Stabile Konjunktur, politische Sicherheit, ein hohes Zinsniveau und niedrige Inflationserwartungen, waren stets Gift für den Kurs des gelben Edelmetalls. Von alledem kann derzeit allerdings weltweit keine Rede sein. Die Konjunktur schwächelt – besonders in den USA und in Japan, wo seit Jahren eine extrem expansive Geldpolitik betrieben wird. Mit der Notenpresse lassen sich strukturell bedingte Krisen eben nicht lösen, was inzwischen auch Otto Normalverbraucher zu begreifen beginnt.
Von politischer Stabilität ist die Welt seit dem Zerfall der Sowjetunion ebenfalls weiter entfernt als je zuvor: Krisenherde, wohin das Auge blickt. Im Nahen Osten toben (Bürger-)Kriege und auch im südchinesischen Meer dräuen militärische Auseinandersetzungen. In der Türkei und in Nordkorea sind unberechenbare Kriegstreiber am Ruder. Und mit Hillary Clinton im Weißen Haus wird das demnächst wohl auch in den USA der Fall sein. Die Sozialsysteme werden zunehmend unfinanzierbar und wir erleben eine nach Europa strebende Völkerwanderung, die alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt und eben im Begriff steht, weiter an Intensität zuzunehmen.
Die Zinsen bewegen sich auf Nullniveau oder gar darunter, was festverzinsliche Anlagen naturgemäß uninteressant oder gar kontraproduktiv macht. Die hemmungslose Geldproduktion, das spüren auch in Fragen der Geldpolitik völlig unbedarfte Zeitgenossen, wird früher oder später in einer galoppierenden Geldentwertung münden.
All das schafft Unsicherheit und lässt das in den letzten Jahren wenig geliebte, als „Krisenversicherung“ aber geschätzte Edelmetall wieder kräftig glänzen. Seit dem Austrittsvotum der Briten ist der Goldkurs auf einem beeindruckenden Marsch nach oben – ein offensichtlich durch die Verunsicherung der Anleger bedingtes Phänomen. Doch auch schon Monate vor dem Brexit – im ersten Quartal des Jahres 2016 – konnten sich die Goldanleger über eine Wertsteigerung von rund 20 Prozent und damit über die größte Kurssteigerung der letzten 30 Jahre freuen. Die im Gefolge des Brexit herrschende Konfusion der Anleger wird den Kurs weiter beflügeln, wie der Goldexperte und Fondsmanager Ronald Stoeferle in seinem jüngst publizierten „Goldreport 2016“ erklärt.
(Gratisdownload der Kurzversion: http://www.incrementum.li/wp-content/uploads/2016/06/In_Gold_we_Trust_2016-Short_Version_D.pdf )
Dass Gold keine Zinsen bringt, ist ein häufig gegen Goldanlagen ins Feld geführtes Argument. In unseren Zeiten real negativer Zinsen zählt das indes längst nicht mehr. Gold kostet nämlich immerhin keine Negativzinsen! Auch die zunehmenden Aktivitäten zur immer stärkeren Beschränkung der Bargeldverwendung lassen die Alarmglocken schrillen und viele besorgte Anleger nach Alternativen Ausschau halten, die vor willkürlichen Enteignungen durch raublustige Regierungsbürokraten schützen.
Nach Stoeferles Meinung haben uns die Zentralbanken mit ihrer seit der Lehman-Pleite im September 2008 betriebenen lockeren Geldpolitik in eine Doppelmühle manövriert: Einerseits kann, da keinerlei strukturellen Reformen erfolgen, durch monetäre Maßnahmen kein selbsttragender Konjunktureffekt ausgelöst werden. Zudem wird damit der Bildung von Blasen, etwa im Immobilienbereich, und einer allgemeinen Verzerrung der Wirtschaftsstruktur Vorschub geleistet. Andererseits könnten steigende Zinsen die Zahllast hochverschuldeter Staaten und Unternehmen auf ein Niveau treiben, das nicht mehr zu stemmen ist, und daher serienweise Bankrotte auslösen. Ein Dilemma.
Der Experte beziffert das Kursziel für eine Feinunze Gold bis Juni 2018 mit 2.300 Dollar. Derzeit (am 7.7.2016 um 11:00 Uhr) notiert die Unze bei 1.367,33 Dollar.
Diese Prognose basiert auf der Annahme, dass die Notenbanken ihr „monetäres Vabanquespiel“ fortsetzen werden – gefangen im von den politischen Eliten gepredigten Mantra der „Alternativlosigkeit“ ihrer keynesianisch-planwirtschaftlichen Exzesse.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.