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Schlechte Nachbarschaft

Vor 60 Jahren hat eines der bedeutendsten Ereignisse der Nachkriegszeit stattgefunden, das Österreich so gefordert hat wie kaum ein anderes in diesem ganzen Zeitraum. Es war die ungarische Revolution, die sehr viel mit Österreich zu tun hatte. Aber dennoch ignoriert die Republik dieses – in Ungarn und anderswo natürlich intensiv gefeierte – Jubiläum total.

Das zeigt, wie schlecht heute die politischen Beziehungen zu jenem Nachbarland sind, das bei Meinungsumfragen eigentlich immer zu den beliebtesten Nachbarn Österreichs (nach Deutschland) gezählt hat. Das zeigt zugleich, wie isoliert Österreich im mitteleuropäischen Raum dasteht. Das zeigt vor allem, wie geschichts- und orientierungslos Österreich heute dasteht.

Es gibt keinerlei gemeinsame Feiern – zwischen Bayern und Ungarn hingegen sehr wohl. Die Republik Österreich war nicht einmal zu einem würdigen eigenen Gedenken imstande. Rund um den Nationalfeiertag widmeten sich die (derzeit rein sozialdemokratischen) Spitzen des Landes statt dessen nur zwei ganz anderen Themen: erstens der Hetze gegen die FPÖ durch SPÖ-Chef Christian Kern als seinem offensichtlichen Zentralthema – und zweitens dem innigen Wunsch der Parlamentspräsidentin, dass es mehr weibliche Soldaten geben soll. Dies hat geradezu exemplarisch gezeigt, auf welch primitivem Nabelbeschau-Niveau das Land derzeit angekommen ist.

Dabei ist Ungarn derzeit wirtschaftlich in einem Tempo unterwegs, das in Österreich nur noch Neid hervorrufen kann (auch wenn natürlich nach einem halben Jahrhundert Diktatur und Realsozialismus noch von einem niedrigeren Niveau aus).

Dabei ist Ungarn mit seiner – auch unter sozialistischen Regierungen schon voll bejahten – Mitgliedschaft in der Visegradgruppe bei der einzigen funktionierenden internationalen Kooperation dabei, die für Österreich (neben der EU) derzeit möglich und wichtig wäre, die aber von Österreich (mit Ausnahme von Sebastian Kurz und H.C. Strache) voll ignoriert wird.

Dabei sind die historischen Bezugspunkte zwischen Österreich und der dann von sowjetischen Panzern brutal niedergerollten ungarischen Revolution gewaltig:

  1. Die Ungarn sind 1956 überhaupt erst durch das Beispiel Österreichs ermutigt worden, aktiv zu werden: Die Alpenrepublik hatte im Jahr davor nach zehnjährigen Bemühungen den Staatsvertrag und den Abzug der sowjetischen (und anderen) Besatzungstruppen erreicht. Moskau war jedoch in Sachen Ungarn trotz der Wende von Stalin zu Chruschtschow und dessen anfänglichem Tauwetter nicht zu einer Wiederholung dieses Beispiels bereit. Österreich war nicht als Beispiel für Ungarn, sondern für Deutschland gedacht. Moskau wollte nämlich verhindern, dass Deutschland der Nato beitritt, es versuchte den Deutschen deshalb zu signalisieren: Wenn ihr neutral wie die Österreicher werdet, könntet auch ihr eventuell die Freiheit für die sowjetische Besatzungszone, die spätere DDR, bekommen (wirklich auf den Tisch gelegt ist ein solcher Vorschlag aber nie worden).
  2. Darüber hinaus war auch im Jahrzehnt davor die sowjetische Präsenz in Ungarn immer mit Österreich begründet worden. Moskau sagte ständig, dass man Truppen in Ungarn haben müsse, um Verbindungswege und Nachschub zu den Besatzungstruppen in Österreich zu sichern. Diese Besatzung Ungarns hatte sonst keinerlei völkerrechtliche Begründung. Mit dem Abzug aus Österreich war diese Begründung eigentlich hinfällig. So glaubten zumindest die Ungarn.
  3. Die ungarische Revolutionsregierung des früheren Kommunisten Nagy wollte – ebenfalls genau nach dem Beispiel Österreichs – die vermeintlichen sowjetischen Sicherheitsinteressen durch eine ausdrückliche Neutralitätsgarantie besänftigen.
  4. Die Kämpfe in Ungarn stellten das erst einige Monate davor wieder zu voller Freiheit gekommene Österreich vor eine gewaltige Bewährungsprobe. Das Bundesheer war noch überhaupt nicht richtig aufgebaut. Man hat erst begonnen, Rekruten einzuziehen. Die Waffen bestanden großteils aus dem, was die Besatzungsmächte als für sie nicht mehr sonderlich interessant zurückgelassen haben. Dennoch hat die Regierung Raab mutig und ohne Zögern und viel deutlicher als später 1968 (Tschechoslowakei) oder 1980 (Polen) das Vorgehen der Sowjets kritisiert.
  5. Es liefen auch sämtliche Kontakte der ungarischen Freiheitskämpfer zur freien Welt über Österreich. Ebenso waren die meisten Berichterstatter Österreicher, die aus Ungarn schrieben oder photographierten.
  6. Am meisten im kollektiven Gedächtnis beider Völker haften geblieben ist die Welle der Flüchtlinge, die in Österreich mit offenen Armen aufgenommen worden sind. Der große Unterschied zu den jetzigen „Flüchtlingen“ aus Afrika und Asien: Österreich war für Menschen aus Ungarn das erste (und einzige) sichere Nachbarland, während heute die „Flüchtlinge“ aus Afghanistan, Tschetschenien, Pakistan sowie aus der gesamten arabischen und afrikanischen Welt schon in vielen anderen Ländern in Sicherheit gewesen sind, bevor sie nach Österreich gekommen sind. Sie haben Österreich als jenes Land ausgewählt, das (heute) eines der üppigsten und verschwenderischsten Wohlfahrtssysteme der Welt hat, wo von Grundsicherung bis Mindestsicherung (wozu noch viele andere Gratis-Zusatzleistungen des Gastgeberlandes wie etwa die Gesundheitsversorgung kommen) ihnen alles wie in einem Schlaraffenland vorkommt.
  7. Besonders interessant sind die Zahlen: Die rund 180.000 Menschen, die 1956 und 1957 aus Ungarn nach Österreich gekommen sind, sind zwar mehr als die rund 125.000 Afrikaner und Asiaten, die 2015 und 2016 in Österreich Asyl angesucht haben (oder es bis Jahresende noch werden). Allerdings, um seriös zu vergleichen, muss man bei dieser aktuellen Zahl auch jene Million illegaler Migranten dazurechnen, die in diesen zwei Jahren ebenfalls nach Österreich gekommen, dann aber gleich weitergezogen sind. Weiters müsste man aber auch noch eine unbekannte Dunkelziffer an Menschen dazurechnen, die 2015 unkontrolliert nach Österreich gekommen und nie registriert worden sind, die aber seither hier in ihren nationalen oder islamischen Communities leben. Damit würde jeder echte Vergleich zeigen, dass die gegenwärtige Völkerwanderung quantitativ wie qualitativ um ein Vielfaches heftiger ist als die damalige Flucht aus einem unmittelbaren Nachbarland.
  8. Noch dramatischer wird der Vergleich, wenn man sich anschaut, wie viele der Ungarn in der Folge weitergezogen sind, und zwar auf völlig legalem Weg mit allen nötigen Erlaubnissen und Dokumenten der Zielländer: Am Ende sind nicht einmal 15 Prozent der ursprünglich gekommenen 180.000 dauerhaft in Österreich geblieben. Dort sind sie bald ein meist sehr wertvoller Teil der Gesellschaft geworden. Sie waren bis auf Sprache beziehungsweise Akzent kulturell binnen kurzem total integriert. Was bei 90 Prozent der jetzigen Völkerwanderer mit Sicherheit auch binnen langem nicht gelingen wird.
  9. Schließlich war es auch in den folgenden Jahrzehnten der kommunistischen Diktatur gelungen, die Beziehungen Österreichs zu Ungarn – relativ! – konfliktfreier zu gestalten als jene zu den anderen kommunistischen Nachbarn Tschechoslowakei und Jugoslawien.
  10. Würde man die vielen und engen österreichisch-ungarischen Bezugspunkte historisch weiter zurückgehend aufzählen, dann würde das überhaupt gleich ein ganzes Buch füllen (von der Schlacht am Lechfeld über Kossuth, die Befreiung von den Türken, Rakoczi, Tököly, Kossuth, den Ausgleich 1967 bis zur Rolle des Burgenlandes, das ja Teil der ungarischen Monarchiehälfte gewesen ist).

An all das könnte und sollte Österreich in diesen Tagen erinnern. Aber es tut das nicht, obwohl hierzulande ununterbrochen Jubiläen und Gedenktage gefeiert werden. Aber die österreichische Linke hat  aus Solidarität mit ihren bei den Wahlen jämmerlich geschlagenen ungarischen Parteifreunden die Regierung Orban zu einem fürchterlichen Dämon zu stilisieren beschlossen. Da darf Ungarn nicht positiv vorkommen. Und die heutige ÖVP steht in ihrem feigen Opportunismus ihrer regierenden Schwesterpartei lange nicht so mutig und unbeirrt beiseite, wie etwa die CSU es tut. Wie es die CSU übrigens auch im Jahr 2000 gegenüber Österreich getan hat, als die Sozialisten Sanktionen gegen Österreich organisiert haben.

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