Abtreibungs-Finanzierung, Caritas und Schönborn

Wenn man dem Kardinal einige Worte zum ungeheuerlichen Skandal der Abtreibungs-Finanzierung durch die Caritas der Erzdiözese Wien entlocken kann, darf man sich glücklich schätzen. Denn als ich ihm vor zwei Jahren persönlich eine Kopie des Schreibens übergab, welches die Caritas der Zusammenarbeit mit der Wiener Fleischmarkt-Klinik überführte, sagte er nur „Ich werde mir das anschauen“.

Natürlich wusste er längst Bescheid, denn in der Bischofskonferenz in Michaelbeuern vor zwei Jahren wurde über diese Mitwirkung am „verabscheuungswürdigen Verbrechen“ der Abtreibung gesprochen, wie mir ein Teilnehmer an dieser Konferenz mitteilte. Dieses Schreiben war in meinem Buch „Das Pontifikat Benedikt XVI. und das Ringen um das Lebensrecht der ungeborenen Kinder in Österreich“ abgedruckt, welches ich zuvor an alle Bischöfe versandt hatte. Der Skandal war ihm also längst bekannt, doch indem er sich unwissend gab, konnte sich der Kardinal auf diese Weise um eine Antwort herumdrücken.

Diese Reaktion entspricht der außerordentlichen Begabung des Kardinals, sich mit minimalistischen, elegant umschiffenden Antworten aus der Affäre zu ziehen, gravierende Vorfälle mit wenigen Worten abzumildern und zu entschärfen. Ich habe Kardinal Schönborn, der diese Begabung mit großem Geschick anwendet und von der auch eine gewisse Faszination ausgeht, in meinem ersten Buch, „Lebensdämmerung“, das vor 15 Jahren erschienen ist, als „Meister der ausweichenden Antwort“ bezeichnet.

Die Persönlichkeits-Struktur des Kardinals offenbarte sich dabei in seiner kurzen Wortmeldung, die wie eine Art „Spiegel“ seine Seele, seine inneren Haltung zum Ausdruck bringt. Also welche Worte waren es, die helfen, die Seele des Kardinals auszuloten?

Nachdem mir das Wort von Paul Wuthe, „kathpress“-Chefredakteur, erteilt wurde, was ihm sichtlich einige Überwindung kostete, nachdem er zuvor vergeblich versucht hatte, mich in die hinteren Reihen zu verbannen, zitierte ich eine Stellungnahme von Papst Franziskus : „Wenn ein Land keine Kinder hat, kommen Einwanderer und übernehmen ihren Platz“.

Papst Franziskus spricht in einer überraschenden Direktheit, welche den Nagel auf den Kopf trifft, ganz im Gegensatz zur gewundenen, glatten, kaum fassbaren Sprache des Kardinals, die wie Öl bei einem Ohr hinein und beim anderen heraus rinnt, ohne dass sich ein Wort im Bewusstsein einhakt.

Dann setzte ich fort: „Ich habe Ihnen vor zwei Jahren hier persönlich ein Schreiben der Caritas an die Fleischmarkt-Klinik übergeben, in welchem steht, dass einer georgischen Frau 100 Euro für eine Abtreibung nach dem Sozial-Tarif mitgegeben wurde und Sie haben gesagt, Sie werden sich das ‚anschauen‘. Haben Sie das getan?“

Der Kardinal antwortete, sich im Stuhl aufrichtend und mich starr und ohne irgendeine Regung anblickend, langsam und bedächtig:

„Das wurde überprüft, das ist geklärt“ und nachdem er den Kopf gesenkt und den Blick auf die Tischplatte gerichtet hatte: „Ich werde darüber nicht weiter sprechen“. Ein Nachfrage-Versuch wurde sofort von Wuthe unterbunden, indem er vorgab: „Das ist heute nicht das Thema“. Mein Einwand, dass ich zu aktuellen Worten des Papstes zur Flüchtlingsfrage spreche, wurden ignoriert und das Wort einem anderen erteilt.

