Rechts hat(te) ein chronisches Image-Problem: Durch die jahrzehntelang transportierte und zweifellos geschickt formulierte Unterstellung, der politische Begriff „Rechts“ sei mit totalitärem, ja sogar bräunlichem Gedankengut kontaminiert, hat die Linke es geschafft, dem ursprünglich positiv besetzten rechten Topos einen speziellen Hautgout zu verpassen.
Offensichtlich haftet dieses erfolgreich hinzugedichtete anrüchige Etikett derartig fest an der rechten Weltanschauung, dass sogar die Rechten selber es oft gerne vermeiden, sich als rechts zu bezeichnen. Die seit einigen Jahren seuchenartig um sich greifende politische Korrektheit hat das Reputations-Problem der Rechten noch weiter verschärft. Man ist zwar in Österreich nach Aussagen vieler Soziologen und Politikwissenschaftler mehrheitlich rechts orientiert, traut sich aber dieses Bekenntnis in der linksdominierten veröffentlichten Meinungslandschaft kaum jemals abzugeben. Die Frage „Darf man das überhaupt noch sagen?“ ist zur Kennung und zum Code rechts denkender Menschen geworden.
Viele Bürgerliche, Wirtschaftsliberale und Konservative, obwohl ideengeschichtlich genuin rechts verortet, haben durch das linksrhetorische Dauerfeuer und die ständige veröffentlichte Diffamierung das Bedürfnis entwickelt, in jeder politischen Debatte immer brav und vorauseilend zu versichern, man sei keinesfalls rechts und mit den Rechten habe man ja überhaupt nichts zu tun. Diese Verleugnung der eigenen politischen Richtung ist ein wesentlicher Faktor, warum sich die Bürgerlichen heute ihres Fundaments nicht mehr sicher sind: Bürgerliche bewegen sich auf der Suche nach ihrer Identität staksend und tapsend in den mittlerweile stark renovierungsbedürftigen Räumen ihres einst gut gemauerten Gedankengebäudes.
Viele nehmen bei ihren Irrungen den Ausgang in die unverfängliche Mitte, denn diese steht für alles und für nichts. Dort sind sie scheinbar sicher vor Reputationsverlusten. Oder sie behaupten gleich von sich, sie seien liberal und verwechseln im selben Moment liberal mit beliebig.
Viele Bürgerliche sitzen mit diesem ihrem Verhalten in einer argumentativen Falle und perpetuieren so, dass ihre politische Positionierung und Zugehörigkeit nicht erkennbar ist und diffus erscheint. (Die Unterstützungserklärungen, die viele sogenannte Bürgerliche soeben für den altlinken und neugewählten Bundespräsidenten abgegeben haben, sprechen Bände.)
Anders gesagt: Die politischen Rechten haben ein veritables Problem mit ihrem Selbstbewusstsein und mit ihrer Identität. Klar ist, dass sie sich dieses Problems endlich entledigen müssen und noch viel klarer ist, dass sie das vor allem auch dürfen. Der beschriebene Hautgout ist ja aus einer zwar permanent kommunizierten, inhaltlich aber trotzdem falschen Zuschreibung entstanden: Das genuin Rechte hat weder mit Diktatoren etwas zu schaffen noch mit irgendwelchen rassistischen oder nationalistischen Denkfiguren. Ganz im Gegenteil: Die Ideengeschichte der Rechten fußt auf den originalen Prinzipien des bürgerlichen und freiheitlichen Denkens.
Die rechte politische Philosophie war von Anfang an geprägt von ganz klaren Sichtweisen: Es gelten die Freiheit und die Unantastbarkeit des Individuums, die gering zu haltende Rolle der Staatsmacht, der hohe Wert der Familie, die Wichtigkeit des Eigentums, das Leistungsprinzip und das patriotische, traditions- und kulturbewusste Gedankengut. Weiters gilt die Solidarität mit jenen, die wirklich Hilfe brauchen und nicht zuletzt haben bei den Rechten die Prinzipien des aufgeklärten Christentums ihren festen Platz. Ebenso stand von Anfang an die Religionsfreiheit im Sinne des ursprünglichen bürgerlich-rechten Liberalismus in der Werte-Reihung ganz vorne. Der Citoyen und der Weltbürger sind klassische rechts-liberale Entwürfe, auch wenn sich Linksintellektuelle heute gerne mit diesem Nimbus schmücken.
Je nach Charakter und Ziel war bei den verschiedenen politischen Gruppierungen des rechten Spektrums eine oder mehrere der erwähnten Haltungen das zentrale Signum. Und natürlich gab und gibt es auch innerhalb des rechten Spektrums Richtungsstreit und politische Debatten. Das ist gut so, denn nur durch den offenen Diskurs kann Weiterentwicklung geschehen. Auch und vor allem die rechtskonservativen Bürgerlichen legen Wert auf den Fortschritt der Gesellschaft und auf die politische Entfaltung des Einzelnen.
Heute allerdings ist das Adjektiv „Rechts“ zu einem Debatten-Killer geworden, mit dem man gerne anpatzt: Wer einmal als Rechter etikettiert worden ist, der gilt offiziell fast als Paria und mit dem redet man seitens der politisch korrekten Medien nur im Notfall. Linksaffine Politiker sind bei Debatten um oder mit Rechts sehr schnell mit Begriffen wie „Cordon sanitaire“ oder strikter Ausgrenzung bei der Hand. Und wenn man seitens der Medien oder anderer Parteien mit erklärten Rechten redet, dann sind die diversen Interviews und Gespräche mit den ewig selben Erklärungen unterlegt: immer wird betont, wie gefährlich doch rechts sei.
Nun ist es aber paradoxerweise so, dass der diskursive Notfall längst eingetreten und zum Dauerzustand geworden ist. Politisch explizit rechte Parteien gewinnen bei allen Wahlen dazu und man muss auch seitens der linken Ideologen und der notorischen Meinungskorrektoren in den Redaktionen unweigerlich zur Kenntnis nehmen, dass die auf bewusst falschen Annahmen beruhende Pejorisierung der Rechten sich langsam, aber sicher gegen die Initiatoren dieser längst redundanten Kampagnen wendet. Manche Linke haben das zum Glück schon begriffen.
Dr. Marcus Franz ist Arzt und unabhänger Nationalrats-Abgeordneter (früher ÖVP, davor Team Stronach).