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Die falsche Fehlerkultur von VW

Der VW-Skandal weitet sich anscheinend immer mehr aus. Die amerikanische Umweltbehörde EPA erhebt neue Vorwürfe und wirft dem Autokonzern vor, auch Abgastests von leistungsstärkeren Drei-Liter-Dieselmotoren manipuliert zu haben. Dann wären auch die Tochterfirmen Porsche und Audi betroffen. VW wies dies bisher immer zurück.

Nun ist aber auch Audi dran und räumt Manipulationen bei den 3-Liter-Dieselmotoren mit illegaler Software ein. Bisher hatte man jegliche Manipulation entrüstet zurückgewiesen. Audi und sein Boss haben also anscheinend gelogen – so die FAZ vom 25.11.15 S. 15.

Nur ab und zu hat man allerdings sehr zaghaft die Frage gestellt, warum es zu diesem Skandal überhaupt kommen konnte und welche Rolle dabei die bei VW praktizierte Unternehmenskultur gespielt hat. Wer hat was gewusst, wer hat darüber geschwiegen, dass eine Manipulationssoftware installiert wurde? Wer hat welche Entscheidungen getroffen? All dies ist noch offen, beziehungsweise der Öffentlichkeit nicht bekannt.

Nur der Betriebsratsvorsitzende von VW, Bernd Osterloh, wies eindringlich darauf hin, dass sich nicht nur die Strukturen, sondern auch die Führungskultur des Konzerns ändern müsse. Erforderlich sei ein Klima, in dem die Probleme nicht versteckt, sondern offen an Vorgesetzte kommuniziert werden, so seine Forderung. Allerdings: Volker Rieble, Professor für Arbeitsrecht an der Universität München meint in einem Interview (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11.10.15): „Bei VW wissen die Arbeitnehmervertreter unglaublich viel über die Innensicht des Unternehmens. So wie man sich nicht vorstellen kann, dass ein einzelner durchgeknallter Ingenieur sich den Betrug allein ausgedacht hat, ohne dass ein Verantwortlicher auf Abteilungs- oder Vorstandsebene das abgesegnet hat, so ist es für mich schwer vorstellbar, dass in einem Unternehmen, in dem viel geredet und getuschelt wird, die Arbeitnehmer nicht zumindest Verdachtsmomente gehabt haben mussten.“

Anscheinend herrschte unter dem zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden, Martin Winterkorn, eine Unternehmenskultur, die diese Art von Betrug überhaupt erst ermöglichte. Tricks und Schummeleien waren an der Tagesordnung; Leistungsdruck, Rivalitäten, Rangordnungskämpfe, Konflikte und Ellbogenmentalität prägten offenbar massiv die Kultur bei VW.

Eine derart praktizierte Kultur ist der ideale Nährboden für Vertuschen und Verstecken von Fehlentwicklungen und fehlerhaften Vorgangsweisen, ja Betrügereien.

Aber auch die Strukturen sind offensichtlich bei VW völlig unklar. Wer ist wofür verantwortlich, wer trifft in welchen Fragen Entscheidungen? Sonst kann es nicht sein, dass der bisherige Entwicklungschef von VW, Ulrich Hackenberg, sagt, dass die „Berichtswege“ in dieser Angelegenheit an ihm vorbeigegangen seien (FAZ, 12.10.15, S. 15).

Eindeutig ist, dass für die Unternehmenskultur sowie das Wertesystem die Spitze eines Unternehmens verantwortlich ist. Sie prägt durch Ihre Handlungen und Entscheidungen die Kultur. Es genügt nicht, wenn Kultur und damit das Wertesystem schriftlich verfasst und vom Vorstand unterschrieben sind. Sie müssen tagtäglich vorgelebt werden.

Denn: Verantwortlich ist man nicht nur für das, was man tut, sondern auch für das, was man nicht tut. (Laotse)

Dabei spielt auch die Fehlerkultur eine wichtige Rolle. Dazu einige prinzipielle Ausführungen:

Wo immer Menschen zusammenkommen und arbeiten, kommen Fehler, Unregelmäßigkeiten vor. Die alles entscheidende Frage ist jedoch, wie die Führungskräfte darauf reagieren. Davon wird es entscheidend abhängen, wie die Mitarbeiter bei Vorliegen eines Fehlers agieren. Verschweigen sie ihn, wollen Kollegen nicht anschwärzen und kehren alles unter den Teppich in der Hoffnung, dass nichts aufkommt? Redet man offen über Fehler, Fehlverhaltensweisen, Unregelmäßigkeiten, Tricks oder verschweigt man sie aus Angst vor den Folgen?

Letztlich geht es stets um einen konstruktiven und produktiven Umgang mit Fehlern und um das innovative Lernen aller Beteiligten. In der Natur ist es der Lehm, der undurchlässig ist. In Organisationen ist die „Lähmschicht“ das mittlere Management.

Menschen machen Fehler, sie erkennen Fehler und sie lernen aus Fehlern, wenn sie vernünftig reagieren. Konfuzius dazu: „Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.“ „Irren ist menschlich“ stellt Seneca fest und Cicero meint zu Recht: „Jeder Mensch kann irren, aber nur Dummköpfe verharren im Irrtum.“

Christian Freilinger, Mag. Dr., geboren in Linz, war nach Abschluss seines Studiums zuerst Assistent des Ausbildungsleiters der Daimler Benz AG in Untertürkheim/Stuttgart. Anschließend war er Dozent an der Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft und ab 2000 Dozent an der AFW Wirtschaftsakadmie Bad Harzburg. Lehraufträge an der Leopold Maximilian Universität in München und dann an der Johannes Kepler Universität in Linz runden seine akademische Laufbahn ab. Er hat sechs Bücher zu Managementthemen sowie über hundert Aufsätze zu gesellschaftspolitischen Fragen geschrieben.

 

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