Die Gewitterwolken haben sich verzogen. Mehr als drei Wochen nach dem Votum der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union ist es angemessen, grundsätzliche Überlegungen zum derzeitigen Status der EU, zu den von ihr transportierten politischen Agenden, zur Krise Europas und zu den Möglichkeiten, die sich katalytisch aus dem Brexit für eine Erneuerung Europas ergeben könnten, anzustellen.
Die unmittelbare Zeit nach der Brexit-Abstimmung war vernebelt vom Überraschungszustand der Brexit-Befürworter aufgrund ihres eigenen Sieges, von geschürten Ängsten der Bevölkerungen Englands und der anderen EU-Staaten und von Verächtlichmachung, Desinformation und Drohungen, mit denen die EU-Gewaltigen England entgegengetreten sind, wohl auch, um jede Vorbildwirkung für andere EU-Mitgliedstaaten im Keim zu ersticken. Inzwischen haben sich „die Märkte“ wieder weitgehend beruhigt, hat England personalpolitische Klarheit an seiner Spitze geschaffen und haben sich sämtliche Phantasien über eine Wiederholung der Volksabstimmung oder eine mögliche Verweigerung der Umsetzung des Volksentscheides in Luft aufgelöst.
Was sind „Europäische Eliten“?
Lange in Erinnerung bleiben wird aber das Verhalten der EU-Mächtigen und ihrer nationalen Vasallen, die im Ärger über den Wahl-Ausgang ihre hässliche Fratze gezeigt haben und damit einen Einblick in ihre wahren Absichten gegeben haben.
Der Europäischen Union verdanken wir einen vollständigen Bedeutungswandel eines wichtigen, in allen europäischen Sprachen verankerten soziologischen Begriffs: Noch vor wenigen Jahren stand das Wort „Elite“ für jene gesellschaftliche Minorität, die sich durch besonders vorzügliche Eigenschaften hervorheben würde und diese Vorzüge auch zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen bereit wäre. Das Begriffsfeld der „Elite“ verband stets Aspekte der überlegenen Bildung und des Kenntnisreichtums mit moralischer Integrität, Verantwortungsbewusstsein und Einsatzwillen, und all dies in Verbindung mit einem gewissen Formalstatus. Auch die Eigenschaften der Bescheidenheit und der Opferbereitschaft gehörten gemeinhin zum Weichbild des Elitebegriffs.
Wer heute das Wort „Elite“ benutzt, meint eigentlich beinahe das gerade Gegenteil: Einzig, dass es sich bei dieser Gruppe um eine Minderheit handelt, die einen formalen Status von Macht und Einfluss besitzt, ist mit der alten Bedeutung noch deckungsgleich. Ansonsten steht die „Elite“ heute für eine abgehobene, dünkelhafte Herrscherklasse, die sich berechtigt fühlt, die unmündigen Untertanen auch gegen deren Willen zu einer Neuordnung der Gesellschaft und des ganzen Kontinents zu zwingen, von der behauptet wird, dass sie irgendwie moralisch überlegen, funktional leistungsfähiger und angesichts der unumkehrbaren Entwicklungen dieser Welt alternativlos sei.
Dieser Elite fühlen sich nicht nur politische Entscheidungsträger und Funktionäre der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, sondern auch Verfügungsberechtigte großer wirtschaftlicher Syndikate und Vermögenswerte sowie der systemrelevanten Medien und anderer Teile der Bewusstseinsindustrie zugehörig. Dazu zu zählen sind somit insbesondere auch Intellektuelle und Hochschullehrer, Künstler, Unterhaltungsspezialisten und sogenannte Kreative aller Art, insoweit sie sich berufen fühlen, die Agenda der Totaltransformation der europäischen Gesellschaften mit der Durchsetzung einer metapolitischen Universalideologie zu unterstützen beziehungsweise erst möglich zu machen.
Da dieses Projekt als ein Kampf der absolut „Guten“ gegen die absolut „Bösen“ begriffen wird, fühlen sich die Angehörigen der neue Elite berechtigt, ihre Herrschaft und ihre Verfügungsgewalt über die Ressourcen der Gemeinschaft auch mit Mitteln abzusichern, die mit demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar sind. Für die Angehörigen der neuen Elite ist weiters die Inanspruchnahme eines prallen und hedonistischen Lebensstils charakteristisch, in dem sie sich durch das exklusive Wir-Gefühl der gesellschaftlichen Avantgarde verbunden wissen.
Was sich heute als „Elite“ begreift, ist also viel eher das, was im Sowjetkommunismus als „Nomenklatura“ bezeichnet wurde: Die totalitären Mächtigen und ihr verzweigter virtueller Hofstaat.
Beispiellose Ignoranz und Abgehobenheit
Die Elite selbst hat den Bedeutungswandel des Wortes für ihre eigene Bezeichnung noch nicht begriffen. Am 22. Juni verstieg sich der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck zu folgender verblüffender Einschätzung: „Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem.“
Nach der klaren 52:48-Entscheidung der britischen Bevölkerung zugunsten eines Austritts aus der EU ließ der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler seiner Entrüstung und seinem Entsetzen freien Lauf: Er könne gar nicht verstehen, wie die Bevölkerung sich so sehr gegen die Vernunft vergehen konnte, wo sich doch die gesamte Elite für den Verbleib in der EU ausgesprochen hätte. Zwischen diesen beiden Manifestationen elitären Selbstverständnisses lag nicht nur die Brexit-Entscheidung selbst, sondern ein ganzes Geschwader aggressiver Angriffstorpedos, mit denen die Vertreter der reinen (EU-)Lehre den vermeintlichen Verrat der Briten angriffen.
Von den Nebengeräuschen dieser Torpedos blieb auch die österreichische Szene nicht verschont. In der Sonntags-„Presse“ nach dem Brexit-Tag (26. Juni) beispielsweise verständigten sich Wolfgang Schüssel, Ulrike Lunacek, der EU-Lobbyist Gerald Knaus und die wohlsubventionierte Schriftstellerin Lydia Mischkulnig auf eine scharfe Gangart gegen Separatismus und EU-Abweichlertum. Schüssel brandmarkte den Brexit-Entscheid als das Aufgehen der „Drachensaat“ jener, die sich jahrelang nur zu einem „Ja, aber“-Europa bekennen wollten. Konsequenterweise definiert Mischkulnig die „Brexit-Fehlentscheidung“ als „Produkt von Demagogen und Populisten“, deren „Führerparteien“ die „nationale Abschottung“ mit „Fascho-Symbolen“ eingewinkt hätten, die „der Mob“ benötigen würde.
Dagegen nimmt sich Lunaceks Attacke gegen die „brandgefährlichen Nationalismen“ geradezu harmlos aus – besonders, wenn man in Rechnung stellt, dass ein „funktionierender Mechanismus zu Überwachung der Europäischen Werte“ im Stil einer Gesinnungspolizei mit Sondervollmachten zu ihrem europapolitischen Selbstverständnis gehört (vgl. Paneuropa Österreich, Mai 2016). Knaus unterstellt den EU-Kritikern „Engstirnigkeit“, „Sündenbock-Denken“ und den vielzitierten „Glauben an einfach Lösungen“. Er ist damit ein Repräsentant der jahrzehntelangen, phantasielosen Leier der immer und immer wieder gedroschenen Totschlag-Phrasen zur Immunisierung der EU gegen jedwede Kritik.
Verunsicherung durch Propaganda-Bluff
Im Stile der Wohlfühl Propaganda „Gemeinsam statt einsam“, gegen Kleinstaaterei, Engstirnigkeit, nationalen Egoismus, Spaltung usw., hat die Elite seit Jahrzehnten jede konstruktive Auseinandersetzung mit den Defiziten der EU erfolgreich unterbunden und damit Korrekturen des Konzepts sabotiert, als diese vielleicht noch möglich gewesen waren.
