Luftnummer Kern

Der Kern-Effekt, der der SPÖ ein kurzfristiges Umfragehoch beschert und der Regierung einen blauen Bundespräsidenten erspart hat, ist schon nach wenigen Tagen völlig verpufft. Plopp. Der smarte „Manager“, der die Privatwirtschaft nur vom Hörensagen kennt und von vielen Medien wie ein Popstar abgefeiert wurde, hat nach ein paar Auftritten sein ganzes Pulver verschossen. Das Phrasenrepertoire aus dem Motivationsseminar ist aufgebraucht, das Macherimage weg.

Kern ist, nachdem der Lack ab ist, nur noch ein gewöhnlicher linker Apparatschik. Da nutzt auch die eitle Selbstdarstellung nichts. Die Bürger wollen kein Politmodell, sondern einen Politiker, der sich um die drängenden Probleme des Landes kümmert. Und man glaubt es kaum, aber die ersten Bürger denken sich bereits: Sooo schlecht war der Faymann nun auch wieder nicht.

Österreich und Europa stehen vor riesigen Herausforderungen:

Die Völkerwanderung kommt nach der Winterpause wieder in Schwung,

  • Österreich leidet unter Rekordarbeitslosigkeit, schwachem Wirtschaftswachstum und stetig steigenden Staatsschulden,
  • die EU/EZB-Finanzpolitik hat sich als fauler Zauber herausgestellt,
  • die Briten werden möglicherweise die EU verlassen,
  • die Visegrád-Staaten wenden sich von Brüssel ab,
  • Griechenland steckt trotz gewaltiger Finanzspritzen noch immer in der Krise,
  • Frankreich versinkt im Chaos,
  • der politische Islam breitet sich immer weiter aus,
  • in Deutschland kann kaum noch eine Großveranstaltung abgehalten werden, ohne dass es zu sexuellen Belästigungen und Übergriffen kommt,
  • das US-Außenministerium hat eine Reisewarnung für Europa ausgegeben etc.

Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. In so einer Situation braucht Europa, braucht Österreich kompetente und weitsichtige Entscheidungsträger und keine Mundwerksburschen. Kern ist zweifellos letzteres. Das hat er jetzt mit seinen überaus kindischen Zahlenspielereien bewiesen, mit denen er die ausgehandelte Asylobergrenze – Hokus Pokus – einfach wegzaubern wollte. Dafür hätte es keinen neuen Bundeskanzler gebraucht.  

Weil Kern nicht fähig oder willens ist, den Zustrom aus Afrika und Asien nach Österreich zu begrenzen, jongliert er zur Ablenkung des Publikums einfach mit Zahlen und Begriffen. Er glaubt ernsthaft, mit dieser billigen Show durchzukommen. Der Applaus vom linken SPÖ-Flügel, den Grünen und der Asylindustrie ist ihm zwar sicher, doch die meisten Bürger wollen, wie viele Umfragen belegen, ein Ende der unkontrollierten Massenzuwanderung aus der Dritten Welt, ein Ende der übertriebenen Willkommenskultur und geschützte Grenzen. Also das genaue Gegenteil von Kern.

Sie hätten sich konkrete Pläne und Maßnahmen erwartet. Stattdessen versucht sie Kern mit Tricksereien, moralischen Belehrungen und Worthülsen abzuspeisen. Und genau davon haben immer mehr Bürger die Nase voll. Die SPÖ hat auf diese Unzufriedenheit vieler Bürger mit dem Austausch des Parteichefs reagiert. Ein politischer Schnellschuss, der voll in die Hose gegangen ist. Die Grenzen bleiben weiter offen wie ein Scheunentor, Kern hat entgegen seinen Beteuerungen aus dem Debakel bei der Bundespräsidentenwahl – und sie war trotz des knappen Sieges von Van der Bellen ein Debakel – nichts gelernt.

Im Gegenteil, er hat nach dem Kurswechsel von Faymann den lecken SPÖ-Dampfer wieder weit nach links gesteuert. Kern fühlt sich dem linken SPÖ-Flügel, Angela Merkel, Martin Schulz und Brüssel verpflichtet;, gesellschaftliche Gräben und die Anliegen von zumindest 50 Prozent der Bevölkerung sind ihm schlicht egal. Kern hat sich selbst entzaubert und setzt die bisherige SPÖ-Politik angereichert mit Wohlfühlphrasen stupide fort. Das hat er unter anderem mit der dummen Beleidigung Viktor Orbáns bewiesen.

Auch sein Demokratieverständnis scheint zumindest fragwürdig. Nach der bekannt gewordenen „Pannen“-Serie bei der Bundespräsidentenwahl, drängt Kern nicht etwa massiv auf lückenlose Aufklärung, nein, er warnt in Richtung FPÖ vor Verschwörungstheorien. So, als ob es die vielen Ungereimtheiten, die in den vergangenen Tagen publik wurden, gar nicht gäbe. Dabei ist Wahlbetrug kein Kavaliersdelikt, das man mit flapsigen Bemerkungen abtun kann und jeder aufrechte Demokrat sollte, unabhängig vom Wahlergebnis, daran interessiert sein, dass wirklich jeder Verdachtsfall aufgeklärt wird. Ansonsten gefährdet man das gesamte demokratische System.  

Kern ist ein SPÖ-Politiker alten Zuschnitts. Kein Wunder, hat er seine Karriere doch ausschließlich im Umfeld seiner Partei und des Staates gemacht. Da helfen auch keine angelernten Managerphrasen und Designersonnenbrillen.

Widerspruch hat er zumindest von seinem Vize nicht zu erwarten. Der schwache und angeschlagene ÖVP-Chef verhält sich wie ein Schoßhündchen, das noch immer glaubt, vom längst verpufften Kern-Effekt profitieren zu können. Was für ein Paar!

Der groß angekündigte Neustart hat sich wenig überraschend als Rohrkrepierer erwiesen. Die SPÖ hat mit Kern vermutlich ihre letzte Chance verspielt. Die ÖVP könnte das mit einem raschen Wechsel an der Parteispitze, einer geradlinigen und mutigen Politik für sich nutzen. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass sie auch diese Chance ungenützt verstreichen lässt, um gemeinsam mit der SPÖ unterzugehen.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. Kürzlich sind seine neuen Bücher „Die Feinde der Freiheit“ und „Das Phänomen Conchita Wurst: Ein Hype und seine politischen Dimensionen“ erschienen.

 

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