Ich machte dann noch einmal den Versuch einer Nachfrage, doch Wuthe verkündete das Ende der Diskussion. Ich konnte aber unmöglich meine Verärgerung über das Schweigen des Kardinals hinunterschlucken, stand auf und sagte:  „Sehr geehrter Herr Kardinal, Abtreibung ist ein verabscheuungswürdiges Verbrechen, die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was Sie herausgefunden haben.“

Doch der Kardinal, der inzwischen aufgestanden war und seine Unterlagen ordnend auf den Tisch klopfte als würde er ungeduldig das Ende dieser Unterhaltung bekräftigen, sagte kein Wort und angesichts meiner flehentlichen, aber unbeachteten, wie gegen die Wand gesprochenen Worte entstand eine Situation, die einige komisch fanden. Gelächter brandete auf. Es war ein Spott, über den ich mich aber nicht zu schämen brauche, glaube ich. Durch eine Hintertür entschwand dann der Kardinal und entzog sich einer weiteren Konfrontation. Wuthe kam noch zu mir und tadelte mich wegen meiner Unbotmäßigkeit.

So ließ die Taktik des minimalistischen Antwortens in Verbindung mit seiner Sprechverweigerung den Kardinal als Sieger erscheinen.

Was verraten uns diese lapidaren Äußerungen nun dennoch über die Seele und die innere Haltung des Kardinals?

  1. Er möchte Vergehen innerhalb der Kirche nicht konkret erörtern.
  2. Er möchte diese Vergehen nicht beim Namen nennen.
  3. Indem er diese Mitwirkung der Kirche an der Abtreibung, der „schlimmsten Misshandlung“ von Kindern (laut einem bekannten Pro-Lifer-Spruch) nicht nennt und anspricht, vermeidet er auch jegliche Entschuldigung.
  4. Er ist kein offener, sondern ein in seinen Motiven verschlossener und unergründlicher Mensch, der eine Fassade vor seinen wahren, verborgenen Absichten präsentiert.
  5. Die Glaubenslehre der Kirche über die Abtreibung, die sich von den zehn Geboten ableitet, ist für ihn nicht maßgeblich, wie sein Schweigen zur Massenvernichtung ungeborener Menschen erkennen lässt.

Zu einer Verkündigung des Glaubens, zu einem einzigen Wort, zu dem man sagen könnte: „brannte uns nicht das Herz in der Brust als er uns den Sinn der Schrift erschloss?“ (Lk 24, 32) wie es bei den Emausjüngern geschah, ist er nicht befähigt, weil ihm, im Gegensatz zu seinem Ehrentitel „Kardinal“, was „Haupt“ oder „Fundament“ bedeutet, die Grundlage des Glaubens zu fehlen scheint, Er glaubt auch offenbar nicht an die „Letzten Dinge“: Weltgericht, Himmel und Hölle, denn „die Hölle ist in unserem Kopf“ wie er in einer Katechese sagte, die ich selbst im Stephansdom gehört habe.

Freilich entstehen die Worte in unserem Kopf, doch sie beinhalten konkrete oder abstrakte Begriffe, die mit Objekten der Außenwelt korrespondieren und die „Hölle“, wie sie Jesus beschreibt und unter anderem die Heilige Teresa von Avila in einer Vision gesehen hat, ist ein Ort außerhalb des Kopfes. Dies ist katholische Lehre, an die man aber aus freien Stücken glauben muss, wie auch daran, dass Gott, der Urheber aller Materie und allen Lebens ist.

Zu behaupten, dass unser Schöpfer nur in unserem Kopf besteht, lässt außer Acht, dass die Materie und die Naturgesetze, denen sie unterworfen ist, auch außerhalb unseres Kopfes, der nur ein Kulminationspunkt dieser Materie ist, unabhängig von unserem Kopf bestehen. Ähnlich verhält es sich mit den „Letzten Dingen“. Der Glaube wurzelt in geistigen Naturgesetzen und Triebkräften, welche der Vernunft folgen, die nach dem Sinn des Alls und unserer Existenz dürstet und durch keine Wissenschaft und keine Formel gestillt werden kann.