So wurden auch Brexit-Wähler, und pauschal gleich alle Briten, in zahllosen Beiträgen als Zerstörer der geheiligten Ordnung stigmatisiert. Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses haben die Büttel der Eurokratie gezielt für Verunsicherung gesorgt: Die Briten hätten, geschockt über die Folgen ihres Fehlverhaltens, innerhalb von Stunden ihre Meinung radikal geändert; eine Wiederholung der Abstimmung würde ein ganz anderes Ergebnis zeitigen. Innerhalb einer Nacht wären 420 Milliarden Euro vernichtet worden – als Folge der plebiszitären Fehlentscheidung. Die Briten müssten, nachdem sie sich an der EU vergangen hätten, nunmehr radikal bestraft werden, indem man sie im Zuge der Austrittsverhandlungen die maximalen Folgen ihrer „isolationistischen und egoistischen Politik“ spüren lassen müsse. Eine parlamentarische Umsetzung des EU-Austritts sei zu verweigern, die englischen Abgeordneten müssten ihrer Verantwortung für das europäische Ganze gerecht werden – insbesondere, da die Briten ihre Meinung sowieso schon wieder geändert hätten. Und Volksabstimmungen dieser Art seien in Zukunft generell zu verbieten. „Wozu gibt's gewählte Volksvertreter, wenn's ernst wird?“ (Schüssel)
Antidemokratische Elite
Im Versuch der Delegitimierung des Brexit -Volksentscheids bewiesen und beweisen die Angehörigen der Elite ihre radikal antidemokratische Grundhaltung. Aber noch viel mehr: Viele von ihnen zeigen bei dieser Gelegenheit, dass die Grundmuster faschistischen Denkens in ihren eigenen Köpfen verankert sind und nicht in denen ihrer Gegner. Für den Brexit hätten doch die Ungebildeten, die Alten, die wirtschaftlich Erfolglosen bzw. die „Fortschrittsverlierer“ gestimmt, und ein klares Stadt-Land-Gefälle zeige den „Provinzialismus“ der EU-Skeptiker.
Demgegenüber hätten die Jungen zu 60 Prozent sowie die Gebildeten und Erfolgreichen mehrheitlich und eindeutig für den Verbleib in der EU votiert. (Gesagt wurde dabei natürlich nicht, dass überhaupt nur 24 Prozent der Unter-Dreißig-Jährigen an der Abstimmung teilgenommen hatten). Klar, wo daher die Zukunft liegen würde.
Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wird hier unverblümt mit der Idee gespielt, dass die Stimmen aus bestimmten Bevölkerungsgruppen weniger wert wären, als die aus anderen. Kann man abstreiten, dass diese menschenverachtende Einstellung ganz nah am Diktum vom „Untermenschen“ dran ist?
Angesichts all des Geifers, mit dem die Eliten ihre Kritiker verfolgen, ist es hoch an der Zeit, die seit Jahren verweigerte Diskussion über das wahre Wesen, die Gebrechen und die Zukunft der EU in einer dem Komplexitätsgrad der Materie angemessenen Weise zu führen. Diese wurde bis jetzt von den EU-Befürwortern unter gebetsmühlartigem Absingen primitiver Reklamesprüche und Propagandafloskeln verweigert. Sie, nicht die Kritiker sind es, die angesichts schwierig zu durchschauender Zusammenhänge mit „einfachen Lösungen“ aufwarten.
Das Wesen des „EU-Gebäudes“
Die EU sagt nicht die Wahrheit über sich selbst. Sie ist kein Friedens- Freiheits- und Wohlstandsprojekt. Sie ist es nicht mehr. Ihr Gründungsmythos ist bestenfalls noch Fassade. Hinter dieser Fassade steht ein Gebäude, das von Bewohnern bezogen wurde, die den Gebäudezweck und seinen Ausbau in dramatischer Abweichung von den ursprüngliche Plänen seiner Architekten ausgestaltet haben.
Das heißt nicht, dass das Gebäude von seiner Anlage her nicht für den Nutzungszweck seiner neuen Besitzer geeignet gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Zwar sind das Konzept eines Gebäudes und die Praxis seiner Nutzung zunächst durchaus zwei verschiedene Dinge. Aber mit der Fortdauer seiner Bewohnung rinnen die Gebäudesubstanz und das Leben, das sich in ihr abspielt, fugenlos ineinander. Ein spezifisch benutztes Gebäude strahlt stets den genuius loci aus und dieser erfährt seine Form und Ausprägung durch seine Behausung.
Wenn man das nicht versteht, erschließt sich einem das Wesen der EU und ihre spezifische Zuständlichkeit in der Gegenwart nicht. Die EU ist gleichzeitig ein Planungs- bzw. Konstruktionsprodukt und ein Produkt der schrittweisen Indienstnahme durch einen Geist, der sich unabhängig von ihr während des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts ausgebreitet und etabliert hat. Sie ist das Ergebnis eines Wechselspiels von geplantem Vorhaben und wildwüchsigem Wachstum, und dieses Artefakt ist durchflutet von einer ideologischen Agenda, die aus der jahrhundertealten Revolte gegen die christliche Religion und das von ihr hervorgebrachte Vernunft- und Kulturgefüge resultiert.
Gründerväter und ihre Pläne
Die EU wurde in der heute bestehenden Form von keinem ihrer Gründerväter geplant oder so gewollt. Es ist richtig, dass insbesondere Jean Monnet (und mit ihm Schuman, de Gasperi u.a.) eine syndikalistische Verzahnung der Wirtschaften Europas anstrebte, auf der schrittweise eine unumkehrbare politische Vergemeinschaftung aufgesetzt werden sollte. Ebenso stimmt es, dass Winston Churchill die „Vereinigten Staaten von Europa“ mit transatlantischer Anbindung anstrebte. Aber ebenso sicher wie beide einen einheitlichen Superstaat im Auge hatten, ist es, dass es keine Belege gibt, die dafür sprechen, dass sie damit eine gesellschafts- und kulturpolitische Revolution in der Art betreiben wollten, die heute die Hauptagenda der EU ausmacht.
Delors-Plan, Währungsunion und Maastrichter Vertrag
Bis zum Zeitpunkt des Maastrichter Vertrages (1992) hätte sich die „Europäische Integration“ in eine völlig andere Richtung entwickeln können, als sie es tatsächlich hat. Und selbst nach dieser Zäsur, mit der die Wirtschaftsgemeinschaft in eine politische Union übergeführt wurde, hätte Europa an bedeutenden Weggabelungen eine signifikant andere Ausgestaltung erfahren können, als es heute aufweist.
In der Ratskonferenz von Hannover 1988 wurde die monetäre Zukunft des vereinigten Europas festgelegt. Das Mainstream-Konzept des damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, mit dem eine einheitliche Währung im Zuge einer dreistufigen Konvergenzphase durchgesetzt werden sollte, setzte sich durch. Doch es hatte auch einen alternativen Vorschlag für die Gestaltung eines harmonischen europäischen Währungsraumes gegeben. Margret Thatchers Schatzminister Nigel Lawson setzte sich bereits in den Jahren davor für ein Konzept ein, „das auf den genialen Ideen des österreichischen Nobelpreisträgers Friedrich August von Hayek beruhte“ (Lawson) und das stabile und leistungsfähige Zahlungsmittel durch die Bereitstellung seitens privater, zueinander in Konkurrenz stehender Emittenten vorsah.
Der Sozialist Delors setzte sich gegen Lawson durch, und so entstand die monetäre Bewirtschaftung Europas durch eine zentralistische, ungedeckte Einheitswährung, deren Geldmenge seither aus politischen Motiven hemmungslos ausgedehnt wird und die die Basis einer kontinentalen Umverteilung darstellt. Europa verdankt den Folgen dieser Fehlentscheidung nicht nur eine unglückselige Banken- und Transferunion, sondern auch den Keim der, noch bevorstehenden, größten Wirtschaftskrise aller Zeiten.
Die „Währungsunion“ wurde dann auch expliziter Bestandteil des Maastrichter Vertrages (1992), obwohl es – besonders mit Blickwinkel auf die damals aktuellen Beitrittskandidaten (auch Österreich) – von allen relevanten Entscheidungsträgern in Abrede gestellt wurde, dass die Aufgabe der nationalen monetären Autonomie obligatorischer Bestandteil der EU-Mitgliedschaft wurde.
Dennoch war „Maastricht“ noch keineswegs die formale Grundlage eines Superstaates. Das Vertragskonzept sah völlig unterschiedliche Intensitäten der Zusammenarbeit vor und lässt – eher nur bei nachträglicher Lektüre – bloß in Andeutungen und Ansätzen die mögliche Zielsetzung einer Beseitigung nationalstaatlicher Souveränitäten erkennen. Das berühmte 3-Säulen-Modell sieht neben dem klassischen, verbindlichen EG-Bereich (1. Säule) die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GASP (2. Säule) und die Zusammenarbeit im innenpolitischen und Justizbereich (3. Säule) vor. Für die zweite Säule wurde eine gemischte Verantwortung, für die dritte Säule ausdrücklich eine Letztverantwortung und Entscheidungskompetenz der Mitgliedsstaaten definiert.
Der Bereich Sozialpolitik wurde nur als Absichtserklärung beziehungsweise Grundsatzleitlinie im Rahmen eines Zusatzprotokolls erfasst, der Kulturbereich nur unverbindlich angesprochen. Insbesondere die Segmente Familie/Familienpolitik, Religionsrecht, Einwanderung, Schulpolitik/Ausbildung sowie das Strafrecht blieben von der „europäischen Harmonisierung“ ausgenommen. Nachdem diese Bereiche die entscheidenden politischen Determinanten der Kulturordnung sind, waren damit die Weichen einer kontinentübergreifenden Kulturrevolution vorerst noch nicht endgültig gestellt.
