Zwei spektakuläre OGH-Entscheidungen zum Untreueparagraph, nämlich der Fall Styrian Spirit und der Fall Libro, haben schon vor einiger Zeit die Aufmerksamkeit der Politik und Medien auf eine neue verfolgenswerte Spezies gelenkt, nämlich die Spezies der Führungskräfte und Bankvorstände. Wie immer sucht man in einer Krise nach Schuldigen. Und in der großen Finanz- und Wirtschaftskrise waren die Schuldigen rasch gefunden, nämlich die bösen Manager und Banker.
Was ja auch insofern richtig ist, als die mit der Weltpolitik verstrickte Hochfinanz mit ihren credit default swaps und asset backed securities tatsächlich sowohl Verursacher als auch Profiteur der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise war. In der globalen Finanzpolitik gäbe es tatsächlich dringenden Handlungsbedarf, um solche giftigen Ramschpapiere künftig zu verhindern. Aber in der großen Schulden-süchtigen Politik werden ja weiterhin mit Freude solche Instrumente benützt, insbesondere von der EZB, und als Folge dreht sich die Schuldenspirale unaufhaltsam weiter. Der nächste Crash kommt bestimmt und es wäre längst überfällig, entsprechendes Recht zu schaffen, und bestehendes Recht umzusetzen und anzuwenden, allen voran in der EU…
Nun aber zurück zum Untreueparagraphen. Der OGH hat ihn in den beiden genannten Fällen angewandt und damit für den österreichischen Wirtschaftsstandort folgenschwere Fehlentscheidungen getroffen. In völlig überschießender Manier mit dem Strafgesetzbuch gegen Führungspersonen loszuziehen, deren Management-Entscheidungen im Nachhinein betrachtet wohl schlecht, aber nichts anderes als unternehmerische Fehlentscheidungen waren, ist ein Riesenproblem.
Der OGH hat in den Fällen Styrian Spirit und Libro unternehmerische Fehlentscheidungen kriminalisiert und Verhaltensweisen mit dem Untreueparagrafen § 153 StGB verfolgt, die eigentlich von Zivilgerichten beurteilt werden sollten. Unternehmerisches Denken und Handeln wird jetzt erschwert, da sich die handelnden Personen – neben allen anderen Fragen – auch noch mit dem Strafrecht beschäftigen müssen.
Unser Wirtschaftsstandort verliert ohnehin schon in jedem Ranking an Qualität:
Zu hohe Steuern, zu hohe Abgaben, zu viel Bürokratie, zu viele Beauftragte, zu wenige Fachkräfte, zu wenig Venture Kapital und jetzt auch noch zu wenig Rechtssicherheit.
Dabei ist doch gerade die Rechtssicherheit das Wichtigste überhaupt!
Ohne Recht gibt es keinen Frieden. Ohne Recht gibt es keine Demokratie. Und ohne Recht und Rechtssicherheit kann es keine private Wirtschaft geben. Das Recht an sich ist ein Grundrecht. In unserem Land sind Grund- und Freiheitsrechte das Erbe der bürgerlichen Revolution von 1848. Unsere Vorfahren haben für das Recht gekämpft und wir alle sollten daher das Recht respektieren.
Vor allem der Wirtschaftsstandort braucht Rechtssicherheit!
Es kann nicht sein, dass Paragrafen, die für gewisse Tatbestände geschaffen wurden, plötzlich für ganz andere Szenarien herangezogen und interpretiert werden. Mit dieser Judikatur ist man schneller im Kriminal, als man schauen kann. Ist es wirklich Sache der Höchstrichter, Wirtschaftspolitik zu machen?
Durch den Aufschrei der Wirtschaft nach diesen beiden Urteilen wurde die Regierung wachgerüttelt und hat völlig richtig erkannt: Es war höchst an der Zeit, den Untreueparagraphen zu reformieren.
Ich bin mit dem Ergebnis nicht glücklich. Es ist keine wirkliche Reform. Es ist eine bloße Inflationsanpassung der Wertgrenzen. Der Untreueparagraph lässt weiterhin viel Spielraum für eine wirtschaftsfeindliche Interpretation zu. Diesem Paragraphen fehlt die Voraussetzung einer absoluten Schädigungsabsicht für die Tatbestandsverwirklichung. Das wäre doch Voraussetzung dafür, dass Untreue vorliegt!
Wie soll so jemals eine Bank noch einen Sanierungskredit vergeben dürfen?
Eine Geschäftsentscheidung muss doch rechtlich halten, wenn die Eigentümer sich zu etwas entschließen. Der Strafrechts-Professor Fuchs sagt völlig zu Recht: „Wenn alle Aktionäre oder Gesellschafter zustimmen und das Geld von der Tochter zur Mutter fließt, dann gibt es keine Untreue, weil kein Schaden eingetreten ist.“
Wenn der Untreueparagraph weiterhin so ausgelegt wird, wie das der OGH in den beiden genannten Fällen getan hat: Wo beginnt und vor allem, wo endet dann die Freiheit eines Managers in seinen geschäftlichen Entscheidungen? Sie endet jedenfalls sehr bald …
Wenn er oder sie Investitionsentscheidungen trifft, die gut gehen, erwarten sich alle eine fette Dividende.
Wenn er oder sie eine Investitionsentscheidung trifft, die daneben geht, soll das Strafrecht kommen? Und auch, wenn er oder sie diese Entscheidung mit dem ausdrücklichen Einverständnis der Eigentümer getroffen hat? Das ist doch absurd!
Entscheidungen im wirtschaftlichen Leben sind immer risikobehaftet. Und Risikofreude braucht es im Unternehmertum, sie ist geradezu Voraussetzung für wirtschaftliches Fortkommen!
Aber Unternehmertum und unternehmerisches Denken und Handeln scheint man ja hierzulande endgültig abwürgen zu wollen. Österreich wird immer sozialistischer, man wird es den Menschen schon noch austreiben, Unternehmer oder Vorstand werden zu wollen. Man wird schauen, dass möglichst bald möglichst viele eine Anstellung in der Arbeiterkammer bekommen.
Im Sozialismus wurde aber noch für niemanden Wohlstand geschaffen, außer für die Funktionäre. Also sollte man eher diese Spezies unter Beobachtung stellen, nicht die Führungskräfte, deren Mut der Wirtschaftsstandort Österreich dringend braucht.
Dr. Kathrin Nachbaur ist Nationalrats-Abgeordnete. Sie war Industrie-Managerin und Fraktionsvorsitzende des Teams Stronach.