Nigel Farage hat am Montag, dem vierten Juli, seinen Rücktritt als Parteichef der EU-kritischen UKIP (United Kingdom Independent Party) bekanntgegeben. Die Reaktionen der heimischen Politlandschaft darauf fielen erwartungsgemäß aus. Von ganz weit links (Robert Misik via Twitter) bis Mitte links (Claudia Gamon via Facebook) war etwa die Rede von „Geisterfahrerflucht“. Othmar Karas gab gar zu Protokoll: „Die Zündler schleichen sich davon. […] Erst richten Sie (gemeint sind die Brexit-Befürworter, Anm.) einen Scherbenhaufen an und dann wollen sie sich an den Aufräumarbeiten nicht beteiligen“. In den Kommentaren der Onlinezeitungen liest man von Verantwortungslosigkeit, von einem Paradebeispiel eines Rechtspopulisten der sich nicht der Aufgabe stellen würde und der, nun, da er Chaos verursacht habe, das Weite suche.
Ich sehe den Sachverhalt völlig anders geartet. Zwar bedauere ich den Verlust eines charismatischen Politikers, der sich entschieden gegen diese Form der EU ausgesprochen hat, der fast wie eine Galionsfigur der europaweiten EU-kritischen Bewegungen wirkte, aber in erster Linie habe ich großen Respekt vor seiner Entscheidung. Respekt davor, dass ein Politiker nicht am Futtertrog kleben bleibt, sondern sich nach getaner Arbeit von der politischen Bühne (zumindest weitestgehend) verabschiedet. Zwei Aussagen Farage's hiezu sind bemerkenswert: „Ich habe meine Mission erfüllt“ und „Ich war noch nie und wollte auch nie ein Karrierepolitiker sein“. Derartige Statements sind mittlerweile sehr selten geworden, im politischen Alltag der Sesselkleber und Berufspolitiker, vielleicht rühren die heftigen Reaktionen darauf auch daher.
Nun mag man vom sogenannten „Brexit“ halten was man will, Nigel Farage hat jedenfalls tatsächlich seine Mission weitestgehend erfüllt. Lange Zeit bestenfalls belächelt, war er letztlich, zusammen mit Boris Johnson und Iain Duncan Smith das Gesicht und die treibende Kraft der Brexit-Befürworter. Die Unkenrufe, es sei doch feige, sich jetzt zurück zu ziehen und er solle zu seiner Verantwortung stehen, gehen ins Leere. Nigel Farage bekleidet weder ein Regierungsamt noch sitzt er im britischen Parlament. Es ist auch völlig unrealistisch, dass ihm die verfeindeten Tories plötzlich ein solches Amt anbieten werden. Er ist also schlichtweg nicht in der Position, um etwa federführend die Austrittsverhandlungen zu leiten oder ähnliches zu tun.
Im EU-Parlament, hingegen, hat er nach wie vor ein Mandat inne und er hat auch angekündigt, von dort aus „wie ein Falke“ genau beobachten zu wollen, ob das Austrittsverfahren auch ordnungsgemäß ablaufen wird. Zudem hat er in Aussicht gestellt bei Verhandlungen zum Austritt mitwirken zu wollen, so seine Hilfe benötigt werde. Was kann er also noch mehr tun, als, seiner Funktion entsprechend, das Beste geben um den Austritt zu gewährleisten?
In Wahrheit nicht viel. Das „Problem“, das sich nach dem Brexit stellt, ist vielmehr, dass die britische Regierung nun ein Votum umsetzen muss, von dessen Ergebnis sie selbst nicht überzeugt ist und gegen das sie massiv geworben hat. In Österreich, dem Land, in dem „Haltung“ (was nur ein Euphemismus für „Sturheit“ oder „ideologischen Starrsinn“ ist) so populär zu sein scheint, ist so etwas kaum vorstellbar.
Dabei könnte eine derartige Situation geradezu eine Sternstunde der Demokratie werden. Politiker könnten beweisen, dass sie in erster Linie gewählt worden sind, um den Willen des Volkes umzusetzen und eben keine narzisstische Selbstdarsteller sind, die sich selbst und ihr Weltbild zu wichtig nehmen und getreu dem Motto handeln: L'État, c'est moi (Der Staat bin ich)! Wir werden sehen, wie weit die Briten in dieser Hinsicht sind.
Martin Holzmann ist 26 Jahre alt und studiert an der BOKU in Wien Forstwirtschaft. Er hat zwei Jahre Beiträge für die Rubrik "Meinjung" der Salzburger Nachrichten geschrieben.