Dies sollte sich mit den EU-Vertragswerken der darauffolgenden Jahre dramatisch ändern.
Der Amsterdamer Vertrag als ideologische Wegmarke
Der Vertrag von Amsterdam (1997) etablierte in seinem berühmten Artikel 13 eine alles umfassende „Antidiskriminierungsagenda“. Bekämpft werden sollten ab sofort alle „Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder des sexuellen Ausrichtung“. Mit der Dogmatisierung des Begriffs „Diskriminierung“ wurde eine mächtige Waffe zur Zerstörung jeder Kulturtradition in Stellung gebracht, die auf dem Bestehenden und Gewachsenen, auf etablierter Normalität, auf Mehrheitsmeinung, auf Differenzierung und objektiver Ungleichheit sowie auf der Unterschiedlichkeit und Ungleichwertigkeit von wirtschaftlichen Leistungsbeiträgen und sozialen bzw. kulturellen Handlungsfolgen beruht.
Unter Diskriminierung wird nicht einfach die Ungleichbehandlung des Gleichen verstanden. Vielmehr wird mit diesem Begriff die differenzierte Sicht, Einschätzung und Behandlung des objektiv Ungleichen inkriminiert, soweit die Ungleichheit selbst als politisch unerwünscht definiert wird. Das Diskriminierungsverbot verbietet es, das politisch unerwünschte Ungleiche ungleich zu sehen und zu behandeln. Die Antidiskriminierungsagenda ist kein gesellschaftspolitisch neutrales Konzept wie beispielsweise das juristische Prinzip der Rechtsfolgengleichheit. Sie ist vielmehr eine normative Konzeption zur Durchsetzung gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen nach dem Wunschbild jener Kräfte, die das gewachsene Kulturgefüge überwinden wollen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinen Urteilsbegründungen mehrfach das Diskriminierungsverbot als „Leitmotiv des EU-Vertrages“ bezeichnet (siehe Gerichtshof der Europäischen Union, C-303/06, C-54/07, C-43/75, C- 177/88, C-14/83, Rat der Europäischen Union 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG).
Dies hat dramatische und nachhaltige Konsequenzen für die Dynamik der kulturellen und gesellschaftspolitischen Umgestaltung EU-Europas. Die Antidiskriminierungsagenda hat sich als Turbo für die Ausbreitung und Einwurzelung des Islam, für die Verstärkung des Zuwanderungsdrucks und die Beförderung der Interessen von Asylwerbern, Wirtschaftsflüchtlingen und Sozialmigranten sowie als Instrument zur Beschädigung der Familie und zur Forcierung des homosexuellen Lebensstils erwiesen.
Der Amsterdamer Vertrag als Grundlage der Kulturrevolution
Neben dem Antidiskriminierungsdogma hat der Amsterdamer Vertrag weitere Grundpfeiler der Kulturrevolution einzementiert:
Zum „schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit der Sicherheit und des Rechts“ sollen die Bereiche „Asyl und Einwanderung sowie der Schutz der Rechte von Staatsangehörigen dritter Länder“ (Art. 73 i) vergemeinschaftet werden. Weiters wird die „Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen und vertriebenen Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten...“ (Art 63) urgiert. Ferner soll der Kampf gegen „Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ zum Gegenstand einer gemeinsamen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit gemacht werden (Art. 29).
Der Vertrag von Nizza und die Strukturdeterminanten der EU
Der nächste Schritt in der Entwicklung der EU wurde mit dem Vertrag von Nizza (2001) vorgenommen. Nach der Implementierung radikaler ideologischer Positionen im Amsterdamer Vertrag wurden nunmehr die formalen und institutionellen Voraussetzungen für eine weitere Verstärkung der „horizontalen und vertikalen Integration“ grundgelegt. Rat, Kommission und Parlament wurden vergrößert bzw. in ihren Stimmgewichtungen verändert. Insbesondere wurde das Einstimmigkeitsprinzip zugunsten von „Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit“ weitgehend zurückgedrängt, um Ländern bzw. Regierungen, die eine weitere Entnationalisierung nicht mehr mittragen wollen, künftig keine Möglichkeit einer Blockade mehr zu geben. Um den Druck auf die Mitgliedsstaaten zu erhöhen, wurde auch ein Mechanismus zur Anwendung von Sanktionen gegen unbotmäßige Länder etabliert (Art 6), nachdem sich herumgesprochen hatte, dass die seinerzeitigen, skandalösen „Sanktionen der EU-14 gegen Österreich“ (Jänner bis September 2000) jeder Rechtsgrundlage entbehrt hatten. Die EU fühlte sich damit fit für die nächste Runde der Aufnahme weiterer Beitrittskandidaten.
Der Lissabonner Vertrag und die Komödie seiner Ratifizierung
Ein weiterer gesellschafts- und kulturpolitischer Transformationsschritt wurde mit dem Lissabon-Vertrag vorgenommen. Bereits seine Entstehungsgeschichte muss als geradezu bizarr und als Kulminationspunkt des antidemokratischen Wesens der EU begriffen werden. In einem „Verfassungskonvent“ unter Valéry Giscard d'Estaing wurde ein „Vertrag über eine Verfassung für Europa“ ausgearbeitet. Dieser war als ultimativer und unumkehrbarer Übergang vom Staatenbund zum Superstaat geplant, denn eine Verfassung zu besitzen, ist definitiv die exklusive Eigenschaft eines Staates.
Während die meisten Mitgliedstaaten diese substantielle Veränderung einfach im Rahmen von Parlamentsbeschlüssen vollzogen, scheiterte die Ratifizierung zunächst an den Referenden in Frankreich und Holland. Diese wurde, nach einer „Reflexionsphase“, zunächst ganz ohne Beteiligung der Völker Europas, 2007 per Vertragsunterzeichnung in Lissabon widerstandslos einbegleitet. Allerdings musste dieser Akt von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden, was mit einer Ausnahme durch die nationalen Parlamente erfolgte. Diese Ausnahme war Irland, wo die Zustimmung in einer Volksabstimmung 2008 verweigert wurde. Nach großem internationalem Druck und nach einer Propagandaoffensive der irischen Herrschaftselite wurde diese Abstimmung 2009 wiederholt, und sie brachte das von EU-Europa erwünschte Ergebnis.
Integraler Bestandteil der de-facto-Verfassung wurde die unter Roman Herzog ausgearbeitete (1999/2000) Grundrechte-Charta, die bereits 2000 vorsorglich „feierlich proklamiert“ worden war.
Die Grundrechte-Charta weicht in vielerlei Hinsicht rechtsdogmatisch von den historischen Sammlungen der Grund- und Freiheitsrechte ab. Diese stellten auf den Schutz der Freiheit und Privatautonomie des Bürgers vor einem zu Machtmissbrauch und Ressourcenverbrauch tendierenden Staat ab. Die EU-Charta hingegen begründet diesen Allmachtsanspruch geradezu durch „soziale Rechte“. Und sie kleidet ihre gesellschafts- und kulturpolitischen Umgestaltungsabsichten in sogenannte „europäische Werte“, die sie zur Gemeinschaftsgrundlage stilisiert und die damit jedem Zweifel entzogen werden sollen.
Das Prinzip der Nichtdiskriminierung wird um das Kriterium der Staatsangehörigkeit ausgeweitet, womit die Grundlage für das Projekt geschaffen wird, Fremde mit Staatsbürgern nicht nur in rechtlichen, sondern auch in sozialen und wirtschaftlichen Belangen gleichzusetzen. (Art. 21/2) Indem die sogenannte „Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen“, die keineswegs auf ihre Zugehörigkeit zum europäischen Kulturkreis beschränkt werden, zu einem europäischen Höchstwert hochstilisiert werden, wird der Diktatur des Relativismus und dem Phantasma der „Multikulturellen Gesellschaft“ die Schneise gebrochen.
Lissabon-Vertrag und Superstaat
Der Lissabon-Vertrag selbst leitet definitiv das finale Stadium der Entstehung eines einheitlichen Superstaates ein, der der Durchsetzung eines ganz spezifischen Staatszieles denominiert ist. Diesem Konzept wird sowohl in institutioneller Hinsicht als auch im Hinblick auf die Formulierung der Unionsziele und Unionskompetenzen Rechnung getragen. Der Lissabon-Vertrag hat den ursprünglich geplanten allerletzten Schritt in die „Vereinigten Staaten von Europa“ noch nicht vorgenommen, weil die Ratifizierungskrise gezeigt hatte, dass die objektiven und subjektiven Bedingungen dafür noch nicht vorhanden waren.
