Die Ablehnung des Kopftuchverbots durch den Papst kann ich verstehen – ich als Ordensfrau trage auch ein solches als Ausdruck meiner religiösen Überzeugung. Viele, vor allem ältere, Bäuerinnen tragen es aus praktischen Gründen. Da wir nicht mehr in einem christlichen Europa leben, können Christinnen kein Privileg vor anderen Religionen beanspruchen.
Soweit kann ich zustimmen. Aber schon nicht damit, dass der Papst mit keiner Silbe den Unterschied zwischen Kopftüchern beziehungsweise Schleiern, die die Identität der Person nicht verdecken und Burkas erwähnt. Es ist eine Binsenweisheit, dass ein Rechtsstaat die Identifizierbarkeit der Person voraussetzen muss – eine Forderung, die auch gegenüber linksextremen Demonstranten mit Roger-Staub-Mützen zu beachten wäre.
Schwerer verstehe ich den päpstlichen Hinweis auf das „gute familiäre“ Verhältnis von Moslems und Christen in Argentinien, denn dort stellen die Moslems eine extreme Minderheit dar. Es dürfte schwierig sein, ein Beispiel in der Geschichte zu finden, wo Moslems die Macht hatten, ohne die Dhimmis (unterworfene andersgläubige Minderheiten) als Menschen zweiter Klasse zu behandeln. Familiär sind Moslems dort, wo sie selbst eine deutliche Minderheit darstellen.
Noch schwerer verstehe ich, warum die Rede vom christlichen Europa „triumphalistisch oder rachsüchtig“ sein sollte. Sie ist – aus meiner Sicht: leider – überholt; aber Europa wurzelt neben der griechischen Philosophie und dem Römischen Recht zutiefst im Christentum. Das zu negieren, ist nicht nur historisch falsch, sondern kommt einer Entwurzelung Europas gleich.
Last but not least das, was ich am schwersten verstehe: „Islam und Christentum teilen gleiches ‚Eroberungskonzept‘“. Ich kann im Neuen Testament keinen Auftrag zu gewaltsamer Mission finden. Der Missionsauftrag in Mt 28,19-20 spricht von Hingehen – Taufen – Lehren. Ich kenne keinen Text, der Jesus als erfolgreichen Feldherrn zeigt. Dass in späteren Zeiten christliche Mission auch gewaltsam erfolgte, ist daher ein schuldhaftes Abweichen vom Auftrag Jesu. Muhammad hingegen hat selbst mit der kriegerischen Ausbreitung des Islam begonnen und war ein – erfolgreicher – Feldherr. Dass sich die vielen Stellen im Koran, die zur Gewalt gegen „Ungläubige“ aufrufen, verschieden interpretieren lassen, ist eine Chance für den interreligiösen Dialog, aber nicht die Berechtigung zur Gleichsetzung beider Missionskonzepte.
(Am 17.05. hatte Die Presse.com einen Artikel unter dem Titel „Papst: Islam und Christentum teilen gleiches ‚Eroberungskonzept‘“ veröffentlicht).