Große Aufregung haben weltweit die Berichte über die Briefkastengeschäfte in Panama ausgelöst. Massiv ist die Empörung bei allen Couleurs, vor allem bei der Linken, die wieder einmal eine gute Gelegenheit sieht, den „bösen“ Kapitalismus und das „böse“ internationale Finanzkapital „anzuprangern“.
Der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel hat bei einem Treffen mit seinem damals noch im Amt befindlichen Parteifreund Werner Faymann am 8. April etwa gefordert „Länder wie Panama auf die Schwarze Liste zu setzen“. Ähnlich äußerte sich auch der sozialistische französische Regierungschef Francois Hollande. Derartige verbale Kraftmeiereien kosten nichts und sind nichts mehr als symbolische Politik.
Noch tiefer war das Niveau der aufgeregt-inkompetenten Grünenchefin Eva Glawischnig anlässlich der Diskussion der „Panama Papers“ im österreichischen Nationalrat mit Aussagen wie: „Österreich sei über viele Jahre das Panama Europas“, ja überhaupt ein „Schurkenstaat“ gewesen. Die naive Eva dürfte noch nie etwas von den anderen – ehemaligen oder noch bestehenden – europäischen Steueroasen gehört haben.
Es ist Heuchelei pur, wenn man etwa nunmehr nur auf das ferne Panama zeigt, und die höchst fragwürdigen Praktiken innerhalb der EU ausblendet.
Es ist erst zwei Jahre her, dass im Zuge der „Luxleaks“-Affäre bekannt wurde, dass Luxemburger Behörden zwischen 2002 und 2010 gezählte 548(!) Steuervereinbarungen mit internationalen Konzernen geschlossen haben, mit dem Ziel, Gewinne, die außerhalb Luxemburgs erwirtschaftet werden, nach Luxemburg zu transferieren, weil sie dort nur zu einem Bruchteil versteuert werden müssen. Letztverantwortlich für diese ungeheuerlichen Tricksereien zum Nachteil der anderen 27 EU-Mitglieder war ein gewisser Jean-Claude Juncker, der in diesem Zeitraum als Finanz- und Premierminister agierte. Seitdem wird an einer Bereinigung dieses Problems gearbeitet, wobei Meinungsverschiedenheiten bislang eine Regelung verhindern. („Konkrete Ergebnisse“ gibt es allerding für die Enthüller der schmutzigen Steuerdeals: Sie stehen in Luxemburg vor Gericht.)
Dies dürfte unter anderem daran liegen, dass auch andere EU-Länder – Holland, Irland, Malta oder Zypern fallen einem hier spontan ein – derartigen Deals nicht abgeneigt sind. Der europäische Steuerzahler fragt sich staunend, wie so etwas möglich sein kann und wieso gerade die EU, die bei trivialen Themen von einer oft ins Lächerliche gehenden Regulierungswut besessen ist, in dieser Frage so großzügig ist und Milliardenbeträge ungehindert wandern lässt.
Hier zeigt sich – wie etwa täglich in der Migrationsfrage – die mangelnde Problemlösungskapazität der EU, die immer öfter ihre Ineffizienz und Hilflosigkeit unter Beweis stellt.
Wenn man etwa bedenkt – um nur zwei Bereiche zu erwähnen –, dass trotz evidenter Terrorgefährdung der Informationsaustausch noch immer nicht funktioniert oder dass die EU seit über zehn (!) Jahren mit Ländern wie Marokko oder Algerien über Rückführungsverträge von nicht anerkannten Asylwerbern verhandelt. Da fragt sich der Bürger, wie ernst diese „große und mächtige“ Staatengemeinschaft mit 28 Mitgliedern und rund 500 Millionen Einwohnern genommen wird (oder wie ernsthaft möglicherweise die Brüsseler Bürokraten dieses Thema verhandeln).
Und Griechenlands ungelöste Finanzprobleme, die zwar durch die Migrationskrise etwas aus dem Fokus geraten waren, nunmehr aber wieder eine Finanzspritze der Euro-Länder für den gescheiterten Staat erforderlich machen werden, erinnern schmerzlich an die teure Inkompetenz der Euro-Zone seit sechs Jahren.
Ein Staat, der erwiesenermaßen nicht in der Lage ist, seine eigenen Geschäfte zu besorgen – von der Kontrolle seiner Grenzen bis zu funktionierenden Rahmenbedingungen für einer geregelte Wirtschaftspolitik – wäre früher einmal Kandidat für ein Protektorat gewesen. So etwas geht natürlich heute nicht mehr; das würde dem „Zeitgeist“ wie auch dem „Stolz und der Würde des griechischen Volks“ widersprechen. Und so werden wir weiter das Geld der europäischen Steuerzahler in ein Fass ohne Boden schütten.
Diese und andere Entwicklungen beschädigen die Glaubwürdigkeit der EU massiv, lösen bei vielen Bürgern zunehmende EU-Verdrossenheit aus und befördern das Entstehen beziehungsweise Erstarken EU-kritischer Parteien und Bewegungen.
Prof. Dr. Herbert Kaspar war langjähriger Herausgeber und Chefredakteur der ACADEMIA. Der Beitrag ist sein adaptierter Gastkommentar in der Mai-Ausgabe der ACADEMIA.