Es sind dramatische Bilder, die uns seit Monaten ins Haus geliefert werden. Hunderttausende, ja Millionen von Menschen haben sich, wie auf ein verabredetes Zeichen hin, in Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten auf den Weg gemacht, um Europa zu stürmen. Der Weg der Migranten zum angestrebten Ziel, der Segnungen des Wohlfahrtsstaats der Alten Welt teilhaftig zu werden – und das ohne jede Gegenleistung – ist indes nicht gefahrlos zu bewältigen.
Immer wieder passiert es, dass einige der illegal Einreisenden umkommen. Etwa wenn ein verrosteter Seelenverkäufer bei der Fahrt übers Mittelmeer kentert oder wenn ein klappriger Kleintransporter auf der Fahrt verunglückt.
Die Dokumentation des bei derlei Ereignissen entstehenden Leides geht ans Herz. Der Anblick der Leiche eines ertrunkenen Dreijährigen lässt niemanden kalt. Ob die Unglücksopfer tatsächlich Flüchtlinge sind oder nicht, spielt keine Rolle. Nur auf die Reaktion der Öffentlichkeit kommt es an. Und die ist kalkulierbar. Denn Mitleid ist ein zutiefst menschlicher Reflex, der sich von kundiger Hand in klingende Münze umsetzen lässt.
Darum wissen auch die Verantwortlichen der Asylindustrie Bescheid, die den Voyeurismus des Publikums nutzen, um mit der Kolportage tragischer Ereignisse ein Maximum an Betroffenheit, politischer Unterstützung, vor allem aber Spendenaufkommen, zu generieren. Mit der möglicherweise geschäftsschädigenden Wahrheit nehmen es die Damen und Herren Asylindustriellen nicht genau: Da mutiert ein seit Jahren auf sicherem Terrain lebender Mann, auf dem Weg zur erhofften Gratiszahnsanierung in Wohlfahrtshausen, schon einmal zum „Flüchtling“.
Die profitable Bewirtschaftung von Elend, Leid und Schrecken ist ein höchst erfolgreiches Geschäftsmodell, dem alles Übrige untergeordnet wird. Hunderttausende arglose Spender wollen schließlich ihre Großherzigkeit gewürdigt wissen; und die Politschranzen, Bürokraten, Lohnschreiber und Mitarbeiter der Elendsbewirtschaftungsindustrie wollen bezahlt werden. Wer nicht ins Bild des bedauernswerten Verfolgten passt, wird von der veröffentlichten Meinung passend gemacht. [1]
Dass Völkerwanderungen Probleme und Gefahren für die Heimgesuchten mit sich bringen – nicht selten sogar den Untergang von Völkern und Kulturen bedeuten – interessiert nicht. Oder aber eine offensichtlich dräuende Bedrohung wird verdrängt. Man fühlt sich an Max Frischs Drama „Biedermann und die Brandstifter“ erinnert: Es reicht nicht, dabei zuzusehen, wie Wildfremde den Hausbesitzern Benzinfässer auf der Dachboden rollen. Nein, am Ende liefert das verblendete Opfer auch noch die Streichhölzer, damit das Zerstörungswerk vollendet werden kann.
Lockruf des Wohlfahrtsstaates
Es liegt auf der Hand, welche Wirkung die Einladung der deutschen Kanzlerin und die Bilder von auf deutschen Bahnhöfen bejubelten Zügen voller eben angekommener „Flüchtlinge“ auf jene Menschen in Afrika und Arabien ausüben, die mit dem Gedanken an eine Auswanderung spielen.
Die aktuelle Entwicklung zu Ende gedacht: Sollen 100 Millionen Menschen (die Bürger Deutschlands, Österreichs und Schwedens, die bislang rund 90 Prozent der Immigranten aufnehmen), 500 Millionen potentieller Einwanderer aus Afrika und Asien willkommen heißen und auf unabsehbare Zeit durchfüttern?
