Wissenschaft auf sozialistisch

Das Marie Jahoda – Otto Bauer Institut hat gegenüber dem roten WIFO, der roten Nationalbank oder etwa der roten Statistik Austria einen klaren Vorteil: man erkennt bereits an der Namensgebung die politische Färbung eindeutig. Marie Jahoda war eine „revolutionäre Sozialistin“ und zählt zu den „großen alten Damen der Sozialdemokratie“. Otto Bauer gilt als Begründer des Austromarxismus und war von 1918 bis 1934 stellvertretender Vorsitzender der SDAP (sozialdemokratische Arbeiterpartei). Obwohl also am Namen bereits klar ist, wohin die Reise geht, sind die Hintergründe nicht minder interessant.

Auf der Homepage findet sich, außer reichlich Programmatik, relativ wenig über das Institut an sich. Anders als es bei vielen anderen Thinktanks üblich ist, wird über die Finanzierung kein Wort verloren. Keine Spender, Finanziers oder Gönner werden angeführt, lediglich der Vorstand wird namentlich genannt, ansonsten herrscht ziemliche Intransparenz vor. Auf Facebook betitelt man sich als „Nichtregierungsorganisation“ was freilich nicht davor schützt, öffentliche Gelder zu erhalten.

Wenn man etwas nachforscht, zeigt sich nämlich klar, wo das Institut verortet ist und wie es finanziert wird. Gegründet 2012 von der SPÖ, gleiche Adresse wie die Linzer SPÖ. Der Geschäftsführer ist Koordinator des morgen.rot-Prozesses, eine interne Bewegung der Oberösterreichischen Sozialdemokraten, die weiteren Mitarbeiter haben ebenfalls SPÖ-Bezug. Finanziert wird diese NGO über öffentliche Förderungen (2014: 50.000 € vom Land; 2015 bereits eine stolze Steigerung um fast 50 Prozent auf 74.000 €; für 2016 liegen noch keine Zahlen vor) und über Projektpartner. Sollte also die Namensgebung noch nicht genügen, ist man spätestens jetzt vorgewarnt vor dem, was folgt.

Das ist nämlich Wissenschaft á la Sozialdemokratie. Mit dem von Max Weber formuliertem Postulat der Werturteilsfreiheit der Wissenschaft hat das freilich nichts mehr zu tun. Vielmehr gibt es hier eine Ideologie und diese muss bestätigt werden, koste es, was es wolle.

Es gilt also nicht die folgende Herangehensweise: Wir schauen uns die Welt an und versuchen dann, diese und deren Abläufe mit Theorien zu erklären. Nein, hier wird das umgedreht. Wir schauen uns zuerst die Theorie an und versuchen dann die Welt irgendwie so umzudeuten, dass sie in unser ideologisches Schema passt.

Ein aktuelles Beispiel ist der kurze Beitrag (echte wissenschaftliche Publikationen, wie sie unter dem Punkt „Profil und Werte“ noch großspurig angekündigt werden, findet man ohnehin kaum auf der Homepage dieses Instituts) vom 14. Dezember mit dem Thema: „Wie Europa noch zu retten ist“.

Der erste Satz ist gleich einmal, bestenfalls, eine Halbwahrheit. „Weder Europa noch Österreich finden derzeit Wege um die weiter anhaltend hohe Arbeitslosigkeit effektiv zu senken.“ Tatsächlich gibt es in den meisten Ländern Europas sinkende Arbeitslosigkeit, lediglich Österreich hinkt deutlich hinterher und steht eigentlich im Kontrast zur allgemeinen Entwicklung.

Es folgt eine klare Botschaft, wie diese Probleme anzugehen sind: „Es geht um staatliche Investitionen, Beschäftigungsprogramme sowie Umverteilung als Alternativen zum derzeitigen Stillstand. Die Zeit drängt, um wichtige Schritte gegen den drohenden Zerfall der Europäischen Union und den spürbaren Aufstieg von autoritären Bewegungen zu setzen.“ Diese Sätze sprechen wohl für sich. Zwei kleine Anmerkungen aber. Erstens: Europa wird – wie so oft – mit der EU gleichgesetzt. Zweitens: Genau das, was hier gefordert, wird seit Jahren erfolglos versucht. Absurde Vermögenssteuern in Frankreich, Abwrackprämie, Rettungspakete, Staatliche Investitionen überall in der EU, in Hülle und Fülle. Jedoch die Schlussfolgerung des Jahoda-Bauer Instituts: Schuld sei das Geldsparen, eine Wirtschaft könne nur funktionieren, wenn sich jemand verschuldet und das sollte im Idealfall der Staat sein.