Um denjenigen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die das Diktat eines europäischen Zentralstaates fürchteten, wurde mit dem Artikel 3a sogar eine Formulierung aufgenommen, die den Anschein des Schutzes nationalstaatlicher Integrität erweckt: „Sie (die EU, Anm.) achtet die grundlegenden Funktionen des Staates; insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der nationalen Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung einzelner Mitgliedstaaten.“
Diese Formel widerspricht einer Reihe anderer, weitaus operativerer Passagen in diesem Vertrag (siehe beispielsweise die gesetzgeberischen Kompetenzen der EU zu den Themen Justiz, Innenpolitik und Zuwanderung sowie Art. 205-227 über das „Auswärtige Handeln der Union“). Aber sie macht den Gesamttext für viele annehmbar und beseitigt potentiellen Widerstand gegen den allerletzten Akt der Verschmelzung.
Der Lissabon-Vertrag macht die EU zur eigenen Rechtspersönlichkeit. Seine Institutionenreform brachte mit dem „ständigen Präsidenten des Rates“ und dem „Hohen Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik“ zwei weitere Symbolfiguren eines offensichtlich quasistaatlichen Herrschaftsgefüges. Und die Festlegung der Unionsziele und Unionskompetenzen präformieren die Agenda, die in Zukunft betrieben werden soll: Von sozialen Grundrechten, sozialem Fortschritt und sozialer Gerechtigkeit ist hier ebenso die Rede wie vom Ziel der Vollbeschäftigung und des Wirtschaftswachstums sowie vom Ziel der staatlichen Daseinsvorsorge und der Versorgungssicherheit auf dem Energiesektor.
EU-Superstaat und Agenda-Exzess
Zur richtigen Bewertung des Ziel- und Kompetenzgefüges der EU ist folgende Feststellung erforderlich: Kein Staat oder Staatsgefüge der Neuzeit hat die Staatsziele und -kompetenzen in seiner Verfassung in einem ähnlichen Umfang und in einer ähnlichen Dichte und Tiefe definiert wie die Europäische Union. Das gilt sowieso und in besonderer Weise für klassische liberale Verfassungsstaaten und demokratische Republiken, die sich stets fast ausschließlich auf die Beschreibung der politischen Institutionen, auf das Gefüge und die Prozeduren politischer Entscheidungsfindung, auf die formalen Voraussetzungen der Ausübung und Begrenzung von Herrschaft und auf die Definition der staatsbürgerlichen Grundrechte beschränkten. Es gilt aber auch für kommunistische Diktaturen, deren Verfassungen zwar allgemein und im Pathos der proletarischen Folklore von kollektivem Wohlstand und sozialem Fortschritt sprachen, im Hinblick auf die Festlegung der Ausgestaltung der gesellschaftlichen und kulturellen Wirklichkeit niemals das Niveau der Europäischen Union erreichten.
Die EU ist keineswegs ein bloßes Funktionsgebilde. Vielmehr konfigurierte sie unter der Chiffre einer sogenannten Wertegemeinschaft ein kompaktes, ideologisch klar ausgerichtetes Modell des gesellschaftlichen Zusammenlebens, das eine Reihe wichtiger Grundentscheidungen zugunsten eines bestimmten Menschen- und Geschichtsbildes, einer bestimmte Ansicht vom Wesen der Kultur und des menschlichen Zusammenlebens und eine bestimmte Vorstellung von Gerechtigkeit und Gemeinwohl zur meist unausgesprochenen Voraussetzung hat. Dieser „Geist der EU“ erzeugt – wie jeder Gemeinschaftsgeist – eine gerichtete operative Dynamik in Richtung eines bestimmten Gesellschaftsideals.
Die Bauelemente der Europäischen Union
Das Gesellschafts-, Kultur- und Wirtschaftsmodell, dessen Durchsetzung sich die Europäische Union verschrieben hat, kann nur erschlossen und verstanden werden, wenn man die über die konstitutiven EU-Verträge verstreuten inhaltlichen Festlegungen zueinander in Beziehung bringt und ihre ordnungspolitische Synthese rekonstruiert. Aus all dem deklaratorischen Füllmaterial und der Watte, die die relevanten Determinanten umgeben, tritt dann völlig klar eine Staatskonzeption bzw. Staatsagenda mit folgenden Bauelementen hervor:
- Die EU strebt einen paternalistischen Versorgungsstaat an, der die wichtigsten Modalitäten der sozialen Sicherheit und Unterstützung (Art. 34) sowie der gesundheitlichen und sonstigen Daseinsvorsorge (Art. 35) politisch verfügt und ihre Bereitstellung politisch durchsetzt. Adressat „sozialer Rechte“ sowie des Rechts auf Zugang zu Dienstleistungen (Art. 36) ist stets der Superstaat, der mit entsprechender Macht ausgestattet sein muss. Der infrastrukturelle Rahmen der Wirtschaft dient nicht nur der Absicherung ihrer Produktivität, sondern besonders auch dem Ziel der kontinentübergreifenden Vertiefung der Integration: Transnationale Energienetze verzahnen die ehemaligen „Volkswirtschaften“ und machen sie abhängig, Digitalisierung und mondial ausgerichtete Kommunikationstechnologie erzeugen einen einheitlichen „Datenraum“.
- Die EU-Ökonomie ist keine marktwirtschaftliche Ordnung im eigentlichen Sinn und daher kein „Kapitalismus“. Die EU-typische „Harmonisierung des Wirtschaftsrechts“ begünstigt multinationale Unternehmungen, die miteinander verzahnt sind und EU-politisch getaktet werden. Sie sind durch die Wirtschafts-, Geld und Personalpolitik der EU vielfach politisch gesteuerte Syndikate, in denen private Beteiligungen von untergeordneter Bedeutung sind, weswegen sich für die Klassifikation der EU-Ökonomie der Begriff „Neo-Syndikalismus“ empfiehlt.
- Soweit in den EU-Dokumenten der Terminus „soziale Marktwirtschaft“ verwendet wird, bezieht sich das Adjektiv „sozial“ nicht auf einen Wesenszug der Marktwirtschaft, sondern auf die kulturellen und gesellschaftspolitischen Ziele der EU. „Marktwirtschaft“ wird nicht als ein Kooperationsmodell freier und selbstbestimmter Menschen begriffen, sondern als Methode der Freisetzung jener Produktivkräfte, die zur Durchsetzung der „sozialen“, d.h. der ideologischen Ziele der EU-Gesellschafts- und Kulturpolitik erforderlich sind.
- Die subsidiäre Qualität der sogenannten Marktwirtschaft offenbart sich beispielsweise besonders deutlich überall dort, wo es um die Verwirklichung der EU-charakteristischen Gender-Ideologie geht. Diese ist nichts weniger als ein anderes Begriffsinstrument für die Gleichstellung von Mann und Frau, für die sie sich ausgibt. Genderismus resultiert unmittelbar aus der Verbindung des Antidiskriminierungsdogmas mit einem Menschenbild, das der Auflösung von Tradition und Biologie verpflichtet ist. Die Wirtschaft hätte nun jene Kräfte freizusetzen, die notwendig sind, um das traditionelle Familienkonzept aufzulösen und die Sozialisation der Kinder zu vergesellschaften.
- Das Kultur- und Gesellschaftsgefüge der EU ist das einer „Multikulturellen und Multireligiösen Gesellschaft“. „Kulturelle Vielfalt“ wird als gleichwertiges Nebeneinander von Identitäten unterschiedlichster Wesenheit definiert, ganz gleich, ob diese europäischer oder außereuropäischer Herkunft sind. „Religionsfreiheit“ wird gezielt ohne Gesetzesvorbehalt definiert (Art. 10) und akzeptiert folglich auch Ritualvollzüge, die mit der europäischen Kultur- und Rechtstradition nicht vereinbar sind. Der spezifische Toleranzbegriff der EU und das Antidiskriminierungsregime erzeugen quasi automatisch einen doktrinären moralischen bzw. ethischen Relativismus, der die gewachsene christliche Lebensform des europäischen Alltags radikal überwinden muss.
- Konstitutives Kriterium eines jeden Staates ist unter anderem sein Staatsvolk. Da der EU-Superstaat etwas derartiges zunächst nicht besitzt, ergibt sich aus seiner Sicht die Notwendigkeit eines gezielten Bevölkerungsaustausches. Zur Transformations-Agenda der EU gehört die gezielte Beseitigung des Bevölkerungssubstrats der Nationalstaaten und ihres Ersatzes durch eine wurzellose und kulturell vermeintlich nicht festgelegte Mischbevölkerung. Das Zusammenwirken einiger Grundelemente der konstitutionellen Ordnung der EU erzeugen das artifizielle Staatsvolk quasi als Nebenprodukt:
- Das Recht des „freien Überschreien der Binnengrenzen“ (Schengen, 1985 etc.),
- die „Freizügigkeit in Bezug auf den Aufenthaltsort“, (Art. 45),
- das „Recht auf Asyl“ (Art.18),
- die Forcierung „einwanderungspolitischer Maßnahmen“,
- das ubiquitäre Diskriminierungsverbot
- und die Forderung nach „ausgewogener Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme von Flüchtlingen ... verbunden sind“ (Art. 63).
