Sozialromantisch veranlagte Naturen sind davon überzeugt, dass mit der erzwungenen Herstellung materieller Gleichheit alles Übel aus der Welt zu schaffen wäre. Als Mittel zu diesem vermeintlich edlen Zweck dient die – bereits von Karl Marx in seinem „Kommunistischen Manifest“ geforderte – progressive Einkommensteuer zwecks „sozialer Umverteilung“.
Rezenter Ausfluss der zutiefst freiheitsfeindlichen Utopie kollektiver materieller Gleichheit ist die Forderung nach einem „bedingungslosen Grundeinkommen“, das jedermann zustehen soll. Selbst in der in Wirtschaftsfragen so nüchtern denkenden Schweiz finden sich Protagonisten dieser skurrilen Idee. 2.500 Franken pro Nase sollen es monatlich sein. Am fünften Juni wird über die Initiative abgestimmt.
Schon gibt es detaillierte Modellrechnungen, wie denn dieser Spaß zu finanzieren wäre. Die beiden wichtigsten Einwände dagegen werden indes gar nicht beachtet.
Der erste davon ist ganz offensichtlich: jede Form von Erwerbsarbeit verlöre mit dem anstrengungsfrei ausbezahlten „Grundeinkommen“ ihren Sinn. Im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu verdienen – damit wäre es vorbei. Niemand wäre gezwungen, seinen Lebensunterhalt verdienen, einen Dienst an seinen Mitmenschen leisten zu müssen, um an Geld zu kommen. Das gäbe es dann schließlich für nichts. Man könnte sich voll und ganz seinen Neigungen widmen und absolut bedenkenlos in den Tag hineinleben. Toll! Da ist es endlich, das von Marx erträumte Paradies der proletarischen Massen, in der jeder nach Belieben seinen Lüsten frönt und dennoch sein Auskommen hat.
Dass bei Wegfall jeglicher Leistungsanreize die Größe des zu verteilenden Kuchens – das gesamte Wohlstandniveau – natürlich drastisch abnehmen würde, scheint keinen der Befürworter des „bedingungslosen Grundeinkommens“ zu irritieren.
Wenn der Volksmund recht hat; wenn es also stimmt, dass Müßiggang aller Laster Anfang ist, stünden uns wirklich interessante Zeiten bevor.
Der zweite Punkt betrifft die „Bedingungslosigkeit“. Die ist ein aufgelegter Schmäh. Es gibt nämlich keine Wirkung (Konsum) ohne Ursache (Anstrengung). Zwar ist es möglich, einen Kreis „bedingungslos“ Anspruchsberechtigter willkürlich zu definieren. Allerdings kommt niemand um die Notwendigkeit einer Wertschöpfung herum, um das staatliche Füllhorn über die glücklichen Begünstigten ausschütten zu können. Diese Wertschöpfung aber bindet sich an die Bedingung, dass es produktiv tätige Menschen gibt, die bereit sind, sich von den staatlich beschenkten Müßiggängern um die Früchte ihrer Arbeit bringen – also faktisch versklaven – zu lassen. Der Begriff „Bedingungsloses Grundeinkommen“ ist nichts weiter als ein zynischer Etikettenschwindel.
Es geht vielmehr um eine auf die Spitze getriebene Form der materiellen Umverteilung von Produzenten zu Nichtproduzenten, von Tüchtigen zu Faulen, von den Planenden und Schaffenden zu den hemmungslosen Hedonisten.
Verheerender könnte ein von den Machthabern gesendetes Signal gar nicht wirken. Kaum ein staatliches Regulativ könnte schwerer wiegende Konsequenzen nach sich ziehen und hätte negativere Folgen für die in einer Gesellschaft herrschende Moral. Denn Gemeinwesen, in denen jedermann selbst für seinen Lebensunterhalt sorgt, werden weitgehend konfliktfrei funktionieren und langfristig stabil sein. Solche dagegen, in denen jedermann danach trachtet, auf Kosten anderer ein müßiges Leben zu führen, müssen zwangsläufig ins Chaos stürzen.
Denn selbstverständlich, darauf laufen alle bislang vorliegenden Modellrechnungen hinaus, sind zur Finanzierung dieser haarsträubenden Wählerbestechungsfarce drastische Steuererhöhungen erforderlich. Das heißt, diejenigen, die für die vom Staat verschenkten Wohltaten zu bezahlen haben, sollen für ihre Werktätigkeit und/oder ihr unternehmerisches Engagement noch schwerer bestraft werden, als das bereits jetzt der Fall ist.
Wer ernsthaft vorhat, den gesellschaftlichen Zusammenhalt restlos zu zertrümmern und den Kampf aller gegen alle zu initiieren, braucht nur jede produktive Tätigkeit vom dafür gebührenden Entgelt zu entkoppeln, die Fleißigen auszuplündern und die Faulen zu mästen. Denn anzunehmen, dass ein solcher Plan ohne die vollständige Zerstörung der bestehenden (Wirtschafts-)Ordnung über die Bühne gehen könnte, wäre absurd. Wer würde wohl noch dort arbeiten oder investieren, wo man ihn zum Dank dafür postwendend „bedingungslos“ enteignet?
Mangel und Elend für alle wären das langfristige Resultat – wie überall, wo man sich daranmacht, linke Utopien in die Tat umzusetzen.
Wie die Ergebnisse vieler Abstimmungen in der Vergangenheit bereits eindrucksvoll gezeigt haben, sind die Schweizer ein mehrheitlich überaus besonnen agierendes Volk. Sie haben ein feines Gespür für die gesellschaftlichen Kosten sozialer Wohltaten. Es darf daher angenommen werden, dass der Initiative eine massive Abfuhr erteilt werden wird.
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.