Reportage aus Spielfeld: Wenn Rechtsbruch Routine wird

26. Oktober, österreichischer Nationalfeiertag 2015. Anstatt freudvoll 60 Jahre Neutralität zu feiern, blickt das ganze Land nach Spielfeld. Hier warten auf der österreichischen Seite des Grenzübergangs tausende Syrer, Afghanen und andere, um von Bussen abgeholt zu werden. Immer wieder erfolgen Durchsagen von Dolmetschern auf Arabisch. Polizeihubschrauber kreisen mit einem Höllenlärm über das Gelände, um die von Slowenien kommenden Menschenmassen zu beobachten. Polizei und Bundesheer koordinieren den Abtransport.

Sichtlich angefressen erklärt ein Chauffeur, der schon etliche Busse mit Asylwerbern gesteuert hat und diesmal nach Passau fahren soll: „Die Busse sind bei der Ankunft versaut bis zum Geht-nicht-mehr. Und wir müssen das putzen.

Was für ihn und einen ebenso auf die Abfahrt wartenden Busfahrer noch schwerer wiegt: Sie sind mit einer Ladung Fremder alleine gelassen und diesen im Notfall auch ausgeliefert, denn Polizist fährt keiner mit. Nach eigener Zählung von acht Busladungen sind unter den hier Ankommenden mehr als 60 Prozent Männer im Alter zwischen 18 und 45, die allermeisten davon unter 35. Gut fünf Prozent sind ältere Männer, knapp 20 Prozent Frauen und rund 15 Prozent Kinder.

Keine Grenzkontrollen

Kontrolliert wird an der Grenze niemand, auch Gepäckkontrollen gibt es keine. „Prinzipiell gilt die Grenzkontrolle, aber bei diesen Massen ist sie ausgesetzt“, erklärt der Polizeisprecher. Registriert würden die Flüchtlinge erst bei der Ankunft in den Quartieren.

Das mit den Massen stimmt: Alleine am Montag kamen bis 14.00 Uhr 5.000 Asylanten über den Grenzübergang illegal ins Land. Nach offiziellen Angaben waren es in der ersten Woche im Schnitt 7.000 pro Tag. Hinter vorgehaltener Hand geben andere Polizisten aber zu verstehen, dass selbst diese Zahl bei entsprechendem Willen der Regierung und bei genügend Personal sehr wohl kontrolliert werden könnte.

Das sind aber nur die offiziellen Zahlen. Hinzu kommt, dass täglich Hunderte, wenn nicht Tausende, zusätzlich die grüne Grenze zur Steiermark illegal überschreiten. Wie viele dies sind, kann auch keiner wissen, denn die Grenze wird nicht durch das Bundesheer gesichert, wie es in diesem Fall sein gesetzlicher Auftrag wäre. Österreich könnte nämlich als einer der wenigen EU-Staaten seine Grenze durch Grundwehrdiener und – etwas zeitverzögert – durch Milizsoldaten schützen.

Erst im Jänner 2013 stimmte die große Mehrheit in einer Volksbefragung für die Beibehaltung des Grundwehrdienstes. Nirgends ist in Spielfeld ist aber auch nur ein einziger Grundwehrdiener anwesend. „Order des Ministers“, sagt ein Berufssoldat. Dafür öffnet Verteidigungsminister Gerhard Klug, der das Heer in kurzer Zeit kaputtgespart hat, auch noch eine Kaserne nach der anderen für Asylwerber …

Verbotene Taxis warten versteckt

Fix scheint nur, dass alles bestens organisiert abläuft. Obwohl die Ankommenden nicht mehr in Taxis weitertransportiert werden dürfen, warten Taxifahrer mehr oder weniger gut versteckt auf ihre Kundschaft – wie zum Beispiel direkt vor dem Gemeindeamt in Spielfeld. Das Taxischild wurde zwar vom Dach entfernt, aber das „TX“-Kürzel für „Taxi“ ist auf der Nummerntafel natürlich nach wie vor vorhanden. Die Umgehung der Gesetze ist lukrativ, denn Geld spielt bei diesen Fahrten keine Rolle.

Ein Wiener Taxifahrer erzählt, dass er vor wenigen Wochen Syrer vom damaligen Brennpunkt Nickelsdorf nach Osnabrück geführt habe, wo Verwandte auf sie gewartet hätten. Das bedeutete eine Strecke von über 1.000 Kilometern, von der ungarischen bis fast an die niederländische Grenze. Verrechneter Preis: 1.800 Euro. Die Bezahlung sei für die Syrer kein Problem gewesen. „Die haben Packeln von 500ern eingesteckt.

Südsteirer in Sorge

Viele Bewohner rund um Spielfeld empfinden hingegen die jetzige Situation als den blanken Horror. Als am 21. Oktober tausende Asylwerber Absperrungen an der Grenze durchbrachen, marschierten sie gut zehn Kilometer nach Leibnitz und sorgten damit nicht nur für riesige Müllberge am Straßenrand, sondern auch für viel Verunsicherung in der heimischen Bevölkerung.

