Die zweite Runde des Präsidentschaftswahlkampfs neigt sich ihrem Ende zu. Am 22. Mai wird sich entscheiden, wer als Nachfolger Heinz Fischers in die Wiener Hofburg einzieht.
Es ist zum erwarteten Lagerwahlkampf gekommen. Dabei gibt sich der Kandidat der Freiheitlichen moderat und versucht, im bürgerlichen Lager zu punkten (das der proletarischen Massen gehört ihm ja bereits). Der Kandidat der Grünen, Van der Bellen, dessen Parteijungvolk gerne den Slogan „Heimat im Herzen und Scheiße im Hirn“ skandiert, führt einen geradezu „völkisch“ zu nennenden Blut-und-Boden-Wahlkampf und geht mit patriotischen Sprüchen hausieren. Er will das höchste Amt jenes Staates erringen, den seine Parteichefin Glawischnig vor laufenden Kameras als „Schurkenstaat“ denunziert.
Eine Gruppe namhafter Vertreter der bei der Vorrunde pulverisierten ÖVP hat sich, wie auch EU-Parlamentspräsident Schulz und EU-Kommissionskapo Juncker, für die Wahl Van der Bellens ausgesprochen, was sich als Wahlkampfturbo für Hofer erweisen könnte. Schon einmal, nämlich 1986, haben „jetzt-erst-recht–Überlegungen“ der Wähler dem damals international angefeindeten Kurt Waldheim letztlich zum Sieg verholfen.
Die Meinungsforscher halten sich nach ihrem peinlichen Debakel beim ersten Wahlgang (sie sahen Van der Bellen klar in Führung) bedeckt. Ihre Kristallkugeln scheinen eine halbe Woche vor dem entscheidenden Wahlgang ausgefallen zu sein.
Nach allen leidlich erfolgreichen Versuchen der beiden Kandidaten, den Wahlkampf nicht auf Gossenniveau auszutragen, geriet ein nicht moderiertes Fernsehduell der beiden Kandidaten dennoch zur Schlammschlacht. Als Österreicher geniert man sich bei der Vorstellung, dass auch Ausländer dieses degoutante Schauspiel erlebt haben könnten.
Eine Umfrage unter den Lesern einer dem blauen Kandidaten keineswegs gewogenen Gratiszeitung ergibt (Stand 18. 5. 07:30 Uhr), dass zwei Drittel der Seher eher von Hofer als von Van der Bellen überzeugt wurden. Der Grüne wirkte nach seiner Metamorphose vom bedächtigen Wissenschaftler zum angriffigen Wahlkämpfer einfach nicht authentisch. Darüber, ob das Fernsehduell ausschlaggebend für den Ausgang der Wahl sein könnte, kann allerdings nur spekuliert werden.
Bezeichnend für die Qualität des heimischen Staatsrotfunks ist, dass der es für angezeigt hielt, die von einem Konkurrenzsender organisierte Debatte zu kommentieren. Zu diesem Zweck wurde zur besten Sendezeit eine „Expertin“ aufgeboten, der zu dem Schlagabtausch – den der Freiheitliche zum Verdruss der durch die Bank linken ORF-Redakteure für sich entscheiden konnte – nichts Besseres einfiel, als auf dessen NLP-Kenntnisse hinzuweisen, mithilfe derer er seinen armen, hilflosen Gegner provoziert hätte. So hat man sich neutrale Berichterstattung einer per Gesetz zur Objektivität verpflichteten Medienorgel immer schon vorgestellt.
Am kommenden Sonntag geht es nicht nur ums Präsidentenamt. Es geht um eine Richtungsentscheidung. Der linke Systempfründner Van der Bellen, der keinen Tag seines Lebens außerhalb geschützter Werkstäten zugebracht hat, steht für einen europäischen Bundesstaat, die beschleunigte Umvolkung durch Einwanderung von Orientalen und Afrikanern in die Alte Welt und für Abtreibungen auf Krankenschein. Sein Gegner, ein vergleichsweise junger Mann mit Erfahrungen in der Privatwirtschaft, präferiert dagegen ein subsidiär verfasstes Europa der Regionen, anstelle eines von Brüssel aus dirigierten Imperiums und einen rigorosen Schutz der Außengrenzen vor unkontrollierter Massenimmigration.
Für die – wesentlich wichtigeren – Wahlen zum Nationalrat, die (falls die Regierung nicht schon vorher scheitert) in rund zwei Jahren über die Bühne gehen werden, ist die Entscheidung vom kommenden Sonntag nicht ohne Bedeutung. Gewinnt Hofer, werden die vereinigten Linken dann zweifellos die Nazi-Karte aus dem Talon ziehen. Sie werden das Bild brauner Kolonnen beschwören, die – wenn sowohl Hofburg als auch Kanzleramt von Freiheitlichen besetzt wären – grölend durch die Straßen ziehen würden.
Diese Strategie würde natürlich weniger gut ziehen, wenn ein Grüner den Ersatzkaiser gibt. Einen Kanzler Strache durch eine Verliererkoalition zu verhindern, könnte sich als für die Blockparteien katastrophal erweisen.
Der an einer dringend nötigen Politikwende interessierte Wähler steht also vor einem Dilemma: Jetzt die besser geeignete Persönlichkeit fürs höchste Amt im Staate wählen oder sich taktisch verhalten und den Sieg des Grünen mit Blick auf die nächsten bundesweiten Wahlen nicht verhindern?
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.