Der unbegreiflichen Allmacht Gottes ist es ein Leichtes, den Himmel, einen Ort ewiger Seligkeit und die Hölle, den Ort ewiger Verdammnis, irgendwo im All oder in einem einzigen „byte“ seines, eine unendliche Zahl von „Gigabytes“ umfassenden Geistwesens, für die Seelen seiner geliebten Menschenkinder zu etablieren. Einen Platz, den uns sein aus Liebe zu uns gesandter Sohn Jesus Christus, für uns aus Gnade sinnlich und körperlich begreifbar, als Weltenrichter zuweist. Gott beugt sich gleichsam zu uns auf unsere geistige Ebene herab, um sich selbst durch seinen Sohn Jesus Christus fassbar zu machen und uns durch ihn zu erlösen.

Trotz seiner seltenen, missbilligenden Äußerungen zu Abtreibung („Kollektiver Selbstmord“ gegenüber Vision 2000) und Verwässerung der Sexuallehre (Schuldbekenntnis zur Maria Troster Erklärung in Jerusalem, welche den Pillengebrauch dem eigenen „Gewissen“ überlässt) können sich diese Gewissensregungen aber gegenüber den dominanten, sich an den Zeitgeist anpassenden Persönlichkeits-Strukturen nicht durchsetzen. Diese drängen den Kardinal, sein ehrgeiziges Ziel voranzutreiben und in der Hierarchie weiter hochzusteigen.

Mit diesem Ziel vor Augen, lässt er die Infiltration der Kirche durch Befürworterinnen der „Fristenlösung“ zu, ohne zu bedenken, dass er dadurch das Gebäude, an dem er hochklettern möchte, durch innere Fäulnis zum Einsturz bringt. Ein Widerstand gegen diese Feministinnen in der Kirche würde in dieser, dem Zeitgeist verfallenen Kirche jedoch einem Karriere-Selbstmord gleichkommen. Deshalb stellt er sich auch auf die Seite der  Befürworterinnen der „Fristenlösung“ in der Kirche, gibt wiederholt bekannt, dass er an der „Fristenlösung“ nichts ändern möchte und lobt die „Aktion Leben“ bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Er propagiert deren Initiative „Fakten helfen“, sogar in Aussendungen der Bischofskonferenz, welche ausdrücklich die „Fristenlösung“ unangetastet lässt und Motiverhebungen fordert.

Zudem sind Motiverhebungen, von denen die „Aktion Leben“ behauptet, es gebe sie nicht, mehrfach bereits in Österreich durchgeführt worden, ja eine Studie wird von der „Aktion Leben“ selbst mit ihren wichtigsten Ergebnissen auf ihrer Homepage präsentiert (http://www.aktionleben-tirol.org/de/faq.ph). Wie kann die „Aktion Leben“ dann behaupten, es gibt keine Motiverhebung, wo sie doch selbst eine Studie präsentiert? Sie täuscht damit, wider ihr besseres Wissen, einen dringenden Mangel vor, den es in Wirklichkeit nicht gibt, um ihre Initiative attraktiver erscheinen zu lassen, eine Tötungsstatistik allein hätte wenig Zugkraft.

Erst kürzlich hat die Generalsekretärin der „Aktion Leben“, Martina Kronthaler, im ORF betont: „Wir stehen auf dem Boden der Fristenregelung“. Wie kann man aber auf dem „Boden der Fristenregelung“ stehen und gleichzeitig eine, ja die Lebensschutzorganisation Österreichs sein, wie die „Aktion Leben“ auf ihrer Webseite behauptet? Ja die Kirche selbst bezeichnet die „ergebnisoffene“ und damit „Pro Choice“-Entscheidung, also für die freie Wahl zwischen Leben und Tod des Kindes plädierende Beratung, als „klassische“ Beratung der Kirche (Webseite der Bischofskonferenz, katholisch.at).

Im ORF bezeichnet Martina Kronthaler sogar Pater Strangfeld anmaßend als „Gründervater“ ihrer derzeitigen Pro-Choice-Organisation, die auf dem Boden der Fristenregelung steht!

