Der Krieg ist doch die Mutter (fast) aller Dinge
25. März 2016 00:33
| Autor: Andreas Unterberger
Lesezeit: 5:00
Wieder einmal haben andere gehandelt, während Europa geschwätzt und sich in moralistischer Betroffenheit ergangen hat. Das Ergebnis dieses Handelns anderer scheint aber vor allem für Europa zur frohesten Botschaft des heurigen Osterfestes zu werden – auch wenn es nicht gerade vom Geist eines christlichen Pazifismus geprägt ist, sondern von wehrhaftem Mut und Einsatz gegen das absolut Böse.
Viel spricht jedenfalls dafür, dass dem „Islamischen Staat“ derzeit im Nahen Osten entscheidende Schläge versetzt werden. Der Erfolg wird vor allem durch die Gleichzeitigkeit der Angriffe der jeweiligen Regierungstruppen und ihrer Verbündeten in Syrien (auf Palmyra) und im Irak (auf Mossul) ermöglicht. Ich wäre auch wenig überrascht, wenn wir in den nächsten Tagen in ähnlicher Weise noch von einem kurdischen Großangriff an der Nordfront auf die dritte vom IS gehaltene größere Stadt (Raqqa) erfahren sollten. Die Kurden sind ja noch besser mit den Amerikanern vernetzt als die beiden Regierungen.
Der Zangenangriff in Syrien und Irak erinnert Kriegshistoriker an beide Weltkriege, wo jeweils die Gleichzeitigkeit von West-, Ost- und Südfront den Kriegsausgang entschieden hat.
Viele Aktionen der letzten Tage und Wochen haben das, was sich derzeit abspielt, offensichtlich geschickt und geheim vorbereitet – auch wenn man jetzt erst die Puzzlesteine zusammensetzen kann. Die wichtigsten dieser Puzzlesteine:
- Der von den beiden Supermächten erzwungene Waffenstillstand in Syrien zwischen Assad-Regierung und den gemäßigteren Oppositionsmilizen, der es ermöglicht hat, Regierungskräfte Richtung IS umzulenken;
- Die auffallend freundlichen Töne zwischen Moskau und Washington;
- Gezielte Luftangriffe vor allem durch Russland und Amerika, aber auch einige andere Verbündete, auf IS-Stellungen (zum Unterschied von den vergangenen Monaten, da Russland primär die gemäßigten Oppositionskräfte bombardiert hat, und Amerika nur wenig engagiert war);
- Der groß hinausposaunte russische Teilabzug, der offenbar ein geschicktes Ablenkungsmanöver war, da es weiterhin russische Luftangriffe gibt;
- Die effiziente militärische Aufrüstungshilfe der Supermächte für die Gegner des IS, was nicht zuletzt den beiden Regierungen zugute gekommen ist, die ja da wie dort noch vor einem halben Jahr zum Untergang verdammt schienen;
- Die von Moskau in den letzten Tagen herbeigeführte Mäßigung des Assad-Regimes gegenüber der gemäßigten Opposition, während Assad noch vor einem Monat ob des Erfolgs des russischen Eingreifens rund um Aleppo in einen provozierenden Triumphalismus verfallen war;
- Die wohl von den USA herbeigeführte Abwendung der Türkei vom IS, dessen Aufstieg einst ohne Ankara gar nicht möglich gewesen wäre, der jetzt jedoch für Ankara keine Zukunftsoption mehr ist;
- Der wohl damit im Zusammenhang stehende Deal der EU mit der Türkei (der zwar eindeutig viele schlechte Seiten hat, der aber offenbar dazu beigetragen hat, die Türkei vom IS loszuschweißen);
- Die nach Verzweiflung und Ablenkung aussehenden Anschläge des IS in Istanbul und Brüssel, die beweisen, dass die radikalen Islamisten selbst eine Verschlechterung ihrer strategischen Situation sehen – und daher an anderen Orten Stärke simulieren wollen (und außerdem jetzt auch ihren Zorn über die Türkei abladen wollen);
- Die wachsende Geldknappheit des IS, der nicht mehr vom Ölschmuggel Richtung Türkei profitieren kann, was aber auch mit dem drastischen Verfall des Ölpreises zusammenhängt;
- Die weitgehende Aussöhnung des Irans mit dem Westen;
- Die Tatsache, dass der begeisterte Marsch vieler – angeblich sind es 5000! – europäischer Moslems („Flüchtlinge“ der ersten, zweiten oder dritten Generation) in die Reihen des Islamischen Staates weitgehend zum Stillstand gekommen ist, offensichtlich weil die europäischen Moslems immer mehr von den Grässlichkeiten der Fundamentalisten abgeschreckt werden und immer weniger von den 99 auf jeden einzelnen Terroristen laut Koran wartenden Jungfrauen im Jenseits überzeugt sind;
- Die immer dichter gewordenen Hinweise, dass etliche amerikanische Elitetruppen insgeheim auch am Boden involviert sind, dass dort sogar amerikanische Artillerie gegen den IS im Einsatz ist.
Gewiss, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Aber ebenso gewiss ist, dass der Kampf gegen den Islamismus nur mit Härte und nicht mit dem europäischen Betroffenheits-Gefasel und Gedenkfeiern gewonnen werden kann. Und daher ist auch gewiss wieder einmal Dankbarkeit und Demut gegenüber den USA, aber diesmal auch eindeutig Russland gegenüber am Platz.
Dankbarkeit sollte man übrigens weiterhin täglich, wenn auch aus einem etwas anderen Grund, dem kleinen Mazedonien entgegenbringen.
Wenn sich die Lage in Syrien weiter so verbessert, wie man jetzt hoffen darf, dann werden für Europa drei andere Aufgaben dringlich:
- Erstens eine rasche Wiederbelebung der europäischen Armeen und der (etwa in Belgien schon seit langem am Rande des Zerfalls stehenden) Polizeikräfte. Ist es doch unwahrscheinlich, dass Amerikaner oder Russen noch ein weiteres Mal die Kohlen für Europa aus dem Feuer holen werden. Man analysiere nur den wachsenden Isolationismus, der hinter den Erfolgen des US-Präsidentschaftskandidaten Trump steht, der aber auch schon in gemilderter Form die Obama-Präsidentschaft vom Interventionismus der Bushs unterschieden hat. Die Amerikaner wollen immer weniger den dauernden Weltpolizisten spielen. Und die Russen sind dazu nicht einmal imstande.
- Zweitens sollten bei dem sich jetzt abzeichnenden Erfolg des Anti-IS-Kriegs alle nach Europa gekommenen Syrer wieder zurück nach Syrien gebracht werden. Es war ja schon immer ein Unsinn, dass Österreich eine dreijährige Periode für das Asyl auf Zeit festgelegt hat.
- Drittens sollte man die Informationen viel ernster nehmen, dass sich weiterhin Tausende IS-Sympathisanten irgendwo in Europa befinden. Die Terrorgefahr ist alles andere als zu Ende, wie auch ein nur zwei Tage nach Brüssel im offenbar letzten Moment in Paris aufgedeckter Anschlag zeigt. Nur ein sehr energisches polizeiliches Vorgehen, internationale Kooperation und neue Gesetze werden diese Gefahr – nicht beseitigen, aber zumindest langfristig deutlich reduzieren können.
zur Übersicht