Religion, Bildung, Bundespräsident

„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub,
du hältst nicht viel davon.“

Johann Wolfgang Goethe, Faust

Die berühmte Gretchenfrage. Heute irrelevanter denn je. Deshalb wollen wir auch nicht die beiden Bundespräsidentschaftskandidaten daraufhin abchecken. Religion ist Privatsache, und damit basta. Aber halt. Das Thema Religion kann hervorragend den Götzen des 21. Jahrhunderts, die berühmte Bildung, beleuchten – und über wie viel davon ein Mensch verfügt. Und da schneiden beide Kandidaten nicht sehr gut ab.

Der Glaube des Ingenieurs

Norbert Hofer, seines Zeichens Ingenieur, preschte aktiv vor mit der Propagierung des Zusatzes zur Eidesformel: So wahr mir Gott helfe. Und schob dann, näher befragt zu seinem Übertritt von der Katholischen zur Evangelischen Kirche nach: Weil dort Frauen Pfarrer werden können.

Was ist denn das für ein Armutszeugnis für einen, der Zeugnis ablegen will für eine Glaubensgemeinschaft? Ist der Mann wirklich so oberflächlich? Hat ihm denn der Pfarrer (oder die Pfarrerin), der ihm Konversionsunterricht gab, nicht erklärt, dass das Wesentliche am Protestantismus die andere Auffassung von Kirche ist? Reformatorische Grassrootskirche von unten statt katholischer Hierarchiekirche von oben?

Aber nein, eine Äußerlichkeit zählt: weibliche Pfarrer. Peinlich für den Kandidaten auch die mögliche Interpretation: dass er sich damit besonders zeitgeistig-progressiv geben wollte.

Noch peinlicher nur noch die Reaktion der Kirchenoberen. Der sattsam bekannte linkslinke Bischof Bünker, soundsovielter Spross einer Kärntner Pfarrerdynastie, musste daraufhin natürlich gleich den Politknüppel rausholen und wie wild auf sein Schäflein eindreschen. Zweites Gebot: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen.

Okay, aber dann muss der Herr Bischof konsequenterweise eine Verfassungsänderung anstreben, die den optionalen Zusatz bei der Angelobungsformel streicht. Wenn's den nicht gäbe, wäre Gott nie auf dem Plakat gelandet. Schützenhilfe bekam der oberste Evangele sogleich vom obersten Moslem des Landes, der sich ebenso aufregte, dabei steht, kleine Spitzfindigkeit, im Verfassungstext nicht Allah, sondern Gott. Also, was braucht er sich aufzuregen?

Von dunkelbraun zu knallrot

Wieder einmal sieht man hier ein typisches Beispiel des Protestantismus: die Politeinmischung. Während die Katholen sich das gottseidank nach Seipel, dem Prälaten ohne Gnade, abgewöhnt haben, sind die Protestanten auch nach der Epoche von „Reichsbischof“ Müller schlicht unbelehrbar. Keiner hängt sein Fähnchen so nach dem Zeitgeist wie sie. Vor achtzig Jahren noch – nein, liefen sie den Nazis nicht nur nach, sie marschierten sogar voran, die Reihen dicht geschlossen gegen aufrechte Glaubensbrüder wie Dietrich Bonhoeffer, den sie im KZ verrotten, pardon: Zeugnis ablegen ließen.

Man muss jedenfalls vor den Katholiken den Hut ziehen: die waren damals viel widerständiger. Vielleicht hängt das ja auch damit zusammen, dass eine Weltkirche stärkere Korrektive hat als ein lockerer Verbund von Landeskirchen.

Und heute politisieren sie halt unter dem Banner der Menschenrechte linksmoralisierend drauflos: Pastor Gauck als Präsident im Verein mit Pfarrerstochter Merkel als Kanzlerin in Deutschland, die Willkommens-Dioskuren Bünker&Chalupka mit Regionalbischöfin Knoll bei der Bundespräsidentenwahl 1998 als Vorläuferin in Österreich. Dass letztere dann sogar aus der Kirche ausgetreten ist, und das lediglich wegen eines Hirtenbriefs in Kärnten, ist ein besonderes Schmankerl. Hat wohl Offenbarung Johannes, Kapitel 2, Vers 10 nie gelesen.

Das Bild verwirrter oder intellektuell überforderter evangelischer Christen hierzulande rundet Grünen-Frontfrau Eva Glawischnig schön ab. Auf die Frage, warum sie denn in einem gewagten Kleid geheiratet habe, erwiderte sie doch glatt: Evangelische dürfen das. Das gibt es doch nicht, dieses geballte Maß an Dummheit bei der Frontfrau einer Parlamentspartei.

