Gewerkschaft 4.0: "Sind Arbeitnehmervertretungen noch zeitgemäß?"

Dem Selfmade-Milliardär mit Firmensitz in Fuschl in Salzburg gelingt, was anderen nicht gelungen ist. Die sonst so mächtige Gewerkschaft und Arbeiterkammer gibt mucksmäuschenstill klein bei. Wurde eine neue gesellschaftspolitische Ära eingeleitet oder bestimmt die Ausnahme die Regel?

Ob es das gesunde Essen ist, das Rauchen im Restaurant oder der respektvolle Umgang mit Mitmenschen – alles Dinge, wo sich ein jeder denkt „na eh logisch.“ Fakt ist: Wir stoßen tagtäglich auf Situationen, in dnenen das ganz und gar nicht so ist. Fakt ist auch, dass in der Folge dann irgendein Revoluzzer auf die Idee kommt, eine dementsprechende Verordnung oder ein dazugehöriges Gesetz in die Welt zu setzen, wo sich Herr und Frau Österreicher grün und blau ärgern.

Da stellt sich doch die Frage, ob es tatsächlich immer jemanden geben muss, der alles und jedes regelt und überwacht. Vielleicht sind Regeln von der Idee her manchmal gar nicht schlecht, aber wie so oft verlieren Dinge, die auf dem Papier gut klingen in der Realität sehr schnell jeglichen Charme. Zum einen weil sie oft von Leuten entwickelt werden, die in der Praxis nie damit zu tun hatten und zum anderen, weil der bürokratische Aufwand häufig jeglichen positiven Effekt zu Grabe trägt. Diese Energieanstrengung betrifft nun aber nicht nur jene, denen man das alles zu verdanken hat, sondern beschwört auch den Ärger der anderen herauf, bei denen es nie Grund zur Beanstandung gegeben hat, und das alles wegen ein paar schwarzer Schafe. 

Förderung des Sozialkapitals in Unternehmen

In Zeiten wo Schlagworte wie Management by objectives und andere Managementphilosophien kursieren, ist es schön zu erleben, dass auch Entscheidungen fernab von objektiven Parametern wie Gewinn oder Reichweite im Medienkontext zum Wohle der Menschen getroffen werden. Qualitative Faktoren wie Engagement und Identifikation mit einem Unternehmen von Seiten der Mitarbeiter ist für den Erfolg eines Unternehmens wie viele Fallbeispiele zeigen viel wesentlicher als so manche Binsenweisheit, die in oberflächlichen Managementseminaren unterrichtet wird.

Mitarbeitermotivation und ein Klima, das auf Vertrauen beruht, wird leider auch oft durch veraltete Strukturen und Ansätze, wie sie von Arbeitnehmerorganisationen installiert werden oder installiert werden wollen, irritiert und gestört. Eindrucksvoll ist ein derartiger Fall mit fast verheerenden Konsequenzen für die Belegschaft beim Fernsehsender „Servus TV“ geschehen.

Sind Gewerkschaften in dieser Form noch up to date?

Just in dem Moment, als die Vertreter der Arbeitnehmer versuchten, ihren Fuß in die Tür des Betriebes von Dietrich Mateschitz zu bekommen, der gerade für seine hohen sozialen Standards bekannt ist, war der Bulle blitzartig mit einer konsequenten Entscheidung zur Hand und diese mussten mit dem metaphorisch eingezogenen Schwanz gleich wieder von dannen ziehen.

Der Versuch, einen Betriebsrat im Reich des Dietrich Mateschitz einzuführen, hat dem Alphatier und Oberbullen sichtlich nicht behagt. Wer es wagt, im eigenhändig aufgebauten Red Bull Firmenimperium von außen mitreden zu wollen, zieht den Zorn des Gründers auf sich. Dies aus gutem Grund. Wer lässt sich schon gerne in sein Lebenswerk hineinregieren und dies gerade von Seiten antiquierter Gewerkschaften, die selber eindeutig einer eigenen Zukunftsstrategie und einem guten Marketing für ihre Sinnhaftigkeit in der Gesellschaft bedürfen.

Einst hatten die Gewerkschaften die Aufgabe, sich für die Rechte der Arbeiter einzusetzen. Heute stellt sich die Frage, ob sich diese gesellschaftlichen Errungenschaft nicht schon überholt hat und zum bloßen formalen Apparat pervertiert, zum Selbstzweck geworden ist. Wo sind da noch die Rolle und die Bedeutung einer Gewerkschaft, wenn es viele Unternehmen im Sinne der Produktivität und Mitarbeiterbindung verstanden haben, auf mehreren Ebenen (monetär, sozial und ideell) in ihre Mitarbeiter zu investieren, um am Ende als Unternehmen auf gesamter Ebene erfolgreich zu sein?

Abwendung des Worst Case durch Eigeninitiative und menschliche Größe

Wie das Fallbeispiel „Servus TV“ zeigte, wurde das Worst Case Scenario einzig und alleine durch die Mitarbeiter des Medienunternehmens selbst abgewendet. Sie wurden initiativ und versicherten in Form eines offenen Briefes an den Eigentümer glaubhaft, dass sie keines Betriebsrates oder einer Gewerkschaft bedürfen, da sie sich im Unternehmen sehr gut behandelt fühlen.

Dietrich Mateschitz, für den sonst zumeist nur der Erfolg zählt, zeigte Größe, indem er ohne Angst vor Gesichtsverlust seine Entscheidung revidierte und somit den Menschen und den damit verbundenen Familien eine Zukunftsperspektive bot. Am Ende stellt sich die Frage, welche Rolle die Gewerkschafter in dieser riskanten Dynamik gespielt haben. Und was viel wichtiger ist, welche Rolle Arbeitnehmervertreter in Zukunft in Hinblick auf vielerlei geänderte Arbeitsverhältnisse noch spielen werden oder noch spielen können.

Daniel Witzeling, (*1985) Studium der Psychologie in Wien. Leiter des Humaninstituts Vienna. Als Sozialforscher beschäftigt er sich mit Problemstellungen rund um die Themenfelder Personalauswahl und Personalentwicklung und der Analyse von menschlichen Potenzialen national und international. Aktueller Forschungsschwerpunkt ist politische Personalentwicklung.

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