Der Kardinalfehler der politischen Klasse war und ist es, nie über die Grenzen der Belastbarkeit des europäischen Gemeinwesens nachgedacht, klare Regeln aufgestellt und darauf basierende Höchstgrenzen des Fremdenzuzugs festgelegt zu haben.
Dass die dem Lockruf des Wohlfahrtsstaates gefolgten Immigranten (freiwillig) je wieder heimkehren werden, ist unwahrscheinlich. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Denn wer erst einmal im von anderen finanzierten Wohlfahrtsparadies angekommen ist, verspürt keine Lust, dorthin zurückzukehren, wo man für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten und für Gesundheitsdienstleistungen zu bezahlen hat.
Traum und Wirklichkeit
Wie im Krieg, so bleibt auch bei der Flüchtlinge-willkommen-Medienkampagne die Wahrheit auf der Strecke. Begriffsumdeutungen und Tatsachenverdrehungen sind erprobte Mittel zur Meinungsmanipulation: Zwischen Flüchtlingen und Asylsuchenden einerseits und Wirtschaftsmigranten andererseits wird nicht unterschieden.
Jeder in Deutschland, Österreich oder Skandinavien um Asyl ansuchende Mensch hat zuvor sicheres Terrain überquert. Sobald ein Syrer oder ein Iraker seinen Fuß auf türkischen, oder ein Afrikaner den seinen auf italienischen Boden setzt, ist er in Sicherheit. Ab diesem Moment treiben ihn nur noch wirtschaftliche Interessen weiter. Der Wunsch des Migranten, die Wohltaten des von Deutschen und Schweden finanzierten Wohlfahrtsstaates zu genießen, steht deren berechtigten Erwartungen entgegen, die Früchte ihrer Arbeit selbst genießen zu können.
Da ein „Asyl á la Carte“ in keiner UN-Charta vorgesehen ist, steht keinem Flüchtling ein Recht darauf zu, sich ein möglichst komfortables Ziel auszusuchen.
Wer es indes über die Grenzen der gelobten Länder schafft, wird – dank unbedachter Einladungen – von der vollen Wucht der nord- und mitteleuropäischen Willkommenskultur getroffen. Die Begeisterung der dort lebenden Eingeborenen für die Zuwanderer, verhält sich umgekehrt proportional zu deren Nettosteuerleistung, auch wenn diese Tatsache von den Hauptstrommedien totgeschwiegen wird. Der typische Refugees-welcome-Aktivist, ist Student, NGO-Mitarbeiter, Bürokrat, Rentner oder selbst ein alimentierter Immigrant. Jedenfalls kein sein Geld unter Marktbedingungen verdienender Handwerker, Freiberufler oder Unternehmer. Wer für sein Geld hart zu arbeiten hat, verstreut es mit etwas weniger Begeisterung gegenleistungsfrei unter die Leute, als Benefiziare des Wohlfahrtsstaates.
Osteuropäer sind deshalb zurückhaltender als Deutsche, Schweden und Österreicher, wenn es darum geht, jedermann willkommen zu heißen. Kein Wunder: Ist es doch noch nicht allzu lange her, dass man dort die eigenen Unterdrückungsapparate abgeschüttelt und sich wirtschaftlich hochgearbeitet hat. In den Staaten des ehemaligen Ostblocks hat man daher wenig Verständnis für Menschen, die vor Schwierigkeiten in ihren Heimatländern davonlaufen und ihre angeblich oder tatsächlich gefährdeten Angehörigen daheim zurücklassen.
Die Verteilung fremden Eigentums
Die Probleme der laufenden Massenimmigration wurzeln allesamt im Wohlfahrtsstaat. Die „Flüchtlinge“ meiden nicht zufällig den Osten Europas, wo der wohlfahrtsstaatliche Kollektivismus nicht derart ungehemmt tobt wie etwa in Schweden. Von den Einwanderungsländern in Übersee ganz zu schweigen, in denen strenge Einwanderungsregeln gelten und wo nur die Besten eine Chance auf legale Einreise haben. Wer nach Europa strebt, hat nicht vor, durch übertriebene Leistungsbereitschaft aufzufallen. Die Alte Welt ist nur für Einwanderer in die Sozialsysteme attraktiv.
