Wer wird heutzutage eigentlich noch Politiker? Diese Frage stellen sich die Menschen immer häufiger, denn eigentlich kann man in diesem Beruf nur verlieren. Geht man nach links, protestieren die einen, tut man selbiges nach rechts, empören sich die anderen. Und dümpelt man irgendwo in der politischen Mitte durch die Gegend, so sind hiermit keine Wähler mehr zu fangen.
In der Tat stellen sich nicht nur viele Wähler diese Frage sondern auch namhafte Expolitiker unseres Landes, so wie dieser Tage Hannes Androsch, der das intellektuelle Niveau der politischen Spitze bezweifelt.
Nun gut, die Entscheidung jener, die solch einen Beruf in der heutigen Zeit ernsthaft ins Auge fassen, setzt bereits ein gewisses Maß an Wahnsinn voraus. Zu glauben, sich damit tatsächlich einen Lorbeerkranz verdienen zu können, geht über simplen Wahnsinn allerdings weit hinaus. Gab es früher eine positive Korrelation zwischen der Tiefe eingeprägter Gesichtszüge und persönlicher Reife, so hat sich diese mittlerweile zu einer negativen gewandelt. Und dieses Phänomen scheint weltweit um sich zu greifen.
Während Donald Trump zwar reich an Jahren ist, wird ihn wohl kaum jemand als selbstreflektierte, weise Person bezeichnen. Es scheint, als hätten nicht nur seine Haare aufgehört zu wachsen. Aber auch in der heimischen Politlandschaft hat so einiges aufgehört zu gedeihen. Man stellt sich unwillkürlich die Frage, ob es dies eigentlich jemals getan hat?
Negativauslese in der Politik
Hannes Androschs Aussage im Rahmen eines Interviews mit der Tageszeitung „die Presse“ und die damit verbundene Diagnose "Offenbar gibt es in wichtigen politischen Kreisen ein unglaubliches intellektuelles Defizit" trifft den Nagel auf den Kopf und spricht vielen aus der Seele. Das Thema der politischen Personalentwicklung und Qualitätssicherung hat leider bei kaum einer Partei richtig gegriffen. Selten bis gar nicht werden, egal bei welcher Partei oder Parteiakademie, die Persönlichkeit, soziale Kompetenz und auch die kognitiven Voraussetzungen der Kandidaten evaluiert.
Stattdessen spielen Anpassungsfähigkeit, Vermeidung von Beiträgen, die anecken könnten, sowie das unreflektierte Reproduzieren politischer Floskeln der jeweiligen Bewegung eine zentrale Rolle im Prozess in Richtung eines braven Parteisoldaten. Für einen neuen Typus des Politikers scheint es keinen Platz zu geben in Zeiten eines allumfassenden Konsenses der Mittelmäßigkeit, der sich sowohl auf der inhaltlichen, wie auch auf der Ebene der Kompetenzen reproduziert. Getreu dem Motto: „Tust Du mir nicht weh, tu ich Dir nicht weh.“
Am Ende entscheidet jedoch immer der Souverän, nämlich der Bürger und der ist nicht so oberflächlich, wie so manche glauben mögen. Vielleicht sind die Wähler manchmal träge und ein politischer Wandel braucht seine Zeit. Aber früher oder später reagiert die Volksseele und trifft eine dafür umso deutlichere Entscheidung, wie die Bundespräsidentenwahl im ersten Wahlgang und in den darauf folgenden eindrucksvoll bewiesen hat. Dann kann es auch passieren, dass die einstigen Großparteien zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen.
Es stellt sich die fundamentale Frage, wann sich die Parteistrategen anstatt auf Agenturen wieder auf klassische Basics, wie die persönliche Substanz ihres politischen Personals und auch die damit verbundene Nachwuchsförderung analog zum Spitzensport, besinnen werden. Mit der von Hannes Androsch angeregten Analyse des intellektuellen Defizites in den eigenen Reihen wäre einmal anzufangen.
Böse wäre es da, nicht nur nach einem Bildungskompass für die Kinder sondern vielmehr auch nach einer fundierten Analyse des Potenzials unserer Politiker zu fragen. Den Entwicklungsstand unserer Politiker zu erfassen, wäre für unsere Gesellschaft durchaus sinnvoll. Denn was für unsere Kinder gelten soll, kann doch auch für unsere Politiker nur gut genug sein. Als gelernter Österreicher weiß man aber, dass in diesem Punkt eine klare Solidarität über alle Parteigrenzen hinweg erwachen würde.
Daniel Witzeling, (*1985) Psychologe und Sozialforscher.
Leiter des Humaninstituts Vienna. Als Sozialforscher beschäftigt er sich
mit Problemstellungen rund um die Themenfelder Personalauswahl und Personalentwicklung und der Analyse von menschlichen Potenzialen national und international. Aktueller Forschungsschwerpunkt ist politische Personalentwicklung.