Aktionen zur Eindämmung von Steuerbetrug auf dem Weg zu einer größeren Steuergerechtigkeit sofort einzustellen. Ähnlich wäre auch eine radikale Kehrtwende im Umgang mit Brandschutz-Mängeln, Kriminalität, Geschwindigkeits- oder Alkohol-Kontrollen einzuleiten, wenn ein Verhalten nachweislich dem Mehrheits-Trend entspricht. Dies wirft die Frage auf: Wozu wird also von wem entschieden, sich hier anzupassen oder dort gezielt gegenzusteuern?
Die aktuell lauthals geäußerten Forderungen setzen auf eine Schein-Ehe
Bei der im Kern von Schwulen- und Lesben-Verbänden – und von vielen Parteilvertretern bereitwillig aufgegriffenen – geäußerten Forderung nach einer „Ehe für alle“ geht es nicht um die klassische Ehe. Denn diese wurde aus derselben Richtung und in Kooperation mit ähnlich Denkenden in den zurückliegenden Jahren häufig als obsolet oder antiquiert bekämpft. Nein, unter dem Deckmantel Ehe soll der Zugang weiterer Privilegien wie die Adoption erreicht werden.
Aber dem oft eingebrachten Argument, dass es doch besser für ein Kind sei, mit zwei Männern oder zwei Frauen als in einem Kinderheim aufzuwachsen, fehlt für europäische Verhältnisse die Basis, da auf ein adoptierbares Kind schon vier bis sechs Eltern warten. Aber was kümmert dies Zeitgenossen, die um fast jeden Preis „eigene“ Kinder haben wollen. So wird zum Schein auf einen Ehe-Schein gesetzt.
Und gleichzeitig wird die Ehe-Verbindung von Müttern und Vätern mit ihren (leiblichen) Kindern als unzeitgemäß torpediert. Wie verzweckt die schillernd eingebrachten Argumente sind, wird aktuell in Österreich deutlich: So verkündet seit ein paar Tagen die größte österreichische Homosexuellenorganisation (Hosi), dass sie die Öffnung der Ehe neuerdings nicht mehr anstreben, sondern die jetzige Situation mit„eingetragener Partnerschaft“ vorziehen. Die sei besser.
Der nicht ausgesprochene Hintergrund: Adoption und Verpartnerung am Standesamt sind auch so möglich, Scheidungen sind viel einfacher als bei der Ehe und mit weniger Unterhalts-Forderungen verbunden. Die vehemente Forderung nach der „Ehe für Alle“ entlarvt sich so als Schein-Gefecht. Da wirkt die Verdeutlichung des homosexuelle CDU-Politiker Jens Spahn innerhalb einer Fernsehtalkrunde zum Thema „Adoptionen durch schwule und lesbische Paare“ vor gut zwei Jahren, dass es dabei auf keinen Fall nach dem Prinzip: „Ich will haben“ gehen darf, sondern dass immer das Kindeswohl im Zentrum zu stehen habe, fast wie die gute Botschaft von einem anderen Stern (auch wenn er aktuell eine andere Position zu vertreten scheint).
Die Aufgaben einer zukunftsorientierten staatlichen Familien-Politik
Demnach müsste das Haupt-Kriterium für politische Entscheidungsträger sein, erwartbaren Schaden von Kindern und Familien abzuwenden und Förderliches zu manifestieren. Demnach ist es die Pflicht des Staates, die Familien als Keimzelle der Gesellschaft zu schützen und durch gute Rahmenbedingungen gezielt zu fördern.
Hierzu der aus der Schweiz stammende renommierte Familienforscher Franz-Xaver Kaufmann: „Wenn in einer Gesellschaft jedoch stabile und eher instabile Formen des Zusammenlebens von Erwachsenen mit Kindern als frei wählbar betrachtet werden, dann hat der Staat seine besondere Unterstützung jenen zu geben, welche die größte Chance für eine optimale Erziehungswahrnehmung bieten.“ Denn: „Kinder sind das Erbgut einer Gesellschaft und starke Familien ihr Rückgrat“.
Dr. Albert Wunsch ist Psychologe, Diplom-Sozialpädagoge, Diplom-Pädagoge, Kunst- und Werklehrer sowie promovierter Erziehungswissenschaftler. Er ist Vater von 2 Söhnen und Großvater von 3 Enkeltöchtern.
Seine Bücher Die Verwöhnungsfalle (auch in Korea und China erschienen), Abschied von der Spaßpädagogik, Boxenstopp für Paare und: Mit mehr Selbst zum stabilen ICH - Resilienz als Basis der Persönlichkeitsbildung, lösten ein starkes Medienecho aus und machten ihn im deutschen Sprachbereich sehr bekannt. Weitere Infos: www.albert-wunsch.de