Als Bundeskanzler Christian Kern letzte Woche im Parlament 24 Minuten auf die Budgetrede des Finanzministers replizierte, wurde er an einer Stelle emotionaler und im Redefluss schneller: Er verteidigte engagiert die Investitionen bei den ÖBB, wo er sich wegen seiner früheren Tätigkeit auskenne, und sprach von einem Durchläufer, da mit diesem Geld Aufträge an die österreichische Wirtschaft – namentlich Kapsch und Siemens – vergeben würden.
Siehe da, der Kanzler verließ plötzlich den ausgetrampelten Weg einer Ideologie, die seit Jahren im Konsum und nicht in den Investitionen die Mutter allen Wirtschaftens erkannte. Seit Jahren hören wir bekanntlich, dass die Wirtschaft angekurbelt werde, wenn man den Konsum stärke – als könne man sich reich essen und trinken. Daher sei die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer eine richtige Maßnahme zur Belebung der Volkswirtschaft. Ich halte dieses Diktum für teilweise richtig und für teilweise falsch. Richtig ist, dass es für eine Ökonomie von Vorteil ist, wenn die Bürger über mehr und der Staat über weniger Geld verfügt (wenn wir bei einer Staatsquote von weit über 40% liegen). Daher sollten meiner Ansicht nach die Steuersätze viel intensiver gesenkt werden. Falsch ist die Aussage insofern, als sie die Investitionen völlig vernachlässigt (die für etatistisch geprägte Politiker ja sowieso immer nur öffentliche – und damit gute – sein sollen).
Wenn Kern nun Investitionen als Wirtschaftsmotor verteidigt, erinnert dies irgendwie (jeder Vergleich hinkt) an das Konzept der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, das nach den keynesianisch geprägten 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Mode kam, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Damals hieß es, dass man den Unternehmen – etwa durch Steuersenkungen und Deregulierung – Anreize zu Investitionen bieten müsse, sodass diese mehr produzieren und damit Arbeitsplätze schaffen können. Dadurch steige auch der allgemeine Wohlstand.
Wenn man davon absieht, dass der Begriff „Durchläufer“ in diesem Zusammenhang verfehlt ist, hat Kern mit der namentlichen Erwähnung mehrerer Großunternehmen noch einen anderen bemerkenswerten Akzent gesetzt: Mitten in der parallel zum Budget geführten Debatte um CETA, in der Konzerne wieder einmal als Ersatzteufel herhalten müssen, hat er sich klar auf deren Seite gestellt.
Nein, ich bin nicht der Ansicht, dass Kern der Supply-side zuzurechnen ist, dass er sich vom Linkspopulismus abgewandt habe und dass das antikapitalistische Mütchen gekühlt sei. Er redet einfach viel, wenn der Tag lang ist.
Dr. Georg Vetter ist selbständiger Rechtsanwalt in Wien. Er ist Nationalratsabgeordneter der ÖVP.