In einem die privaten Eigentumsrechte der Bürger respektierenden Gemeinwesen wäre eine „Flüchtlingskrise“ übrigens undenkbar. Analog zum Recht der Hauseigner, sich vor Eindringlingen zu schützen, bestünde auch ein Recht darauf, das „Haus Deutschland“, „Haus Österreich“, „Haus Schweden“ oder „Haus Europa“ gegen Zuwanderer abzuschotten. Dieses Recht wurde den Bürgern Europas – mitsamt ihrem uneingeschränkten Recht auf privates Eigentum – von den Regierenden entrissen.
Sicherung der Sozialsysteme?
Zuwanderungsapologeten behaupten, dass uns gar nichts Besseres passieren kann als die aktuelle Massenimmigration. Argumentiert wird mit der Vergreisung unserer Gesellschaften, dem daraus folgenden Arbeitskräftemangel und der unter Druck geratenden Finanzierung der Renten. Dass sich der in High-Tech und Hochlohnländern zu backende Kuchen infolge des Zuzugs von Massen ungelernter Migranten (ein guter Teil davon sind Analphabeten) vergrößern lässt, glauben indes nur Dorftrottel, Intellektuelle oder Nationalökonomen, die ihre Elfenbeintürme niemals verlassen.
Die komme-wer-da-wolle-Immigrationspolitik Deutschlands ist gegenwärtig das am meisten Sprengstoff bergende Phänomen [2]. Kein maßgeblicher Politiker Eurolands heißt den Alleingang Merkels in der „Flüchtlingsfrage“ gut. Seitdem sie erschrocken feststellen musste, dass sie die Büchse der Pandora geöffnet hatte, beschwört sie die „europäische Solidarität“ in dieser Angelegenheit und fordert eine „gerechte Verteilung“ der Einwanderer auf alle Mitgliedstaaten der EU.
Das ist eine Chuzpe, die das Potential birgt, noch tiefere Gräben zwischen den Nationen aufzureißen, als das die “Eurorettung“ geschafft hat. Weshalb irgendein Europäer sich mit der von ihm abgelehnten Politik der deutschen Kanzlerin „solidarisch“ erklären sollte, weiß nur sie.
Fazit
Alles spricht für die Personenfreizügigkeit, solange jeder selbst für seinen Unterhalt aufkommt. Immerhin wurden etwa die USA durch europäische Einwanderer aufgebaut. Die wollten durch eigene Anstrengung ihr Los verbessern. Was für ein Unterschied zu den Bedingungen, unter denen die aktuelle Einwanderungswelle nach Europa läuft! Außer anmaßenden Forderungen und Begehrlichkeiten, haben die Migranten dieser Tage nicht viel im Gepäck.
Eine Einwanderung in fremdfinanzierte Sozialsysteme ist indes weder logisch noch moralisch zu argumentieren. Der Nutzen der Einwanderer darf nicht durch Nachteile für die bereits Ansässigen erkauft werden. So wie das vor 100 und mehr Jahren mit der Einwanderung in die USA der Fall war, so muss es auch heute wieder sein. Damals bestand für die USA und ihre Zuwanderer eine Win-win-Situation. Heute dagegen schaut für Europa deutlich weniger als ein Nullsummenspiel heraus…
Milton Friedman verdanken wir die Einsicht: „Man kann offene Grenzen oder einen Wohlfahrtsstaat – aber nicht beides zugleich haben.“ Dessen eingedenk, gibt es nur eine einzige Wahl: Weg mit dem Wohlfahrtsstaat!
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.
Fußnoten: