Die Debatten um die den Betrieben von der Regierung verordneten Registrierkassen reißen nicht ab. Hohe Anschaffungskosten, vermehrte Bürokratie und institutionalisiertes Misstrauen beklagen die einen; Mehr Steuerehrlichkeit und vermehrte Einnahmen für den Staat reklamieren die anderen. Insbesondere linke Kräfte argumentieren mit dem Fairness-Argument: Immerhin könnten ja unselbständig Beschäftigte auch keinen Cent an Steuern verkürzen. Ergo: gleiches Recht für alle!
Ein Aspekt wird bei diesen Diskussionen völlig ausgeblendet: Wesen und Sinn des Unternehmertums. Die in Wahrheit einzige Aufgabe der Unternehmen ist es, kaufkräftige Nachfrage mit Waren und Dienstleistungen zu befriedigen. Basta. Unternehmen sind weder dazu da, um als Arbeitsbeschaffungsinstitute zu fungieren, noch um dem Finanzminister und den Sozialversicherungen als verlängerte Werkbänke zu dienen. Genau dazu werden sie aber genötigt – wiewohl es nicht dem Unternehmenszweck dient. Jede ihnen von der Obrigkeit aufgezwungene Aufgabe, die außerhalb des Betriebsziels liegt, führt zu höherem Aufwand und zu einer geringeren Produktivität. Die Kosten dafür werden selbstverständlich auf die Konsumenten abgewälzt. Dass Arbeitnehmer ihre Steuern und SV-Abgaben nicht selbst zu errechnen und abzuführen haben, ist also nur scheinbar ein Gewinn für sie. Die Rechnung dafür bezahlen sie nämlich bei jedem ihrer Einkäufe. Denn auch die von den Betrieben notgedrungen engagierten Lohnverrechnungs- und Steuerberaterkanzleien arbeiten schließlich nicht für Gottes Lohn.
Wer allerdings die Welt außerhalb geschützter Werkstätten nie kennengelernt hat und nie gezwungen war, betriebswirtschaftliche Überlegungen umzusetzen – und das trifft auf die überwiegende Zahl derjenigen zu, die für Wirtschaftsregulierung und Fiskalgesetzgebung verantwortlich sind – macht sich davon naturgemäß keine Vorstellung. Wenn es nicht so grotesk wäre, könnte man darüber ja glatt in Heiterkeit ausbrechen: Typen, die keine leise Ahnung davon haben wie man sich werteschaffend betätigt, produzieren am laufenden Band Vorschriften, an denen die produktiv Tätigen sich zu orientieren haben. Witzig, nicht wahr?
Für Staatsbürokraten, Gewerkschafter und Intellektuelle sind Unternehmer dubiose Figuren und Klassenfeinde, die rigoros zu bevormunden, zu überwachen und auszunehmen sind. Die einzige Aufgabe der Unternehmen besteht demnach in der Abführung hoher Steuern und in der Bereitstellung sicherer, komfortabler und möglichst hochbezahlter Arbeitsplätze. Dies ist allerdings eine fundamentale Fehleinschätzung, die zur Folge hat, dass insbesondere der gut ausgebildete Nachwuchs im Land der Hämmer nicht im Traum daran denkt, unternehmerisch tätig zu werden. Wer in Österreich studiert, der will Beamter werden (oder auf andere Weise parasitär leben). Konsequenz: Das Land „sandelt wirtschaftlich ab“, wie WKO-Präsident Leitl in einem lichten Moment einst korrekt feststellte.
Während die Universitäten in den USA die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsbetrieben nach Kräften fördern (das gilt natürlich auch dort nicht für die beliebtesten Spielwiesen linker Spinner, wie Soziologie oder Politikwissenschaften), Joint Ventures bilden und die Studenten schon während der Ausbildung dazu animieren, unternehmerisch tätig zu werden, ist hierzulande das Gegenteil der Fall. Unter Marktbedingungen tätig werden – am Ende gar selbständig? Igitt!