Ein besonderes Schmankerl gibt es bei der einzigen Graphik zu bewundern. Die sektoralen Bilanzen Österreichs und der Eurozone wurden hier angeführt. Einzig Deutschland, ein zumindest wirtschaftlich gesehen exemplarisches Land, wurde ausgenommen. Deutschland, das derzeit sogar einen Budgetüberschuss erzielt (also sich eben nicht verschuldet) und das seit Jahren relativ gut dasteht, wird einfach nicht erfasst.

Wahrlich – das ist sozialistische Wissenschaft. Die Länder, die meine Aussage bestätigen, erfasse ich. Die, die meine These widerlegen, scheinen einfach nicht auf. Das ist so, wie wenn ein Lehrer zeigen will, wie gut seine Klasse ist, und er einfach nur die sehr guten und guten Schüler zählt, so als ob die anderen gar nicht existieren würden. Und plötzlich – oh Wunder – sieht der Notenschnitt der Klasse hervorragend aus.

Die üblichen Schimpftiraden auf die vermeintliche Austeritätspolitik überall in der EU (während in Wahrheit in fast allen Ländern die Staatsausgaben und Schulden explodieren) dürfen natürlich ebensowenig fehlen wie der sozialistische Klassiker: „Es braucht staatliche Investitionen: zum Beispiel in den Ausbau und die Sanierung von Straßen- und Brücken.“ Natürlich – lasst uns Straßen bauen! Das ist wahrhaft das innovativste Konzept für die Zukunft schlechthin. Lustigerweise wird an dieser Stelle dann plötzlich Deutschland sehr wohl wieder als Beispiel angeführt: „Über 2.550 Brückenabschnitte (das sind 3,8 Millionen Quadratmeter) müssten allein in Deutschland dringend repariert werden.“ Man sieht einmal mehr – wenn es ins Weltbild passt, bringt man ein Beispiel, wenn nicht, blendet man es aus – sozialistische Wissenschaft.

Wahre Chuzpe ist es jedenfalls, wenn diese geforderte Schuldenpolitik auf die folgende Art und Weise euphemistisch umschrieben wird: „Das Ziel muss sein, nicht nur die Wirtschaft kurzfristig anzukurbeln, sondern langfristig das Wohlbefinden der gesamten Gesellschaft zu steigern.“ Der Staat soll also noch unsere Ur-Urenkel mit Schulden belasten und das ist dann „langfristiges Wohlbefinden“. Nur zur Erinnerung: bereits jetzt bezahlen wir, gerundet, alle zwei Jahre eine Hypo – rein an Zinsen für die überbordenden Staatsschulden.

Lapidarer Kommentar: „Klar ist, Budgetdefizite sind zu keiner Zeit etwas Gutes oder Schlechtes.“ Na immerhin, ein kleines Zugeständnis. Schulden sind nichts zwingend Positives…

Absurder geht es wirklich nicht mehr. Zur Bekräftigung des Rufes nach mehr Staatsinvestitionen werden jedenfalls auch noch IWF, OECD und die europäische Kommission zitiert, die ebenfalls ähnliche Forderungen haben sollen. Ob die Berufung auf diese „Experten“, die in der jüngeren Vergangenheit bei wirtschaftlichen Prognosen eine schlechtere Trefferquote gehabt haben als ein Münzwurf (dieser liegt zumindest zu 50 Prozent richtig), wirklich von Vorteil ist? Egal, Hauptsache im Beitrag wurde brav gegendert.

Diesen Text habe ich aufgrund seiner Aktualität nur als exemplarisches Beispiel genommen. Tatsächlich ließe sich so gut wie jeder Beitrag auf der Homepage des Jahoda-Bauer Instituts zerpflücken. Sowohl was den Inhalt, als auch die Methodik angeht. Das Credo ist jedenfalls klar: passt die Welt nicht zu meiner Ideologie – schade um die Welt. Das ist es dann wohl, was die Linken mit „postfaktisch“ meinen.

Martin Holzmann ist 26 Jahre alt und studiert an der BOKU in Wien Forstwirtschaft. Er hat zwei Jahre Beiträge für die Rubrik "Meinjung" der Salzburger Nachrichten geschrieben.

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