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Politik ist Emotion

Politik ist pure Emotion. Sie hat bei weitem nicht die Bedeutung, die viele Politiker über die Medien zum Ausdruck bringen.

Jedesmal, wenn man im Fernsehen Nachrichten schaut, blickt man in oft ausdruckslos, seriöswirkenwollende Gesichter von Politikern. Selten kommt es vor, dass in von Redaktionen zusammengesetzten Talkrunden eine Persönlichkeit hervorsticht, die sich kein Blatt vor dem Mund nimmt und Emotionen freien Lauf lässt. Es käme beim Publikum nicht gut an, wird von Experten behauptet, wenn jemand in seiner verbalen Diktion aus dem Rahmen einer distinguierten Runde fällt, indem er so redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.

Wie ist es so weit gekommen, dass jeder Politiker in dem Moment, wenn ihm ein Mikrophon vor den Mund gehalten wird, in einen Sprachduktus verfällt, in dem er ganz eindeutig von professionellen Schauspielern oder Sprechern gecoacht wurde? 

Mit Hilfe von Tiefeninterviews kann man feststellen, wie die Stimme im O-Ton umschlägt. Im selben Moment stellt sich auch im „Oberstübchen“ eine eigenartige Leere ein, die für die banalen stereotypen Aussagen der Politiker verantwortlich ist.

Viele unserer lieben Volksvertreter werden von Journalisten außer Dienst gecoacht. Authentizität im Ausdruck soll das Lernziel sein.

Aber im Gegenteil bekommt die noch vorhandene Identität eine zusätzliche Schieflage, indem Selbstbild und Fremdbild sich so kontrastieren, dass ein völlig entfremdetes Wunschbild des Politikers über den Bildschirm kommt.

Sprechtechnik, gecoacht und garniert mit Ratschlägen zur Gestik und Körperhaltung sind manchmal hilfreich, irritieren aber mehr den Ausdruck einer individuellen Identität.

Immer wieder rätselt man, was einen charismatischen Politiker ausmacht, dessen Ausführungen die Menschen emotional berührt lauschen. Kopf und Bauch sind bei ihnen wie beim Kleinkind miteinander abgestimmt. Nun werden gerade diese Politiker, die bei den Menschen gut ankommen und vor allem gut verstanden werden, abwertend als Demagogen bezeichnet. Demagoge, auf Griechisch Volksverführer, hat aber etwas erotisch Emotionales an sich. Kann das nur schlecht sein?

Jeder weiß, dass ein spannender Roman dann zum Bestseller wird, wenn er Spannung in Form von Emotionen in die Handlung bringt. Das Dilemma der Politik heute im Zeitalter der globalen multimedialen Kommunikationsvernetzung ist, dass unsere Politiker mit wenigen Ausnahmen der Entwicklung der Kommunikationskultur, die vorwiegend mit Emotion arbeitet, hilflos gegenüber stehen. Ihr Auftritt wirkt mehr gekünstelt als kompakt und ident.

Dr. Franz Witzeling ist Soziologe und Psychologe    

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