Unternehmerischer Erfolg wird hierzulande, dank der emsigen Wühlarbeit der sozialistischen Neidgenossenschaft, vom Hautgout der Kriminalität, Ausbeutung wehrloser Lohnsklaven und routinemäßiger Steuerhinterziehung umweht. Ansehen genießt dagegen, wer sich von den vermeintlich trostlosen Niederungen des Marktes fernhält und sein Sinnen und Trachten stattdessen darauf richtet, produktiv Tätigen Vorschriften über Art und Weise deren Tätigkeit zu machen.
Die Einführung der Registrierkassenpflicht ist erklärtermaßen der erhofften Vereitelung von Abgabenhinterziehung geschuldet. Während die Steuerlast unselbständig Erwerbstätiger durch die aktuelle Steuerreform immerhin moderat gemildert wird, werden Unternehmer ab sofort noch stärker bluten. Jeder Unselbständige frohlockt über die paar Euro, die ihm nun netto übrigblieben. Dass dieses zusätzliche Geld aber von seinem Dienstgeber aufzubringen ist, weil der jetzt beispielsweise um immerhin zehn Prozent mehr Kapitalertragssteuer – nämlich 27,5 anstatt wie bisher 25 zu bezahlen hat, wird entweder nicht wahrgenommen oder sogar begrüßt.
Dass unternehmerische Tätigkeit auch in jenen Fällen mit Wertschöpfung verbunden ist, in denen keine Steuern abgeführt werden, scheint nicht zu interessieren. Ob aber der Staat sein Schutzgeld vom Unternehmer nun erhält oder nicht – Wertschöpfung findet jedenfalls statt. Der Wiederaufbau Österreichs nach dem Krieg, wäre ohne steuerschonende „Nachbarschaftshilfe“ unmöglich gewesen. Klartext: Der heute vorhandene Wohlstand verdankt sich zu einem guten Teil der systematischen Steuerhinterziehung. Und heute? Wer heute 15 Euro Nettostundenlohn erhält, dem dürfte es nicht leichtfallen 70 Euro für eine „weiße“ Handwerkerstunde zu löhnen. Folglich folgen nach wie vor zahlreiche Mitbürger der fiskalfeindlichen Devise: Es lebe der Pfusch!
Eine Prognose kann jetzt schon gefahrlos gewagt werden: Der Versuch, auch noch die letzten Schlupflöcher zu verstopfen, durch die der eine oder andere Steuercent versickert ist, wird eine kontraproduktive Wirkung entfalten. Viele Kleinunternehmer werden aufgeben, weil ihnen der Mehraufwand unverhältnismäßig erscheint. Viele andere werden ihr Angebot – und damit ihre Nachfrage nach Mitarbeitern – einschränken. Steuerliche Mindereinnahmen einerseits und erhöhter Aufwand für die Arbeitslosenunterstützung anderseits werden die Folge sein.
Den Konsumenten werden viele preiswerte Angebote nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Erwartung des Fiskus, durch Registrierkassen und verstärkten Einsatz von Steuerschergen höhere Einnahmen lukrieren zu können, wird sich als Illusion erweisen.
Was die weiter oben apostrophierte Frage der „Fairness“ angeht: Wer ernsthaft fiskalische „Waffengleichheit“ zwischen Selbständigen und Unselbständigen herstellen möchte, braucht nur eines zu tun: Die Unternehmen von der Bürde zu entbinden, Steuern und Abgaben ihrer Mitarbeiter an die verschiedenen Staatskassen abzuführen. Wenn jeder Arbeitnehmer seine Steuern und SV-Abgaben selbst abrechnet (oder auch nicht), wäre doch endlich totale Gleichheit vor dem Fiskus hergestellt, nicht wahr?
Seltsam, dass die auf „Steuergerechtigkeit“ so erpichten Sozialisten und Gewerkschafter diese Forderung nicht längst auf ihre Fahnen geschrieben haben…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.