Als Student einer Geisteswissenschaft, überdies eines Nischenfaches, ist man ja Kummer gewohnt. Doch das Ausmaß an Verachtung, das anläßlich von Dr. Unterbergers Artikel Idealistisch oder dumm? in den Kommentaren erkennbar wurde, war selbst mir neu. Die Studenten seien, so der Tenor, zumeist entweder dumm – weil sie sich keine Gedanken über die Zukunft machten – oder realitätsfern – weil sie glaubten, das sie alimentierende Steuergeld käme aus irgendeiner unversiegbaren Quelle –, jedenfalls jedoch unfähig.
Der zweite Punkt ist tatsächlich kaum zu widerlegen. Die beschriebene Geisteshaltung dominiert das universitäre Klima, und sie ist einer der Gründe, warum ich hier unter Pseudonym schreibe. Auch für die beiden anderen Eigenschaften lassen sich sicher Beispiele in der Wirklichkeit finden. Kurzum, ein trübseliger Befund.
Er wird geradezu niederschmetternd, wenn man die kürzlich im Tagebuch erschienene Statistik anschaut, wonach sich unter den bei Studienanfängern beliebtesten Fächern solche wie Germanistik, Geschichte und Politikwissenschaft finden. Studienanfänger ist noch nicht gleich Absolvent, doch auch so bleibt eine erschreckend große Zahl von Menschen, die sich durch ihr Studium, so die Kritiker, aus dem Arbeitsmarkt katapultiert haben.
Angesichts dessen ist überraschend, dass es keineswegs einen landesweiten Aufschrei ob dieser Tatsache gibt. Da entsteht also eine Generation von lebensuntüchtigen Sozialhilfeempfängern, gerade unter jenen, die eigentlich den Laden am Laufen halten sollten, und es passiert dagegen – nichts, außer ein paar halbherzigen Initiativen für technikbegeisterte Schüler (meist mit starker Gender-Schlagseite).
Niemand versucht, die verlorene Jugend, vielleicht nach dem Publizistik-Bachelor, wieder auf den rechten Weg zu bringen, sie in den Arbeitsmarkt einzugliedern, wie es so schön heißt. Werbung für Weiterbildung kenne ich aus dem universitären Bereich nur von der Diplomatischen Akademie und diversen postgradualen Lehrgängen der Alma mater selbst. Wendet man sich an die einschlägigen Berufsberatungsstellen, stößt man auf Verwunderung, ebenso, wenn man sich für eine diesmal „marktorientierte“ Ausbildung bewirbt: Nirgendwo ist der Fall vorgesehen, dass ein geisteswissenschaftlicher Absolvent sich umorientiert. Warum?
Ich kann es mir nur so erklären: Wir werden nicht gebraucht. Da wir über gewisse Fähigkeiten – Lesen, Schreiben, Word bedienen, mit Messer und Gabel essen – verfügen und in der Regel unbescholten sind, kommen wir nicht für Fördermaßnahmen in Betracht, und abseits davon will uns auch niemand haben. Ein paar Ingenieure, Informatiker, Ärzte und Juristen vielleicht – der Rest ist einfach überzählig. Und wie begehrt Ärzte in der österreichischen Wirklichkeit sind, ist in letzter Zeit in Wien ganz gut zu beobachten.
Gewiss, es muß nicht jeder studieren. In jeder Zeitung kann man schließlich vom Lehrlingsmangel lesen. Warum wohl die staatliche Einrichtung Jugend am Werk (Eigenbeschreibung: „für Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben“) geschaffen werden musste? Manche Berufe, z.B. Uhrmacher, kann man überhaupt nur dort erlernen.
Öfter noch als vom Lehrlingsmangel hört man vom Pflegekräftemangel, dem die Generation Babyboom mit Schrecken entgegensieht. Allerdings, wenngleich der Pflegekräftemangel real ist: Für einen Hungerlohn in einem Beruf ohne Aufstiegsperspektiven arbeiten kann man auch mit einem Soziologie-Doktorat. Für die entsprechende Ausbildung ist zweifellos danach noch Zeit. In diesem Falle hätte man wenigstens ein paar Jahre seinem Lebenstraum gewidmet.
Hier im Forum erhielt ich unlängst den Rat, Unternehmer zu werden. Gern, warum nicht – so man eine Geschäftsidee hat. Aber das ist nur in geringem Maße von der Ausbildung abhängig. Außerdem: was geschieht mit den Leuten, die keine Idee haben, oder damit nicht zu finanziellen Erfolg gelangen? Das ist immerhin die Mehrheit.
Ins Kloster gehen können wir weiterhin; damit hätte wenigstens die Kirche eine Freude. Aber so wird das nichts mit der Umkehr des demographischen Wandels. Gerade dieser lässt an das eine Gebiet denken, auf dem wir wirklich gebraucht werden: Wir sollen die vielen ungedeckten materiellen wie ideellen Schecks einlösen, die die beiden Generationen vor uns ausgestellt haben. Glaubt jemand, dass das möglich ist?
Je weniger wir freilich dazu überhaupt in der Lage sind, desto schneller kracht das System an die Wand. Derartige Wünsche werden hier im Forum öfter laut – in diesem Sinne müsste die hiesige Leserschaft den derzeitigen Zustand sogar begrüßen…
Margarita Teresa ist ein Pseudonym, weil die Autorin neben dem Studium an der Universität tätig ist.