Kluge Schweizer

Das von kundigen Beobachtern erwartete Abstimmungsergebnis ist eingetreten: Die Initiative zur Einführung eines „Bedingungslosen Grundeinkommens“ wurde von den Eidgenossen mit überwältigender Mehrheit verworfen. Vier von fünf Schweizern halten nichts davon.

Lieber nicht daran denken, wie eine derartige Abstimmung in Österreich – und im nicht minder linksverstrahlten Deutschland – ausfallen würde. Eine Mehrheit für diese bespiellos „soziale“ Maßnahme wäre nicht unwahrscheinlich. Der Traum vom anstrengungsfreien Leben auf fremder Leute Kosten ist einfach zu süß.

Mit etwas Erinnerungsvermögen ausgestattete Austriaken haben nicht vergessen, dass es dem selig entschlafenen „Liberalen Forum“, das heute als unter dem Etikett „Neos“ wiedergekehrter Zombie unter uns weilt, vorbehalten war, sich als erste politische Kraft Österreichs für diese Schnapsidee stark zu machen. „Angstfrei leben zu können“ war das ans Herz rührende Ziel, so Heide Schmidt, seinerzeitige Führerin der kleinen Linkspartei. Das sollte dem gepeinigten Nettosteuerzahler monatlich immerhin 750 Euro pro Kopf jedes Müßiggängers wert sein. Arbeitsunfähig zu sein, wäre zum Bezug dieser Apanage nicht nötig gewesen. Keine Lust zum Arbeiten zu haben, hätte schon gereicht. Das Paradies 2.0 auf Erden.

Der „Bedingungslosigkeit“ für die Bezieher, stand und steht allerdings eine ebensolche Bedingungslosigkeit für die Zahler gegenüber. Die müssen – anders als die Benefiziare dieser sozialen Errungenschaft – den Rücken krumm machen, um die von staatlichen Wohltätern zu verteilenden Almosen (um etwas anderes handelt es sich nämlich nicht – allerdings ohne den moralischen Wert einer freiwillig gewährten Gabe!) heranzuschaffen. Die werden auch nicht gefragt, ob sie es gut finden, sich auf dem Weg von und zur Arbeit von ganzen Bataillonen von Minderleistern ins Gesicht lachen zu lassen – falls die zu dieser Zeit nicht noch oder schon wieder im Bett, beim Branntweiner oder vor dem Fernseher hocken.

Die Befürworter der Idee des Etwas-für-Nichts übersehen, dass hienieden keinem gebratenen Tauben in den Mund fliegen, sondern dass man den Lebensunterhalt im Schweiße seines Angesichts zu verdienen hat. Um zu begreifen, wie man in einer Welt des Mangels, in der wir Menschen seit unserer Vertreibung aus dem Garten Eden zu leben haben, auf die Idee kommen kann, die Kosten seines Lebensunterhalts anderen aufbürden zu dürfen und dafür keinerlei Gegenleistung erbringen zu müssen, bedarf es schon einer gründlichen Gehirnwäsche. Woher einer das Recht zu nehmen meint, seine Mitmenschen nicht als gleichberechtigte Individuen, sondern als Roboter oder Sklaven – als bloße Mittel zur Erreichung seines Zwecks – anzusehen und zu bewirtschaften, liegt völlig im Dunkeln.

Dass eine Gesellschaft funktioniert, in der jeder arbeitet, um seinen Unterhalt zu verdienen, liegt auf der Hand. Dass eine Gesellschaft funktionieren könnte, in der jeder auf Kosten des jeweils anderen lebt, ist mit den Regeln der Logik indes unvereinbar. Irgendjemand wird nicht nur faulenzen dürfen, sondern auch arbeiten müssen, um für Nahrung, Bekleidung, Behausung und die Erfüllung aller übrigen Bedürfnisse zu sorgen. Warum aber sollten diejenigen die Früchte ihrer Arbeit nicht selbst genießen, sondern stattdessen dem von linken Brandstiftern verblendeten Pöbel freiwillig in den Rachen werfen?

Um freiwillige Entscheidungen geht es den Roten aber ohnehin nicht – das tat es noch nie. Denn dass keiner unaufgefordert schuftet, um arbeitsscheues Pack durchzufüttern, ist auch den Protagonisten des bedingungslosen Grundeinkommens klar. Sie betrachten es daher – wie alle Sozialisten – als ihr gutes Recht, sich gewaltsam des rechtmäßig erarbeiteten Vermögens und Einkommens produktiv tätiger Klassenfeinde zu bemächtigen.

Die Bedingungslosigkeit der Zuteilung einer Transferzahlung durch die Bedingungslosigkeit eines gegen die Werktätigen geführten Raubzuges sicherzustellen – weil der Staat ja über keinerlei selbst erwirtschaftete Mittel verfügt, die er verteilen könnte – ist der Gipfel der moralischen Verworfenheit. Sich für eine solche Tat auch noch als Held des Solidargedankens feiern zu lassen, fügt dem Unrecht den blanken Hohn hinzu.

Man muss die Schweizer dazu beglückwünschen, sich nach dem weltweit totalen Sieg von Sozialismus und Sozialdemokratismus – und dem damit verbundenen Verlust beinahe jeden Anstands – immer noch einen sicheren Blick für die Frage von richtig und falsch bewahrt zu haben.

Könnte dieses beeindruckende Votum am Ende sogar dazu angetan sein, auch in Deutschland und Österreich ein Gefühl dafür entstehen zu lassen, dass Rechtsstaat und Wohlfahrtstaat nicht gleichzeitig auf demselben Territorium bestehen können? Es wäre zumindest schön, daran glauben zu können.

Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.

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