Verbotsgesetz und Berichterstattung: Das merkwürdige Lamento einer linken Internetseite

Schon seit geraumer Zeit klagt die im grünen Milieu angesiedelte Internetseite „Stoppt die Rechten“ über einen Rückgang der medialen Berichterstattung zu Strafprozessen wegen NS-Wiederbetätigung. Ein Beitrag vom 11. Juli 2015 widmet diesem Phänomen sogar die Überschrift: „Was ist da los?“. Konkret geht es in dem Beitrag um drei Strafprozesse innert einer Woche, über die in zwei Fällen kaum und in einem Fall gar nicht medial berichtet wurde, obwohl in zwei Prozessen – unter anderem in dem gänzlich verschwiegenen – dreijährige unbedingte Haftstrafen verhängt worden waren.

„Stoppt die Rechten“ beklagt wörtlich: „Wo waren da die Medien? (…) Über den dritten Wiederbetätigungsprozess der vergangenen Woche in Krems gab es überhaupt keine Berichterstattung, auch keine Vorankündigung, wie sie bei Geschworenenprozessen üblich ist.“ Und setzt fort: „Wenn über Prozesse und Urteile zu NS-Wiederbetätigung (oder auch Verhetzung) nicht oder nur völlig unzureichend berichtet wird, dann haben wir ein gröberes Problem. Immerhin baut die Rechtsprechung gerade bei diesen Delikten darauf, dass die Strafen auch so etwas wie eine generalpräventive Wirkung haben. (…) Nur bleibt die völlig aus, wenn nicht darüber berichtet wird – und wenn nur in dürren Sätzen das Urteil erwähnt wird, wird der Effekt ebenfalls nicht eintreten können.

Dies ist völlig richtig gesehen. Doch was „Stoppt die Rechten“ als Desinteresse der Medien deutet, dem man vermutlich mit noch mehr „Bewusstseinsbildung“ zu kontern habe, ist in Wahrheit die Frucht jahrelanger Arbeit der politischen Linken:

Der medial aufgebaute Druck und beständige Ruf nach dem Staatsanwalt hat in der Tat zu einer wachsenden Zahl an Wiederbetätigungs-Prozessen geführt, was allein schon zur Folge hat, dass über die meisten dieser Prozesse kaum noch berichtet wird. Führt der Straftatbestand der Verhetzung derzeit noch ein Schattendasein, so wird die – unter tatkräftiger Mithilfe der ÖVP – zu Stande gekommene Strafrechtsreform ab kommendem Jahr auch auf diesem Feld zu einer Flut an Verurteilungen führen.

Vor allem aber war und ist es die Tendenz eines jeden Totalitarismus (für den es leider unverkennbare Anzeichen gibt), nach fragwürdigen Sonder-Strafgesetzen geahndete Handlungen als „ganz normale Verbrechen“ auszugeben. Was etwa der Westen vor 1989 als „politische Häftlinge“ bezeichnete, waren für den sozialistischen Osten stinknormale „Verbrecher“. Über stinknormale Verbrechen pflegt jedoch nicht berichtet zu werden. Nur ein außergewöhnlicher Mordfall schafft es in die Medien, ein „gewöhnlicher“ Mord indes schon nicht, und ein „gewöhnlicher“ Raub umso weniger.

Dem medial aufgebauten Druck ist es außerdem geschuldet, dass etliche rechtsextreme Internetseiten, denen man nähere Informationen zu einschlägigen Prozessen entnehmen konnte, eingestellt wurden und deren Betreiber hinter Gittern sitzen. Nun gelangt „Stoppt die Rechten“ offenbar selbst nicht mehr zu jenen Informationen, die es benötigt.

Im übrigen verschweigt „Stoppt die Rechten“ in dem zitierten Beitrag seinerseits eine nicht unwesentliche Information, wenn es lapidar von einem „Prozess in Krems gegen einen bekannten Holocaustleugner“ spricht. Wer nicht weiß, dass es sich mutmaßlich um den schon mehrfach einschlägig verurteilten Wolfgang Fröhlich handelt, hat nicht einmal einen Anhaltspunkt, nach den konkreten Tatvorwürfen zu recherchieren. Um sich etwa ein eigenes Urteil bilden zu können, ob die für den „Auschwitzlüge-Paragraphen“ 3h des Verbotsgesetzes geforderte öffentliche Begehung tatsächlich gegeben war, oder ob kurzerhand der „Auffangparagraph“ 3g zur Anwendung gebracht wurde, der keine öffentliche Begehung fordert – und dies, obwohl für den Tatbestand der Holocaustleugnung eigens Paragraph 3h geschaffen worden war.

Wenn linke Internetseiten selbst nicht mehr an jene Informationen herankommen, die in einem freiheitlichen Rechtsstaat tatsächlich interessieren sollten, kommt einem unversehens Goethes Zauberlehrling in den Sinn („Die Geister, die ich rief …“). Dennoch ist Schadenfreude unangebracht. Denn was resultiert, wenn Gesetze, die aufgrund ihrer uferlosen Weite buchstäblich einer Beobachtung bedürfen, nicht mehr beobachtet werden können, ist ein Klima der Entzweiung, der Angst und der Einschüchterung. Ein Klima, das zu genau jener heimlichen Opposition gegen den Staat und dessen Institutionen führt, die den Verbots- und Verhetzungsgesetzen dieser Welt wiederum zu immer neuer (vermeintlicher) Legitimation verhilft.

Wilfried Grießer, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph und Buchautor.

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