Ich zähle die Tage, bis Sie endlich in den Ruhestand gehen, Mr. President

Mit dem demonstrativen Wegsehen des Westens angesichts türkischer Luftangriffe auf die irakischen Kurden wird ein neuer Tiefpunkt moralischer Verkommenheit in der einstigen Werte- und Verteidigungsgemeinschaft namens NATO erkennbar. Der Architekt dieses Totalversagens trägt einen Namen: Barack Obama, Friedensnobelpreisträger, Golfspieler und US-Präsident.

Mit dem Krieg im Irak, das sei eingeräumt, hatte er von seinem Amtsvorgänger George W. Bush ein schweres Erbe übernommen. Doch der viel zu frühe Abzug seiner Soldaten aus dem Irak hat den Islamischen Staat (IS) erst möglich gemacht. Stünden heute noch 80.000 schwer bewaffnete GIs im Land, gäbe es zwar nicht einen islamistischen Wirrkopf auf der Welt weniger, aber die Folterer, Vergewaltiger und Kopfabschneider könnten nicht ein großes Areal, über zwei Staaten ausgebreitet, kontrollieren. Es gäbe dann keinen IS.

Der frühere glücklose US-Präsident Jimmy Carter hatte in der Außenpolitik kein gutes Händchen, wie jeder weiß. Gegen Obama wirkt er wie ein Chefstratege und Weltenlenker.

Wie sieht die außenpolitische Bilanz dieses angeblichen Heilsbringers Obama im Oval Office aus? Atomwaffenfrei wollte er die Welt machen, Kriege wollte er beenden, eine neue Ära des Friedens und der friedlichen Co-Existenz sollte eingeleitet werden. Nichts davon ist auch nur annähernd erfüllt worden.

Weder hat er den aggressiven Islamismus mit seiner glänzenden Rhetorik beeindrucken können, noch hat er es geschafft, sich als überzeugender Anführer des freien Westens zu positionieren. Die Despoten dieser Welt lachen über Obamas Amerika, das „rote Linien“ verkündet und bei deren Überschreiten nichts tut. Sie klopfen sich auf die Schenkel vor Vergnügen, wenn sie mit ansehen, wie sich der vermeintlich mächtigste Mann der Welt von den iranischen Mullahs, von Putin und jetzt Erdogan vorführen lässt. Wie er beim chinesischen Präsidenten vor der Tür warten muss, bis dieser Zeit für ihn hat. Die gewaltigste Militärmaschinerie der Welt ist unter diesem schwachen Commander in Chief nicht in der Lage, dem IS wirkungsvoll Einhalt zu gebieten, weil er nicht den Mut hat, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

Die Welt ist mit dem US-Präsidenten Obama nicht sicherer, sondern deutlich unsicherer geworden. Und bis zu seiner Ablösung werden noch eineinhalb zähe Jahre vergehen. Hoffentlich ist die Zeit bis dahin nicht zu lang, um all die außen- und verteidigungspolitischen Schäden, die er hinterlassen wird, wieder auszubügeln.

Klaus Kelle, Jahrgang 1959, gehört laut Focus-online zu den „meinungsstärksten Konservativen in Deutschland“. Kelle absolvierte seine Ausbildung zum Redakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld. Seine inzwischen 30-jährige Karriere führte ihn zu Stationen wie den Medienhäusern Gruner & Jahr, Holtzbrinck, Schibsted (Norwegen) und Axel Springer. Seit 2007 arbeitet er als Medienunternehmer und Publizist und schreibt Beiträge für vielgelesene Zeitungen und Internet-Blogs.
http://denken-erwuenscht.com/

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