Mit überaus kühnen Vergleichen und makabren Zahlenspielen nähern sich Meinungsmacher und Selbstdarsteller aus Politik und Presse auch dem Stockholmer Terrorattentat. Die Darstellung fügt sich in folgendes Schema: Terrorist rast mit Lastkraftwagen in Menschenmenge. Ebenso schematisch folgen die Reaktionen: Bestürzung und Fassungslosigkeit werden von trotzigen Solidaritätsbekundungen abgelöst. Der Terror darf nicht gewinnen, so die magische Formel.
Man kennt die intrakollektiven Reflexe. Das mediale und politische Echo auf den Anschlag in Schweden stellt keine Ausnahme dar, es liest sich wie das kleine 1x1 der Terrorverharmlosung. Egal ob Nizza, Berlin, London, Stockholm oder Dortmund – ein Gemeinplatz gleicht dem anderen: „Wir sind eine offene, demokratische Gesellschaft, und das werden wir auch bleiben“, so der schwedische Ministerpräsident pflichtbewusst.
Bevor sich die politischen Diskursverweigerer auf die Toleranzdemos in ihren Städten konzentrieren, hantieren sie mit den immergleichen Textbausteinen. Antworten gibt es keine, man ist ja damit beschäftigt, Islamkritik als Ausdruck von Rassismus geltend zu machen.
Die Leitartikler bringen immer wieder das von Selbstbewusstsein geprägte europäische Lebensmodell ins Spiel, um zu verdeutlichen, dass vereinzelte Lkw-Dschihadisten nicht in der Lage wären, daran zu rütteln. Das emotionale Band, das ganz Europa verbindet, werde durch wiederkehrende Auftritte von ein paar Extremisten keineswegs gesprengt. Anschläge dieses Ausmaßes verändern nicht den Lauf der Geschichte, wissen Rat gebende Redakteure. Denn das Leben kehre rasch in seine gewohnten Bahnen zurück. Der Alltag siege ohnehin über die verfliegende Angst.
Soll heißen: Wir müssen mit islamischen Attentaten leben lernen, wir dürfen der berechtigten Angst keine Chance geben. Der Umgang mit Terrorismus mutiert immer mehr zu einer Management-Aufgabe, die konsequenterweise zur Selbstaufgabe des Staates führt. Man denke nur an die ohnmächtige Reaktion des Londoner Bürgermeisters nach den Attacken vor ein paar Wochen: „Terrorangriffe gehören zum Leben in einer Großstadt".
Kommentatoren entwickeln sich im Angesicht des Terrors zu selbsternannten Experten der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Rational betrachtet sei die Chance, Opfer eines Terroraktes zu werden, im Vergleich zu anderen Fährnissen verschwindend gering. Diese Verniedlichung soll uns glauben machen, dass Statistiken gegen Terrorangst helfen. Es wird uns geraten, Trost in der Mathematik zu finden. Selbstberuhigung durch Zahlenspielereien. Der Terror sei zwar durchaus unerfreulich, aber leider unvermeidbar.
Und überhaupt: Es verenden ohnehin mehr durch Verkehrsunfälle, Blitzschläge oder das Verschlucken von Fischgräten als durch Terror. Also, so die Botschaft, schlucke lieber die Angst hinunter. Diese kühle Risikobeurteilung im Hinterkopf behaltend, hoffen wir einfach, auch das nächste Mal verschont zu bleiben.
Sollte die wissenschaftliche Perspektive als therapeutische Maßnahme für so manch ängstlich dominierten Geist nur wenig helfen, könne man die Terroristen ja zusätzlich mit Ignoranz strafen, meint so manches Medium. Die Terrorversteher fordern dazu auf, den Attentätern die kalte Schulter zu zeigen. Je kürzer die Schockstarre, je selbstbewusster das rhetorische Auftreten gegenüber dem islamischen Terror, desto schneller verlieren die Dschihadisten also ihre Lust am Heiligen Krieg. Oder so ähnlich.
Der Relativierungsfetisch in seiner Reinform geht so weit, die Terrorstrategie des IS mit der von anderen Terror-Clans zu verglichen. Fazit: Die IS-Attentate nehmen sich im Vergleich zur Al-Kaida wie eine Schwundstufe des Terrors aus. Denn jeder Gestörte könne einen Lastwagen in eine Menge steuern. Den rund 3000 Toten von 9/11 stehen gerade einmal etwas mehr als 100 Tote bei den letzten Anschlägen in Europa gegenüber.
Statt mit betroffener Miene zu entdramatisieren, sollte ernstzunehmender Journalismus dazu übergehen, den mit aller Härte zu führenden politischen Diskurs samt Lösungen kompromisslos einzufordern. Die Virulenz des islamischen Terrors ist nun Mal eine Tatsache. Ignoranz hilft dabei wenig. Leere Appelle an die Courage der heimischen Bürger sind keine Antwort auf diesen Terror, der das Schicksal Europas nachhaltig verändern wird.
Mag. Jürgen Pock ist Kommunikationsexperte und Polit-Blogger.