Groß ist die Freude über Syrer, die in der Hauptstadt endlich einen Flughafen bauen, weil die Berliner das nicht schaffen. Auch die Aussicht auf pakistanische Dieselmotoren, die das Land der Autofürsten nicht mehr blamieren, hebt die Stimmung in Medien und Politik. Nigerianer, die den Ostasiaten die einst deutschen Domänen des Kamera-, Computer- und Telefonbaus wieder abjagen, verbreiten Optimismus von Flensbug bis Rosenheim.
Hinweise, dass in den Herkunftsländern all dieser Retter des „Made in Germany“ niemals auch nur ein einziges Unternehmen von Rang entstanden ist, werden als Querschüsse von Lästermäulern abgetan. Vor allem in der Wirtschaft schwärmt man davon, wie bereits vor einem halben Jahrhundert keineswegs nur der kostspielige Kohlepfenning, sondern auch ganz einfache, aber zupackende Fremde Bergbau und Stahl einige Jahrzehnte zusätzlich beschert hätten.
Der berühmte Einwurf, dass man damals Gastarbeiter gerufen, aber zahllose Menschen mit Hartz-IV-Anspruch bekommen habe, wird ebenfalls als inhumane Miesmacherei abgeschmettert. Diesmal werde alles anders. Nach ein paar Runden Deutschunterricht der neuen Jünglinge mit den liebenswürdigen Damen an den Willkommens-Bahnhöfen werde ein nie geahnter Aufschwung einsetzen. Man unterschätze allenthalben die Effizienz des deutschen Erziehungs- und Ausbildungssystems. Unser pädagogisches Personal werde uns schon in der Weltspitze halten, weil spätestens die Kinder der Asylanten all unsere Erwartungen erfüllen werden. Die dafür verausgabten Megamilliarden seien absolut innovativ angelegtes Geld.
In der Tat sind Kinder die Zukunft. Nun kann niemand wissen, wie die Sprösslinge der jetzt Hereindrängenden einmal abschneiden werden. Dafür aber hat man die Nachkommen der vermeintlichen Retter der damaligen Schwerindustrie in der PISA-Runde von 2012 ausgiebig getestet und vermessen. Was bringen sie mit für den Aufbau neuer Spitzenindustrien? Wie können sie sich halten gegen die 40 Millionen Hochschulabsolventen, die allein China zwischen 2015 und 2020 auf die Arbeitsmärkte entlässt? Sie stellen immerhin ein knappes Drittel aller Kinder in Deutschland.
Das Können der Fünfzehnjährigen von 2012 erkennt man vorrangig an ihren Mathematikleistungen, die sich auf sieben Noten verteilen. Mangelhaft, ungenügend oder noch schlechter (Note 7) schneiden 29,9 Prozent der altdeutschen Kinder ab. Nur 6,3 Prozent sind sehr gut. Gut erreichen 15,8 Prozent. Die Migrantenkinder der zweiten Generation, die von kleinauf und gebührenfrei alle Förderungen der deutschen Erziehung genießen, enden zu 50,8 Prozent mangelhaft, ungenügend oder darunter. Lediglich 1,3 Prozent schaffen eine Eins und 6,2 Prozent eine Zwei. Da auch „ausreichend“ (25,7 zu 23,4 Prozent für Migranten) kaum langt für die Anforderungen der Hightech-Zukunft, gehören 76,5 Prozent der Migrantenkinder, aber „nur“ 53,3 Prozent der Altdeutschen zu den Scheiternden.
Quelle: Gunnar Heinsohn, Geburtendefizit und wirtschaftliches Langzeitrisiko, Institut der Ökonomie der Zukunft GmbH; UBS Deutschland, 7. 10. 2014
Ein Fiasko ist das für beide Gruppen, weshalb man Nachsicht mit der Überzeugung haben mag, dass es nur noch besser werden könne. Möglich ist das. Erst einmal aber muss diese Generation auf Jahrzehnte hinaus den Karren ziehen. Und niemand kann sagen, ob die nächste mit tüchtigeren Pädagogen rechnen kann.
Im vorigen Jahrhundert glaubten deutsche Politiker alles richtig zu machen, solange sie nur auf die Weitsicht der Industriekapitäne vertrauen. Beide übersehen, dass nach dem Verschwinden einer Firma – meist gegen Bessere aus Fernost – die Nation fortlebt und die Entlassenen Geld bekommen müssen, wenn sie sich und ihre Kindeskinder nicht finanzieren können. Auch heute werden Unternehmer, die auf sofort verfügbare Arbeiter drängen, wie Erlöser aus der Asylnot präsentiert. Ihre Wünsche sind verständlich, weil sie hier und jetzt im Plus bleiben müssen oder untergehen.
Was nach einem eventuellen Bankrott mit den Schnellangelernten passiert, kann sie aus geschäftlichem Blickwinkel kalt lassen. Andere Nationen verstehen solche Folgekosten. Sie widerstehen den Kurzzeitinteressen der Unternehmen und bestehen an ihren Grenzen auf Kompetenz. Deshalb verachten sie auch einen Wirtschaftsflüchtling nicht, solange er Kompetenzen mitbringt. Ihn darf man nämlich fragen, was er gelernt hat und leisten kann.
Asylanten und Schutzberechtigte aus Tötungsgebieten, um die allein Berlin sich kümmern will, darf niemand vorher testen. Denn in Not geratene Analphabeten haben dieselbe Menschenwürde wie Nobelpreisträger.
Gunnar Heinsohn ist einer der profiliertesten deutschen Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler. (Heinsohns Formulierungen wie „eine Eins“ wurden nicht in die österreichische Hochsprache übersetzt).