Diese Punkte sorgen in ihrer Kombination im Fall außereuropäischer Krisen notgedrungen für Masseneinwanderung und für die weitgehende Unfähigkeit von Staaten und ihrer Amtsträgern, mit Migranten beziehungsweise Okkupanten restriktiv umzugehen.
EU – eine in sich geschlossene Ordnung
Eine Manifestation traditioneller europäischer Höchstwerte, wie Privatinitiative, individuelle Leistung und Initiative, persönliche Verantwortung, christliches Arbeitsethos, unternehmerische Kreativität, Erfindergeist und tätige Nächstenliebe im Nahkreis der persönlichen Beziehungen etc. sucht man im konstitutiven Fundament der EU vergeblich. So unterbleibt die Definition von Ankerpunkten, von denen eine allfälligen Korrektur der Grundlinien des EU-Gebäudes – zu welchem Zeitpunkt auch immer – vorgenommen werden könnte.
Die Bauelemente 1-6 konstituieren deshalb eine bruchlose Ordnung, welche die Wesenszüge der EU auf eine zentralistisch homogenisierte, konstruktivistisch gewillkürte, neo-sozialistisch wirtschaftende und antichristlich entkulturierte Massengesellschaft festlegen. Der gesamte Aufbau des Primärrechts lässt eine andere Entwicklung bzw. inhaltliche Ausgestaltung nicht zu.
Entgegen der üppigen Propaganda-Rhetorik ist die EU ein geschlossenes System, in dem es keinen Spielraum für spätere Entscheidungen gibt, die von der festgelegten Entwicklungsrichtung abweichen. Diese prinzipielle Einflusslosigkeit gilt selbst für das Wirken von Mandataren und politischen Funktionären der EU, und noch viel mehr für die Bürger selbst.
Struktureller Determinismus und Demokratieunfähigkeit
In Ergänzung zur Skizzierung der inhaltlichen Festlegungen der gegenwärtigen und zukünftigen EU-Ordnung muss auf die institutionellen und formalen Bestimmgründe der Ausgestaltung der Europäischen Union hingewiesen werden. Das Beziehungsgefüge der Institutionen und die Struktur der Entscheidungsfindungsprozesse sind nämlich keineswegs neutral im Hinblick auf die Inhalte und Werturteile, die die EU-Politik auf all ihren Ebenen hervorbringt und gesellschaftlich inkorporiert. Vielmehr besteht ein starker institutioneller Determinismus, dessen Wirkweise und dessen Folgen im Rahmen dieser kleinen Arbeit nur angedeutet werden können, obwohl sie von außerordentlicher Tragweite sind:
Die Beziehungsstruktur zwischen der EU-Bürokratie, einer ohne jede Verbindung zu den Heimatländern agierenden Nomenklatura-Gemeinschaft von EU-Parlamentsabgeordneten und einem unter Kommissionsdruck und den Gesetzen der Gruppendynamik stehenden EU-Rat erzeugt notwendig und alternativenlos ein radikal kultursozialistisches gesellschaftliches Transformationsprojekt. Dies ergibt sich zwingend aus der völligen Beziehungslosigkeit des Brüsseler und Straßburger EU-Geschehens zu öffentlichen Meinung der Mitgliedsländer, aus dem völligen Mangel, große ideologisch relevante Projekte öffentlich zu legitimieren, und aus der Mechanik, in der hochkriterielle gesellschaftspolitische Endziele in vermeintlich harmlosen Einzelschritten und in unübersichtlicher Arbeitsteilung zwischen den EU-Institutionen betrieben und durchgesetzt werden.
All diese Strukturmomente begünstigen aus sich heraus artifizielle und konstruktivistische Projekte, mit denen sich eine abgehobene, in sich geschlossene Elite an der geplanten Beseitigung einer von ihr nicht verstandenen und daher als minderwertig betrachteten traditionellen und gewachsenen Ordnung, die in Europa durch die Inkulturation des Christentums hervorgebracht wurde, abarbeitet.
Eines von vielen Beispielen für die zahlreichen formalen Strukturmomente, die gemeinsam einen rigiden institutionellen Determinismus performieren, ist das Gesetzgebungsverfahren nach Artikel 294 des Lissabon-Vertrags. Wer die wechselseitige Verschränkung von Kommission, Parlament und Rat ernsthaft studiert, erkennt unschwer, dass es sich dabei um ein in sich geschlossenes System handelt, in dem ausschließlich solche Kräfte initiativberechtigt und entscheidungsrelevant tätig sind, die die grundsätzliche Stoßrichtung der EU-eigenen Transformationsagenda mittragen und nicht etwa in Zweifel ziehen.
Dieser Vorgang ist ein aussagekräftiger Beleg für die bereits vor Jahrzehnten von Ralf Dahrendorf formulierte Einsicht, nach der es oberhalb der Ebene der Nationalstaaten keine Demokratie geben kann. Aus diesem und einer Reihe ähnlich konstruierter Formal- und Funktionsprinzipien ergibt sich nämlich ein effektiver Transmissionsmechanismus, der für eine Reduplikation und Implementierung der oben genannten sechs Bauprinzipien auf allen Seinsebenen der EU sorgt, auch wenn das jeweilige Resultat von der Bevölkerungsmehrheit abgelehnt wird.
EU-Transmissionsmechanismus und realpolitische Omnipräsenz
Folgende Bestandteile dieses Transmissionsmechanismus sind identifizierbar:
- Das Sekundärrecht der EU
- Die sogenannten Berichte des Parlaments und seiner Ausschüsse
- Die Zieloperationalisierungen, wie sie häufig vom EU-Rat oder der Kommission in aufwendiger Form vorgenommen werden
- Die Abkommen mit Drittländern bzw. Regionen außerhalb der EU
- Die große Zahl an Agenturen und ähnlichen Einrichtungen, die aus EU-Budgets dotiert werden
- sowie schließlich – scheinbar sehr „niederschwellig“ - die Mitteilungen der Kommission.
Einige wenige Beispiele sollen die in diesem Zusammenhang stattfindenden Vorgänge bebildern:
ad 1. Die Antidiskriminierungsagenda wird gleich in vier EU-Richtlinien (Sekundärrecht) umgesetzt, darunter die bekannteste, 2000/73/EG.
ad 2. Der Estrela-Bericht über „sexuelle und reproduktive Gesundheit und die damit verbundenen Rechte“ (2013/2040(INI)) des Europäischen Parlaments forderte u.a. die "sichere und legale Schwangerschaftsunterbrechung" sowie einen obligatorischer Sexualkundeunterricht in Schulen. (vorerst nicht angenommen)
Der Lunacek-Bericht zur „Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“ (2013/2183(INI)).
ad 3. Die „Barcelona-Ziele“ des EU-Rates in Verbindung mit einem Bericht der Kommission zum „Ausbau der Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder in Europa mit dem Ziel eines nachhaltigen integrativen Wachstums“ (2002), womit die Kindererziehung von der Obhut der Familie in die Kompetenz der Öffentlichkeit übertragen werden soll.
Ad 4. Die von der EU geheimverhandelten sogenannten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und CETA, mit denen das Prinzip der Nichtdiskriminierung auf die globalisierten Ströme des internationalen Warenhandels ausgedehnt werden soll.
Ad 5. Die Tätigkeit von Einrichtungen wie der „Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI)“ oder der „Europäischen Agentur für Grundrechte FRA“, mit denen „vor allem durch die Erstellung von Länderberichten, die Veröffentlichung von allgemeinen politischen Empfehlungen und die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, insbesondere Nichtregierungsorganisationen“ EU-Ziele aus diesem Politiksegment durchgesetzt werden.
Ad 6. Der "Aktionsplan gegen Rassismus" (Mitteilung der Kommission vom 25. März 1998 ) (wobei unter „Rassismus“ ausdrücklich auch „Islamophobie“ verstanden werden soll), mit dem „die ethnische und kulturelle Vielfalt als eines der typischen Merkmale "europäischer" Zivilisation begreifbar gemacht und als positiver und bereichernder Faktor“ durchgesetzt werden müsse.
Um die umfassende Kompaktheit des Transmissionsmechanismus zwischen dem EU-Primärrecht und der politisch-gesellschaftlichen Realität begreifbar zu machen und den Totalitätsanspruch zu zeigen, mit dem die Bauprinzipien der EU angewendet werden, soll bloß eine Passage aus dem letzten Beispiel (f. Der "Aktionsplan gegen Rassismus") direkt zitiert werden.
