Die Handschlagqualität der SPÖ

„Die Rache des Journalisten an der Politik ist das Archiv“ lautet eine alte Redaktionsweisheit. Und tatsächlich findet sich etwa in einem Artikel der „Salzburger Nachrichten“ vom 30. Mai 2008 Erhellendes über die Motive der unseligen Verlängerung der Hacklerregelung in diesem Jahr. Unter dem Titel „Längeres Leben, höheres Pensionsalter“ berichtete die Zeitung, dass sich Sozialminister Erwin Buchinger und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein „auf ein Pensionspaket geeinigt“ hatten: „Neben einer Verlängerung der Hacklerregelung bis 2013 – dies entsprach einem Wunsch der SPÖ – wird es künftig auch eine Pensionsautomatik geben. Womit sich die ÖVP durchgesetzt hat.

Die ÖVP hat sich also damals mit der Pensionsautomatik „durchgesetzt“ – sie hat sich so stark durchgesetzt, dass es diese bis heute nicht gibt. Aufgrund von periodischen Gutachten der Pensionskommission sollte untersucht werden, wie weit die durchschnittliche Lebenserwartung angestiegen ist. Für den Fall eines Anstiegs über drei Prozent sollten konkrete Maßnahmen Platz greifen: entweder die Arbeitszeit verlängern, mehr Pensionsbeiträge einzahlen oder die Pensionshöhe reduzieren. Mittlerweile sind mehrere dieser Gutachten erstellt worden, alle mit dem gleichen Ergebnis, aber jedes Mal hat die SPÖ Änderungen abgelehnt, mit der abenteuerlichen Begründung, dass – abgesehen von der gestiegenen Lebenserwartung – die anderen relevanten volkswirtschaftlichen Faktoren alle wunderbar sind und es daher keinen Grund für Eingriffe gibt.

Zuletzt kam im November 2014 die Ablehnung durch Werner Faymann und Rudolf Hundstorfer. „Das ist eiskalt. Automaten brauchen wir keine in diesem Land“ erklärte Werner Faymann, der Schutzpatron der Pensionisten.

Ende August hat es der Rechnungshof aufgedeckt: 2,2 Milliarden kostet allein im Bereich der Pflichtschullehrer die im Jahr 2008 mit der „Pensionsautomatik“ junktimierte Verlängerung der Hacklerregelung. (Man kann sich vorstellen, wie viele Milliarden da noch bei den anderen Beamten dazukommen, die dieses großzügige Schlupfloch in die Frühpension ergriffen haben.)

Mittlerweile hat die ÖVP der SPÖ auch bei der Steuerreform nachgegeben, mit dem Versprechen der SPÖ, auch Reformen bei den Pensionen anzugehen. Man wird ja im Jänner 2016 sehen, was dieses neuerliche Versprechen wert war.

Auch in der Schulpolitik ist die ÖVP der SPÖ auf den Leim gegangen. Sie hat – gesetzwidrig – der flächendeckenden Einführung der Neuen Mittelschule zugestimmt, weil sie damit „das Gymnasium retten wollte“, wie das ÖVP-Politiker als Begründung anführen. Das Gymnasium gibt es zwar immer noch, es werden allerdings keine neuen mehr errichtet, obwohl es dringend Bedarf gäbe, etwa in Wien, aber auch in Kärnten und anderen Standorten. Auch hier sagt eine SPÖ-Ministerin, die ihre Vorleistung bereits erhalten hat, kalt „njet“, ebenso wie die Wiener Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ), die die ÖVP-Forderung nach sechs neuen Gymnasien in Wien kategorisch ablehnte und meinte, dass die AHS in Wien in Form der „Neuen Mittelschule“ ausgebaut werde. Weitere Gymnasien hält die SPÖ in Wien für nicht notwendig; viele SPÖ-Bonzen schicken ihre Kinder ohnehin auf katholische Privatschulen und für das gemeine Volk muss die als Mittelschule umetikettierte Hauptschule genügen.

Wann wird die ÖVP begreifen, dass sie von der SPÖ bei wichtigen Themen immer wieder vorzüglich am Schmäh geführt wird?

Prof. Dr. Herbert Kaspar, Chefredakteur ACADEMIA
Erweiterter Kommentar aus der Oktober-ACADEMIA 2015

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