Wem zerbricht das Herz, wenn es um uns geht? Wer denkt an unsere Zukunft und die unserer Kinder?“, fragt ein etwa 50-jähriger Spielfelder. Auf die Presse ist nicht nur er schlecht zu sprechen: „In Wagna, wo in der Sporthalle schnell ein Lager eingerichtet wurde, gab es eine blutige Massenschlägerei. Kein Medium hat darüber berichtet“, sagt eine Frau aus Leibnitz. Der Mann aus Spielfeld ergänzt: „Ich fürchte, dass sie (Anm.: die illegalen Grenzübertreter), sobald es wirklich kalt wird, sich einfach die Häuser schnappen werden.

Slowenien: Eingepferchte Massen

Auch jenseits der Grenze in Šentilj bzw. St. Egidi herrscht Verunsicherung – in diesem Fall bei den Flüchtlingsmassen, die auf den Übertritt auf österreichisches Gebiet warten. Die Sammelstelle, die mit rund vier Meter hohen Gittern abgegrenzt ist, wurde für 1.600 Menschen konzipiert. Laut Polizeiangaben ist sie am Montagnachmittag mit über 3.000 Personen hoffnungslos überfüllt. Die Menschen stehen und sitzen dicht an dicht.

Hier spielen sich unglaubliche Szenen ab: Eine junge Mutter beklagt, dass es ihrem größeren, etwa acht Jahre alten Kind schlecht gehe und ihr kleines Kind, das sie auf dem Arm trägt, nichts geeignetes zu essen habe und es an Wasser fehle. „Das ist ein Gefängnis. Ich dachte, dass hier Menschenrechte eingehalten werden“, beklagt sie.

Nur wenige Meter daneben führt ein Mann einem rund dreijährigen Buben – vermutlich handelt es sich um dessen Sohn – eine Zigarette zu dessen Mund und das Kleinkind nimmt einen Zug.

Demonstration für Grenzschließung

Wiederum auf österreichischer Seite versammeln sich gegen 15.00 Uhr rund 100 Menschen, um für eine Grenzschließung zu demonstrieren. „Wir sind das Volk“, skandieren sie ebenso wie „Festung Europa – macht Grenzen dicht!“. Österreichische Fahnen und eine steirische werden geschwenkt. Die Organisation erfolgte über Facebook, doch der Initiator ist nicht anwesend. Dieser habe kalte Füße bekommen und die Veranstaltung abgesagt, erklären Anwesende, die trotzdem gekommen waren.

Die Polizei nennt die Teilnehmer „Identitäre und normale Bürger“. Unter den Demonstranten befinden sich auffallend viele Menschen zwischen 20 und 30, offensichtlich fast ausschließlich aus der Region. Die Polizei schirmt sie großräumig von den Menschenmassen am Grenzübergang ab. Wenig später kommt die Militärpolizei hinzu und stellt sich martialisch, mit Maschinenpistolen bewaffnet, in zweiter Reihe auf. Mitten unter den Militärpolizisten steht der Leibnitzer Bezirkshauptmann Manfred Walch in Kleidung des Bundesheeres.

Ein Teilnehmer liest eine Liste von Straftaten vor, die die österreichische Regierung täglich begehe, unter anderem Hochverrat. Walch macht sich über Teilnehmer der Kundgebung lustig, was heftige Reaktionen hervorruft. Der offensichtlich rechtskundige Teilnehmer fordert den Einsatzleiter der Polizei – ohne Erfolg – auf, Walch festzunehmen, da dieser sich ebenfalls weigere, die Grenzen zu schützen.

Die Symbolik könnte nicht besser die Realität widerspiegeln: Schwer bewaffnet hält das Bundesheer mit Unterstützung der Polizei besorgte Staatsbürger in Schach und steht mit dem Rücken zur Grenze, die sie sichern müsste und die täglich von Tausenden illegal übertreten wird.

Die Kundgebung löst sich auf. Eine aus Graz angereiste Frau meint, dass die nun stattfindende Invasion vor wenigen Monaten am Geheimtreffen der Bilderberger in Tirol beschlossen worden sein könnte. „Was hier vor sich geht, ist nicht in Ordnung. Deutschland und Österreich sollen geschwächt werden.“ Tatsächlich: Wer vor Ort sieht, was sich an der Grenze abspielt und wie die Regierung täglich die Verfassung bricht, auf die sie ein Gelübde abgelegt hat, der muss seinen Glauben an den Rechtsstaat (endgültig) verlieren.

Klaus Faißner, freier Journalist und Publizist, Steirer, der in Wien lebt. Autor mehrerer Sachbücher und Broschüren zu den Themen Gentechnik, erneuerbare Energien und EU.

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