Politikverdrossenheit und Politikverachtung nehmen zu. Wir erleben eine Krise der supranationalen Institutionen und des Staates. Allgegenwärtige EU- und Staatspräsenz sowie EU- und Staatsgläubigkeit sind gekoppelt mit einem routinemäßigen Bruch des supranationalen und des nationalen Rechts, mit einem Verzicht auf Hoheitsrechte bzw. auf eine Kontrolle des Staatsgebietes und der Menschen im Staatsgebiet sowie mit gesetzwidrigem Handeln der Verantwortlichen, die ihre Verantwortungslosigkeit verniedlichen und nicht über die Folgen der Regelverstöße reflektieren wollen.
Immer mehr Menschen in diesem Land erkennen, dass die politischen Eliten mit einem unterentwickelten Freiheits- und Rechtsbewusstsein das Recht ignorieren und auf die Durchsetzung des Rechts verzichten. Rechtsstaatlicher und marktwirtschaftlicher Analphabetismus sind unter den EU-Zentralisten, den Etatisten und den Interventionisten in allen Parteien und Verbänden weit verbreitet.
Die Marktwirtschaft dient keinen Sonderinteressen. Der wirtschafts- und sozialpolitische Egalitarismus und die geldpolitische Aushöhlung der Marktwirtschaft dienen den Partial- und Regionalinteressen. Wettbewerb ist ein Entmachtungsinstrument. Der Ruf nach zentralen Lösungen dient dem Machterhalt und dem Machtausbau der oligarchisch strukturierten politischen Eliten.
Der Rechtsstaat ist ein Merkmal und der Stolz des abendländischen Rechts. Die Herrschaft des Rechts ist eine europäische Errungenschaft durch viele Jahrhunderte gereift und erkämpft. Eine Rechtsordnung, der sich alle fügen, ist eine der wichtigsten Grundlagen einer „Offenen Gesellschaft“. Die Europäer sollten aus der Geschichte gelernt haben, dass es besser ist, den Gesetzen und nicht den Menschen zu gehorchen.
Wo kein Recht ist, da ist auch keine Freiheit. Die individuellen Freiheitsrechte der Bürger werden über die Rechtsordnung gesichert, wenn es eine Freiheit unter dem Recht gibt.
EU-Institutionen, Regierung und Verwaltung haben die allgemein verbindlichen Normen genau zu beachten und zur Rechtsdurchsetzung beizutragen. Die Rechtsordnung bindet sie. Im Gesetzesstaat gilt das Legalitätsprinzip. Die Vollziehung ist an die Gesetze gebunden.
Es ist nicht die Aufgabe der EU, der Regierung(en) und der Verwaltung(en), mit einer „Monetarisierung von Staatsschulden“, mit einer „Haftungsunion“ und/oder mit einer „Kultur der Grenzenlosigkeit“ das Recht zu brechen und den Rechtsstaat sowie das Vertrauen in den Rechtsstaat zu schwächen.
Wir sind Zeitzeugen einer Erosion und einer Destabilisierung des Rechts- und Verfassungsstaates, der repräsentativen Demokratie und der Marktwirtschaft.
Die „Umverteilungsmoral der kleinen Horde“ ersetzt immer mehr das Recht und die Gerechtigkeit. Paternalismus, Konstruktivismus, „Regulierungswut“ und (geldpolitischer) Interventionismus sind die Wurzeln der Zerstörung der Errungenschaften der europäischen Zivilisation. Die Propagandisten eines Wohlstandes durch (mehr) Schulden, durch (mehr) Zwangsumverteilung, durch (mehr) Konsum und durch (mehr) Enteignung (finanzielle Repression) wollen offensichtlich immer mehr Macht für die EZB, für die EU, für den Staat und für die Sonderinteressen(-gruppen). Sie ersehnen nicht nur (mehr) Zwangssolidarität im Sozialstaat, sondern auch innerhalb der Eurozone/einer Umverteilungsunion und „global“.
Eine Überforderung des Rechtsstaates, die die repräsentative Demokratie und die Marktwirtschaft destabilisiert!
Die Enteignungspolitik der antirechtsstaatlichen, antikapitalistischen und multikulturell orientierten Eliten Europas, die „gute Absichten“ artikulieren und moralisieren sowie mit dem Geld anderer Gutes tun wollen, schafft immer mehr Möglichkeiten dafür, dass immer mehr Menschen auf Kosten anderer und/oder der Zukunft leben können.
Diese Politik ist ein Irrweg, der zu Fehlanreizen, zu einer Fehlleitung von Ressourcen und zu einer Kapitalaufzehrung führt.
Eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit Europas kann weder durch eine Geldmengenvermehrung (mit „Geld aus dem Nichts“) noch durch manipulierte Zinsen und Zwangsentsparung gelingen. Wohlstand verlangt eine Verringerung des rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen Analphabetismus, Sparen, Kapitalbildung, produktive Investitionen und Neuerungen.
Ich bin ein „begeisterter Europäer“, der nicht nach mehr Macht für die EU, für die EZB oder für den Staat ruft. Angesichts der Folgen des Versagens der EU, der EZB und der Staaten plädiere ich für mehr Rechtsstaat, für mehr Freiheit, für mehr Eigenverantwortung, für mehr „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ und für mehr Marktwirtschaft. Ich ersehne eine Europäische Union, die ihre Kopenhagener Kriterien „liberale rechtsstaatliche Konkurrenzdemokratie mit Gewaltenteilung“ und „wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft“ erfüllt.
Mag. Josef Stargl ist AHS-Lehrer in Wien