Das ist eine unverfrorene Vereinnahmung eines heiligmäßigen Mannes in die Ideologie der „Fristenlösung“, deren Apologeten, ähnlich den Urhebern der NS-Endlösung glauben, in der nach Bedarf selektiven Tötung unerwünschter Menschen eine „Lösung“ gefunden zu haben.

In Wirklichkeit sagte Pater Strangfeld vor rund 60 Jahren aber bereits prophetisch:

„Das österreichische Volk ist auf dem besten Weg, Selbstmord zu verüben,
wenn seine Geburtenziffer nicht raschest einen neuen Auftrieb erfährt.
Die Zahlen,mit denen Ärzte und Volkswissenschaftler aufzuwarten haben, sind alarmierend!
Österreich muss heute den traurigen Ruhm für sich buchen, zu den geburtenärmsten
Ländern der Welt zu gehören! ... Verantwortungsvolle Ärzte schätzen
die Zahl der Abtreibungen in Österreich auf jährlich 200.000! Das bedeutet,
dass nur jedes dritte Kind geboren wird!“ (Washüttl, S. 107)

Er warnte dringend vor einem Glaubensverfall, wie er heute in fortgeschrittener Form besteht:

„Unser Christentum läuft Gefahr, sich in billiger, spiritualistischer Frömmigkeit
zu gefallen, wenn es vor den elementarsten Aufgaben, die ihm gestellt sind, die
Augen schließt und sie nicht mit den Kräften und mit äußerster Opferbereitschaft
zu meistern sucht. Eine dieser elementarsten Aufgaben nun ist der Schutz
des Lebens im Mutterschoß.“ (Washüttl, S. 110)

Damit schließt sich der Kreis zu Kardinal Schönborn: Es ist billige, spiritualistische Frömmigkeit, wenn Kardinal und Bischöfe einen Festgottesdienst feiern, sich buchstäblich selbst beweihräuchern und das Opfer Jesu am Kreuze unblutig erneuern, während rings umher die ungeborenen Kinder millionenfach den Martertod erleiden und sie dabei meist zusehen.

Diese hoffnungsvollen menschlichen Wesen, die getötet werden, sind in ihren Gebärmuttern eingeschlossen wie in Einzelzellen eines riesigen Vernichtungslagers namens Österreich. Weltweit geht man laut WHO von jährlich 50 Millionen, somit in 40 Jahren bisher rund 2 Milliarden durch Abtreibung getöteten Menschen aus.

Kardinal Schönborn ist angesichts des dargelegten Sachverhaltes daher aufgefordert:

  1. Die Öffentlichkeit über das Ausmaß der Abtreibungs-Finanzierung aus Spenden- und Kirchensteuergeldern zu informieren. Der eine Fall, welcher dadurch ans Licht kam, dass eine Mutter ihre „selbstbestimmte“ Entscheidung angesichts der angebotenen Hilfe von Pro-Lifern änderte, ist wohl nur die Spitze eines Eisberges, wie aus dem vertrauten Ton des Schreibens zwischen Caritas und Fleischmarkt zu schließen ist.
  2. Welche Personen der Caritas an dieser Mitwirkung am „verabscheuungswürdigen Verbrechen“ der Abtreibung, welche die Exkommunikation „latae sententiae“,von selbst, nach sich zieht, beteiligt waren.
  3. Sich für diese Mitwirkung an der Vernichtung der ungeborenen Kinder in Österreich mittels Spenden- und Kirchensteuergeldern bei den Spendern und Kirchensteuer-Zahlern zu entschuldigen, für die er die oberste Verantwortung trägt.

Dr. Josef Preßlmayer, 73, ist Begründer und Kurator des „1. Europäischen Lebensschutz-Museums" und Autor einer Reihe von Büchern zum Lebensschutz. Er war langjährig Schul-Psychologe sowie auch mehrere Jahre Mitarbeiter von „Aktion Leben", wo er nach deren „Outing" als Befürworterin der „Fristenlösung" austrat.

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