Der Gnatsch des Professors

Freilich, der ordentliche österreichische Universitäts-Professor Van der Bellen ist um nichts besser als der Ingenieur Hofer. Auch bei ihm, einem Ökonomen, entdeckt man erschreckende Defizite. Aufgrund seiner estnischen Wurzeln evangelisch, ist er in seiner kommunistischen Sturm- und Drang-Ära aus der Kirche ausgetreten. Sein gutes Recht.

Was er jetzt ist, ist nicht sicher. Agnostiker? Wahrscheinlich eher einer der Vielen, denen das ganze Thema Religion mitsamt ihren Brimborien am A vorbei geht. Und jetzt verkündet dieser famose Herr, dass er vielleicht wieder in seine Kirche eintreten will. Aber nicht, weil er etwa über Gott und die Welt nachgedacht hat, nein, weil er das soziale Wirken der Kirchen so schätzt.

Nichts anderes als religiöser Utilitarismus ist das. Werden jetzt die Taufschein-Christen von den Sozial-Christen abgelöst? Ich glaube da ebenso wenig wie bei Hofer an ein wahltaktisches Kalkül. Ich glaube vielmehr ebenso wie bei seinem Konkurrenten an intellektuelle Defizite. Der gute Professor hat nicht kapiert, dass es bei Religion, zumindest den drei Buchreligionen, nicht in erster Linie um Ethik, sondern um Transzendenz geht.

Übrigens auch beim Hinduismus, bei dem das Volksreligionshafte für uns den transzendierenden Kern oft überdeckt, und beim Buddhismus, der halt theologisch statt auf Gott auf das Nichts ausgerichtet ist. Alle anderen „Glauben“, vom Konfuzianismus bis zu Scientology, sind Lebenshilfe-Religionen, oft mit übergestülpter Transzendenz, bei letzterer sogar mit der Annahme kleiner grüner Männchen.

Man weiß nicht so genau, was konkret damals den späteren Professor zum Austritt bewogen hat, es scheint da irgendeinen Gnatsch mit seinen Kirchenleuten gegeben zu haben. Kann mir das zwar nicht ganz vorstellen, weil ich ein paar Jahre später auf demselben Gymnasium war und einen sensationell guten evangelischen Religionsunterricht genoss. Und der damalige Innsbrucker Gemeindepfarrer Liebenwein war ein gütiger, allseits respektierter Mann.

Das große Versagen

Die Conclusio all dessen? Multiples Gesellschafts-Versagen in den Jahrzenten seit dem Krieg. Die Schulen haben versagt. Die Lehrer haben versagt. Die Familien haben versagt. Die Kirchen haben versagt, die Pfarrer haben versagt (die sowieso). Die Journalisten haben versagt (die besonders schmerzlich). Und wie wollen wir das alles wieder reparieren? Mit dummem Bildungs-Geschwurbel, das glaubt, Bildung stiege proportional zu den investierten Milliarden, und dass es wirklich einen Nürnberger Trichter gäbe.

Was also die Religion betrifft, so stellen sich beide Kandidaten als ziemlich amateurhaft dar, was aber auch nicht allzu viel ausmacht, denn, wie gesagt, Religion ist Privatsache. Jonas war Agnostiker, Kirchschläger überzeugter Katholik, und nix is g'scheh'n. Die Frage ist nur, ob sie auf anderen Gebieten des Lebens, die nicht unmittelbar mit ihrem Studium und ihrer Ausbildung zusammenhängen, auch so, auf gut österreichisch, tramhappert herumtapsen.

Das Idol der Intellektuellen und Künstler ebenso wie der Mann der Menschen aus den Betrieben. Hofer und VdB sind gleichermaßen Durchschnitt, was schon etwas seltsam ist, denn der Akademiker hätte ja viel mehr Möglichkeiten gehabt.  

Andererseits passt diese Verfasstheit der Kandidaten sogar sehr schön zum wichtigsten Logion des Christentums, das Verhältnis von Gott und den realen Zuständen betreffend: Mein Reich ist nicht von dieser Welt (Johannes 18,36). Und auch Lukas 29,25 schlägt in diese Kerbe: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Hie Politik – da Religion.

Was natürlich nicht für den Islam gilt. Denn dessen Reich ist gerade diese Welt. Die ganze. Die Umma ist eine weltlich-religiöse Totalgemeinschaft. Und gerade in Zeiten wie diesen mit der alltäglichen islamischen Ein- und Unterwanderung wäre ein bewusst christlicher, intellektuell gefestigter Präsident ein Zeichen. Für die Trennung von Religion und Staat. Paradox. Aber tatsächlich so.

Dr. Angelo Peer. Geboren in Innsbruck. Evangelisch A.B. Studium der allgemeinen, indogermanischen und deutschen Sprachwissenschaft. Werbetexter, PR-Schreiber, Autor.

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