„Der Aktionsplan gegen Rassismus besteht aus vier Teilen.
[…]
- 2. Einbeziehung des Kampfes gegen Rassismus in die Gemeinschaftsprogramme und -politiken: Dazu könnten beitragen: die Beschäftigungsstrategie, die Strukturfonds, die allgemeine und berufliche Bildung sowie Jugend, die Informationsgesellschaft, die Justiz und die inneren Angelegenheiten, die Kommunikation, der audiovisuelle Sektor, die Kultur, das öffentliche Auftragswesen, die Forschung und die Außenbeziehungen. Die Kommission wird in ihren Programmen und Politiken weiterhin den Grundsatz der Nichtdiskriminierung anwenden. Es wird eine interdirektionale Gruppe geschaffen werden, deren Aufgabe es sein wird, den Kampf gegen Rassismus in alle Politiken zu integrieren.“
Mit der – gewiss etwas sperrigen – Vorführung der letzten Punkte sollte gezeigt werden, wie sich der „Geist der EU“ ausgehend von den konstitutionellen Dokumenten bzw. Verträgen der Union mit gerichteter operativer Dynamik seinen Weg in Richtung eines bestimmten Gesellschaftsideals bahnt.
Der Geist der EU und der radikale Kultursozialismus
Dieses Gesellschaftsideal ruht fest auf den sechs Bauelementen, die oben als das Fundament der EU freigelegt wurden. Und eben dieses Gesellschaftsideal konvergiert hochgradig mit dem alten linken Phantasma einer kulturrevolutionären Welterlösung.
Der Sozialismus ist als Wirtschaftsmodell und Gesellschaftsform kläglich gescheitert. Aber als antitraditionalistische Gegenkultur hat er in der EU ein Substrat gefunden, dessen Wucht und Wirkmacht bis jetzt keinen ernstzunehmenden Gegner zugelassen hat. Deshalb ist die EU die reife Liebe der Linken aller Herkünfte und Denominationen geworden. In ihr ist alles inkarniert, was seit jeher die Diesseitsreligion des Kultursozialismus definiert:
- Hedonistischer Materialismus und gegenwartsbezogener Konsumismus. Radikaler Amoralismus. Gegenwartsbezogene Enthemmung und kurzfristige Lustbefriedigung. Auflösung der Geschlechteridentitäten und kulturelle Homosexualität.
- „Eine Welt“-Ideologie und „Weltdorf“-Globalismus, institutionell getragen durch supranationale Einrichtungen. Weltumspannender ökonomischer Egalitarismus durch mondiale Umverteilungsmechanismen („Entwicklungshilfe“, „Klimaschutz-Programme“, „Fall von Handelsschranken“)
- Ideologie der „autonomen Persönlichkeit“ bzw. der beliebigen Auswahl einer kulturellen Identität. Multikulturalismus bzw. Kulturrelativismus. Konsequente Entwurzelung aus gewachsenen Kulturordnungen. Anti-Nationalismus und Anti-Regionalismus.
Der Kultursozialimus und seine hier umrissenen Grundpositionen existieren selbstverständlich auch außerhalb der EU und unabhängig von ihr. Diese Ideologie hat eine lange und verzweigte Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte, die im Rahmen dieses kleinen Aufsatzes nicht einmal andeutungsweise konturiert werden kann.
Wichtig ist es aber zu verstehen, dass das Konzept des Kultursozialismus kein Produkt der EU ist, sondern eine ganz eigene geistige Wirklichkeit darstellt, die im Laufe vieler Jahrzehnte von der Metapolitik und der öffentlichen Meinung der meisten Länder dieser Welt Besitz ergriffen hat. Bildungseinrichtungen, Kultur- und Unterhaltungsbetriebe sowie insbesondere die wichtigsten Medien und andere Unternehmungen der Bewusstseinsindustrie haben sich weitgehend vom Mainstream des mondialen Kultursozialismus in Dienst nehmen lassen. Über die Mechanismen der Metapolitik und der Bewusstseinsindustrie konnte der Kultursozialismus in den Gestaltungsprozess der Union eingespeist werden. Freilich hat auch die Union ihrerseits, wie oben skizziert wurde, auf die Stärkung und Weiterentwicklung des Kultursozialismus zurückgewirkt, indem sie diesen behaust sowie vielfach und überreich für die Finanzierung der materiellen Subsidien seiner Protagonisten und Betreiber sorgt.
Soziale Evolution und die Unreformierbarkeit der EU
Das strukturelle Wesen der Beziehung zwischen der EU und dem Kultursozialismus ist das eines massiven Interferenzprozesses. Beide Entitäten beeinflussen einander wechselseitig und wirken damit indirekt auf ihre eigene Entwicklung zurück. Wesentliche Sequenzen eines solchen Vorganges sind nicht planbar und tragen daher die Wesenszüge eines spontanen, evolutionären Prozesses.
Die quasiorganische Komplexität, mit der der Leviathan der Europäischen Union uns entgegentritt, ist daher in vielerlei Hinsicht nicht geplant, sondern gewachsen, weshalb man die EU nicht in ihrer Ganzheit als Verschwörungsprodukt bezeichnen kann. Diese Einsicht ist von eminenter praktischer Bedeutung. Sie bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass die EU im Prinzip nicht reformierbar ist. Sie bedeutet ferner, dass die EU nicht für andere Ziele und Agenden in Verwendung genommen werden kann, als diejenigen, die jetzt mit ihr betrieben werden, d.h. eine Korrektur der Richtung ihrer Wirkungseffekte ist unmöglich. Denn wenn die Ziele und Agenden auf organische Weise im Struktur- und Kompetenzgefüge der EU inkorporiert sind, ist ihre Indienstnahme für grundsätzlich andere politische Inhalte und Ziele als die bisherigen unmöglich.
Dass die EU nicht in ihrer Ganzheit als Verschwörungsprodukt bezeichnet werden kann, bedeutet umgekehrt nicht, dass nichts an ihr das Produkt einer Verschwörung ist. Tatsächlich sind insbesondere die geradezu einzigartig charakteristische Methode der Verdichtung der europäischen Integration und die Sicherstellung ihrer faktischen Unumkehrbarkeit Ausdruck einer gezielten Verschwörung der EU-Eliten gegen ihre eigenen Bevölkerungen. Zwischen einer mehr oder weniger losen Vertragsgemeinschaft zur Betreibung explizit gemeinsamer Interessen und einem omnipotenten Superstaat mit umfassender Agenda-Kompetenz fand eine Sukzession scheinbar harmloser Einzelschritte statt, deren finale Konsequenzen nur Beteiligten und Eingeweihten erkennbar waren.
An welcher Stelle dieser Sukzession der Qualitätssprung von der bloßen Kooperation zur Subordination stattfand, lässt sich mit einer gewissen Berechtigung bestenfalls nachträglich feststellen. Fest steht nur, dass die europäischen Völker in den gezielten kontinentalen Systemwechsel an keinem einzigen Punkt dieser Metamorphose in die Entscheidungen auch nur ansatzweise eingebunden waren. Und das bedeutet, dass das superstaatliche Gebilde der Europäischen Union, seine Projekte im Einzelnen und seine Agenda im Gesamten, nicht die mindeste demokratische Legitimation besitzen.
Das ist für ein Unionsgebilde, dessen Gründungsmythos im gemeinsamen Schwur des „Nie wieder Faschismus“ begründet ist, besonders bemerkenswert, fällt aber angesichts der exzessiv gepflegten rituellen antifaschistischen Folklore offenbar nicht sonderlich auf.
Sukzession undemokratischer Weichenstellungen
Sicher ist jedenfalls, dass diese Sukzession undemokratischer Weichenstellungen nicht einfach passiert ist, sondern von den Schlüsselpersonen der europäischen Nomenklatura bewusst betrieben wurde. Drei einschlägige Aussagen mögen dafür als Beweis vorerst reichen:
Giulio Amato, der frühere italienische Ministerpräsident und spätere Vizepräsident des Konvents für die europäische Verfassung, proklamierte mehrfach, dass es notwendig sei, langsam vorzugehen, um „die Souveränität (der Mitgliedsstaaten) Stück für Stück zu zerschlagen“.
Dazu meinte der langjährige ÖVP-Chefideologe und spätere Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol, dass es unmöglich sei, in der Chronologie der Einzelentscheidungen jenen entscheidenden Schritt zu festzumachen, mit dem eine „Totaländerung der Österreichischen Bundesverfassung“ eintreten würde. Daher sei die im Fall einer „Totaländerung“ abzuhaltende Volksbefragung nicht erforderlich.
Am Unverblümtesten beschrieb Jean Claude Juncker die hier angesprochene EU-Methode: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“ (Spiegel vom 27.12.1999)
Die Krise Europas und der Schaden für Menschen und Völker
Ein „Zurück“ gibt es für die Europäische Union in der Tat schon längst nicht mehr. Sie hat den Kontinent in die schlimmste Krise seiner Geschichte geführt. Indem sie jene Agenda entfaltet hat, die in ihrem innersten Wesenskern unauslöschlich inkorporiert ist, hat sie Projekte umgesetzt, die diesem Kontinent und seinen Völkern kaum mehr wiedergutzumachenden Schaden zufügen:
- In der „Willkommenskultur“ gegenüber sogenannten Flüchtlingen – das unmittelbare Produkt von Kulturrelativismus, Antidiskriminierungsregime und dem Wunsch nach Schaffung eines „EU-Volkes“ - wird eine flächendeckende materielle und ideelle Enteignung der autochthonen Bevölkerungen vollzogen. Ganze Kulturlandschaften sind im Begriff zu verschwinden.
- Die EU-Politik hat die Islamisierung des Kontinents auf geradezu brutale Weise vorangetrieben. Die mit größtem Aufwand gepflegten „Werte“ der „Vielfalt“, „Diversität“, und „Bereicherung“ und das ihnen korrespondierende Phantasma der „Multikulturellen Gesellschaft“ haben dazu ebenso das Unterfutter geliefert wie die EU-typische Aversion gegen die gewachsene christliche Ordnung des alten Europa. Der Preis der Islamisierung reicht von der Herabminderung der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität, der Ausbreitung von Analphabetismus und der Absenkung des Bildungsniveaus über die Entstehung von Parallelgesellschaften bis zur dramatischen Verschlechterung der Sicherheitssituation in den Ländern Europas.
- Der EU-spezifische Genderwahn und die Etablierung des homosexuellen Lebensstils haben die klassische Familie beschädigt und vielfach an der Rand ihrer Existenzmöglichkeit gedrängt, die Fertilität dramatisch gesenkt, die „Kultur des Todes“ durch Abtreibungsfreundlichkeit, reproduktionsmedizinische Grenzüberschreitungen und „offene Euthanasiediskussionen“ vorangetrieben, den psychischen Zustand vieler Kinder durch zwangsweise Frühsexualisierung beschädigt und die weitgehende flächendeckende Verstaatlichung der Erziehung und Sozialisation der jungen Generation erzwungen.
- Die Euro-Einheitswährung hat dem Konzept des Fractional Reserve Banking eine neue Qualität verliehen und die „Geldschöpfung aus dem Nichts“ in eine bisher nie dagewesene Größenordnung geführt. Die Oktroyierung der europäischen Geld-Prärogative hat eine Umverteilung von Vermögen, die weitgehende Auslöschung des Mittelstandes, zahlreiche realwirtschaftliche Fehlallokationen und die Fehlleitung von Investitionsentscheidungen sowie eine Verstärkung des Ungleichgewichts zwischen den Volkswirtschaften der europäischen Länder bewirkt. Sie wurde um den Preis des mehrfachen und dauerhaften Bruchs des eigenen EU-Rechtes künstlich am Leben erhalten. Die Deformationserscheinungen, die dieses monetäre Regime hervorgerufen hat, sind so dramatisch (siehe dzt. z.B. Italien), dass ein früher oder später unumgänglicher wirtschaftlicher Zusammenbruch in der Dimension eines thermonuklearen Holocaust befürchtet werden muss.
Die Kritik an der EU und ihre totalitäre Gegenreaktion
All diese Großprojekte sind gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der europäischen der europäischen Bevölkerungen in Angriff genommen und vorangetrieben worden. Sie besitzen – wie die Ausgestaltung des Unionsorganismus selbst – keinerlei demokratische Legitimation und sind daher Manifestationen einer klassischen Fremdherrschaft. Diese wird derzeit von immer größer werdenden Teilen der europäische Bevölkerungen auch als solche wahrgenommen, denn die Probleme, die aus der Durchsetzung der Herrschaftsprojekte der Elite resultieren, schlagen im Lebensalltag immer deutlicher durch.
Mit zunehmendem Leidensdruck setzt sich auch die Einsicht durch, die sich am besten in Anlehnung an Ronald Reagan so formulieren lässt: Die EU ist nicht die Lösung des Problems, sondern sie selbst IST das Problem. Dementsprechend formiert sich allerorten nicht nur Kritik, sondern auch systematische Opposition.
Dies löst, wie in autokratischen Herrschaftssystemen üblich, entsprechende Reaktionen der herrschenden Nomenklatura und ihrer Apparate aus. Die EU entfaltet ihre diesbezügliche Wirkung auf zwei verschiedenen Aktionsfeldern:
- Spaltung der Gesellschaft. Daniel Cohn-Bendit, Alt-Gründer und angesehener EU-Vordenker, wenige Tage nach dem Brexit: Europa brauche mehr und nicht weniger eigenständige Souveränität. Heute gäbe es keinen links-rechts-Konflikt mehr, sondern bloß eine unüberbrückbare Trennlinie zwischen Proeuropäern und EU-Gegnern. In diesem Freund-Feind-Schema stigmatisiert die EU ihre Kritiker als Realitätsverweigerer und als Feinde von Frieden, Fortschritt, Wohlstand und Humanität. Um diese zu marginalisieren, schart sie mit unterschiedlichsten Mitteln eine „Koalition der Willigen“ um den harten Kern der Einheitsstaats-Fanatiker und EU-Funktionäre. In mehreren konzentrischen Kreisen werden „Gutmenschen“ (Flüchtlingshelfer!), Ideologen, Gesinnungstäter, Mitläufer, Mittäter, Profiteure, Pragmatiker und „Realisten“ zueinander in Beziehung gebracht und als Koalitionäre gewonnen. Die Indienstnahme potentieller Kombattanten wird im Rahmen einer gewaltigen Materialschlacht vorgenommen, in der die „Fortschrittsgewinner“ – häufig Kostgänger an den prallen Futtertrögen der Union – gegen die unbelehrbaren „Fortschrittsverlierer“ in Stellung gebracht werden, die sich als ungebildete Banausen, mit Mundgeruch und schlechten Zähnen, darstellen lassen müssen. Inzwischen sind die Gesellschaften Europas tatsächlich tief gespalten, und man fragt sich, wer für diesen unabsehbaren Schaden dereinst die Verantwortung übernehmen wird.
- Gezielte Beseitigung der Freiheit; Verfolgung von Kritikern und politischen Gegnern. Martin Schulz, SPD-Politiker und EU-Parlamentspräsident: „Auch die Meinungsfreiheit innerhalb des Europäischen Parlaments muss eine Grenze haben, sobald diese die politischen Ziele der EU in Frage stellen.“ Keine der klassischen Diktaturen des zwanzigsten Jahrhunderts hat die Unantastbarkeit ihrer Agenda je anders gesehen. Die Beseitigung der Freiheit kam schleichend, wird aber inzwischen an vielen Fronten nicht nur sehr effizient, sondern auch ganz unverhohlen betrieben. Allerorten beherrschen Sprachverbote, Neusprech, Reglementierungen, Geschichtsklitterungen und -umdeutungen sowie Tabuisierungen von verordneten Glaubenssätzen den öffentlichen Diskurs. „Empörung“, „Angst“ sowie „Wut und Trauer“ werden den Unbotmäßigen als Bannstrahl entgegengeschleudert, wenn sie sich nicht an die Gesetze der Political Correctness halten. Auch das Strafrecht wird effizient zum Einsatz gebracht: „Verhetzung“ und „Herabwürdigung religiöser Lehren“ (gemeint ist immer der Islam) werden mit Gefängnisstrafen geahndet. Inzwischen bestehen weitreichende und unmittelbar vor der Umsetzung stehende Pläne zur Verfolgung von „Hassdelikten“ („hate speech“), worunter besonders „Islamophobie“ und Fremdenfeindlichkeit, aber auch der „emotionale“ Vortrag von EU-Kritik gemeint ist. Standesgemäß haben die EU-Mitgliedsstaaten unter der Regie der Union bereits ein ausgebautes Spitzel- und Überwachungssystem etabliert. Dies wird noch halbherzig mit der Notwendigkeit eines „Kampfes gegen den Terror“ gerechtfertigt, wie dies in Österreich betreffend das soeben in Kraft getretene „Polizeiliche Staatsschutzgesetz“ passiert. Doch dieses Alibi wird in der Praxis fallengelassen, sobald es gilt, den wahren Feind zu kujonieren. Am 12.7.2016 wurden vom deutschen Bundeskriminalamt Razzien in sechzig (60) Wohnungen der „Mitglieder einer geheimen Facebook-Gruppe“ vorgenommen, die offiziell und wörtlich mit der Notwendigkeit einer „Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger beim Umgang mit rechtsgerichteten Äußerungen in sozialen Netzwerken“ begründet wurden.
„Stillstand ist Rückschritt“ - vorwärts um jeden Preis
Je abgehobener, widernatürlicher und funktionsunfähiger eine Projektagenda ist, desto totalitärer muss die Diktatur sein, die erforderlich ist, um sie durchzusetzen. Deshalb haben EU-Größen wie Juncker, Merkel, Tusk und Schultz am Tag nach dem Brexit begonnen, die Flucht nach vorne anzutreten und eine rasche Finalisierung der Beseitigung aller Restbestände des nationalstaatlichen Gefüges Europas sicherzustellen, damit der „Souveräne Staat Transeuropa“ nicht noch in der Zielgeraden gefährdet wird.
Besonders hervorgetan hat sich beispielsweise der deutsche Außenminister Frank Walter Steinmeier, der beim Treffen der Visegrad-Staaten ein Konzept vorgelegt hat, in dem das Strafrecht, die Steuerhoheit, die Kontrolle über die Binnengrenzen, das Recht zur Haltung einer Armee und die Flüchtlings-Verteilung ehebaldigst in die Kompetenz der EU verlegt wird, die in ihrer Eigenschaft als dauerhafte Schulden- und Transferunion auszubauen sei.
Ergänzend hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wenige Tage danach eine enge Verschränkung der EU mit der NATO gefordert, die notwendig sei, um die Sicherheitsinteressen der Mitgliedstaaten und ihre wechselseitige Solidarität zu befördern. Quasi zum Drüberstreuen hat Jean-Claude Juncker fast zeitgleich hinausposaunt, dass die EU-Organe selbstverständlich das Recht hätten, bindende Handelsabkommen, wie das TTIP, ohne jedes Zutun der Mitgliedstaaten abzuschließen, weil die Staaten ihre Souveränität auf die EU übertragen hätten.
Opposition gegen den EU-Leviathan
Eine wachsende Zahl von Bürgern aller Mitgliedsstaaten lässt sich von derartigen Kraftmeiereien nicht mehr beeindrucken. Und alle verfügbaren Daten zeigen, dass sich die weitaus überwiegende Mehrheit vom EU-Leviathan und seiner abgehobenen Herrschaftselite nicht mehr vorschreiben lassen will, welche Politik sie in der „Flüchtlings“politik, in der Frage kontinentaler Umverteilungsmechanismen, im Hinblick auf das Projekt der Kulturtransformation und in vielen, die Privatsphäre betreffenden Angelegenheiten zu akzeptieren hätten. Der Brexit, den Großbritannien beschlossen hat und nunmehr in aller Ruhe umsetzen wird, muss wie ein Katalysator zur Lösung der Angststarre wirken, die die Menschen und Völker angesichts der Übermacht des EU-Leviathan in den letzten Jahrzehnten aufbauten.
Angesichts der vielen, alltäglichen Widrigkeiten, die die Menschen zunehmend als Produkte eines fehlgeleiteten superstaatlichen Kollektivismus wahrnehmen, wächst das oppositionelle Potential in allen Ländern mit jedem Tag. Bald werden die Menschen bereit sein, sich mit realen Alternativen zur EU auseinanderzusetzen. Und es wird nur noch eine Frage der Umstände sein, unter denen die EU durch eine andere Form der europäischen Zusammenarbeit ersetzt wird.
Es ist noch nicht absehbar, ob die EU zuerst einen ökonomischen oder einen institutionellen Kollaps erleiden wird, oder aber, ob sie der von ihr selbst verursachten Kulturzerrüttung zum Opfer fallen wird. Verantwortungsträger, die angesichts der Krise in Sorge sind, sollten jedenfalls auf jede mögliche Variante vorbereitet sein.
Der Brexit als Katalysator der Erneuerung Europas
Der Brexit ist eine Chance, konstruktive Konzepte zur Erneuerung Europas auszuarbeiten und zur Diskussion zu stellen. ÖXIT nach dem Brexit? – Unsinn. Wozu? Aus einem sterbenden Verein tritt man nicht aus, bevor die Frage der Vermögensaufteilung und der Nachfolge nicht befriedigend geklärt ist. Aber speziell Österreich wäre aufgrund seiner historischen Erfahrungen, seines internationalen Beziehungsgefüges und seines Ansehens sowie seiner Lage im Herzen Europas prädestiniert, eine führende Rolle in der Erneuerung Europas zu übernehmen.
Grundzüge einer neuen europäischen Gemeinschaftsordnung
Diese sollte durch folgende Eckpunkte gekennzeichnet sein:
- Die Nationalstaaten als Herberge und Schutzherr der Völker und ihrer Bürger. Die Staatsbürgerschaft muss zur exklusiven Inanspruchnahme einer Reihe von staatlichen Leistungen privilegieren.
- Im Stufenbau des Rechts muss nationales Recht immer über supranationalem Recht stehen.
- Die Rechtsbeziehungen zwischen den Staaten sind vertraglicher und multilateraler Natur und bilden keine neue Qualität des Rechts aus.
- Ein Europa der Zukunft muss ein Europa a la carte sein. Jeder Staat soll sich aussuchen, welches Ausmaß an Intensität er in der Kooperation mit anderen Staaten oder den von ihnen gemeinsam gegründeten Organisationen er anstrebt.
- Supranationale Einrichtungen sind institutionell so zu konfigurieren, dass eine Verselbständigung der Interessen der Bürokratie unmöglich ist. Damit sind Pathologien zu vermeiden, wie sie sich derzeit beispielsweise ergeben, indem Kommissare (eigentlich bloße Dienstnehmer der Mitgliedstaaten) die Agenda der Politik vorgeben.
- Eine mögliche Harmonisierung des Rechtes muss von vornherein auf das Wirtschaftsrecht beschränkt bleiben.
- Eine rechtsbindende Übertragung eines Verhandlungsmandates betreffend Verträge mit Drittstaaten ist grundsätzlich unzulässig.
- Inhaltliche Festlegungen einer bestimmten Ausrichtung von Politikfeldern sind unzulässig. Insbesondere haben sogenannte Werte auf der supranationalen Ebene nichts verloren. Werte sind Leitmedien für Individuen und Schutzobjekte von Vaterländern.
Ein christliches Kerneuropa
Diese und ähnliche Eckpunkte einer neuen Ordnung werden nicht im Gleichschritt mit allen Ländern Europas eingepflanzt werden können. Die Länder und Ländergruppen Europas haben unterschiedliche Traditionen und Erfahrungen im Hinblick auf institutionelle Konzepte. Anzustreben wäre zunächst der Verbund eines Christlichen Kerneuropas.
Als Kandidaten hierfür wären folgende Staaten denkbar: Österreich (sofern es ihm gelingt, sich bürgerlich zu erneuern), die Visegrad-Staaten, die Baltischen Staaten, die sog. Westbalkanländer Rumänien und Bulgarien, die Balkanländer Slowenien und Kroatien, wobei auch eine Ausdehnung auf Serbien, Mazedonien und Montenegro denkbar wäre. Und vielleicht haben auch Norditalien und südliche Teile Deutschlands Lust, sich anzuschließen, was kein Problem mit der Souveränität ihrer Vaterländer wäre, weil die neue supranationale Ordnung ja nur ein Funktionsverbund wäre.
Dieser könnte und sollte auch privilegierte Partnerschaften mit Ländern außerhalb des derzeitigen EU-Gebiets eingehen, um die wirtschaftliche Gravitationskraft des Gemeinschaftsgebildes zu stärken. In Frage hierfür kämen beispielsweise Russland, die Ukraine und Weißrussland.
Die hier getätigten Andeutungen sind natürlich kein ausgegorenes Konzept und bedürfen der ausführlichen Operationalisierung und Evaluierung. Aber sie könnten die Richtung einer Vision abgeben, die Europa angesichts der Tatsache, dass sich die Europäische Union dem Ende ihres Lebenszyklus annähert, dringend benötigt.
Dringend geboten ist auch eine geistige Befreiung aus dem Defätismus, mit dem die multiple Krise in Europa derzeit als Normalzustand betrachtet wird. Ein Erneuerungsprojekt ist möglich, solange Europa noch Kraft aus seiner christlichen Kulturtradition, aus seiner überlegenen Produktivität und aus der Ordnung seiner Kulturlandschaften bezieht.
Optimismus ist Pflicht (Popper). Die europäischen Völker sollten nicht zögern, die „Reset-Taste“ zu drücken und die kontinentale Integration nach neuen Gesichtspunkten in Angriff zu nehmen.
BREXIT. Alles wird gut.
Mag. Christian Zeitz ist wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Angewandte Politische Ökonomie.