Langsam wird es eng für Kanzler Faymann. Mit den Regionalwahlen im Burgenland und in der Steiermark konnte der wackere Mann an eine beispiellose Serie sozialdemokratischer Niederlagen der letzten Jahre nahtlos und souverän anknüpfen. Der Verlust der absoluten Mehrheit in einem, ein Minus von zehn Prozentpunkten im anderen Bundesland – das sind schon beachtliche Leistungen. Und schon dräut neues Ungemach: Im Herbst stehen Wahlen in Oberösterreich und in Wien an.
Besonders die Bundeshauptstadt ist für die Genossen von entscheidender Bedeutung. Ohne den Gewinn seiner proletarischen Wählermassen ist eine sozialistische Mehrheit im Bund nicht zu haben. Doch auch hier bläst den Roten ein unfreundlicher Wind ins Gesicht und lässt wenig Raum für Hoffnungen.
Der Hinweis auf „regionale Besonderheiten“ bei den Landtagswahlen ist übrigens entbehrlich. Zu eindeutig zeigt sich seit einiger Zeit ein österreichweiter Trend. Weder der Reformeifer in der Steiermark, noch der Populismus im Burgenland taugen daher als Erklärungsmuster für die fortgesetzte Erosion der SPÖ.
Doch auch der „bürgerliche“ Koalitionspartner hat keinen Grund zur Freude. Zusammen mit den Roten verlieren die Schwarzen in der Steiermark ein Viertel ihrer Wähler. Das kann man mit Fug und Recht einen „Erdrutsch“ nennen.
Ein etwas genauerer Blick auf die Wähleranalyse sollte die Alarmglocken im roten Politbüro aktivieren. Stabile Mehrheiten fährt die einstmalige Arbeiterpartei nur noch bei den Rentnern ein. Die Arbeiterschaft dagegen hat sich mehrheitlich ins Lager der Freiheitlichen davongemacht. Nur noch ganze 18 Prozent der Arbeiter malen ihr Kreuz bei den Sozialisten. Unglaubliche 61 Prozent davon wählen blau.
Dass die Grünen bevorzugt im akademischen Milieu punkten, ist nichts Neues. Ist doch ein großer Teil der akademisch gebildeten Wähler für den Staat oder im staatsnahen Bereich tätig. Und dort ist von den Herausforderungen nichts zu spüren, mit denen unter Marktbedingungen tätige Menschen (gleich ob selbständig oder angestellt) tagtäglich konfrontiert sind. Noch können arrogante grüne Bobos kommod vom Schweiß der produktiv Tätigen leben. Dabei muss es indes nicht für alle Zeiten bleiben…
Dass in der Steiermark die Zahl der Nichtwähler jene der Wähler der beiden stärksten Parteien zusammengenommen klar übertrifft, irritiert die politische Klasse nicht. Die würde sich wohl auch bei einer Wahlbeteiligung von fünf Prozent noch ausreichend „legitimiert“ fühlen. Ein schwerwiegender Webfehler unseres Politsystems, den zu beheben sich bislang niemand bemüßigt fühlt.
Wachsende Arbeitslosigkeit, zunehmende Sicherheitsprobleme (keine Woche vergeht ohne spektakuläre Gewalttaten, die mehrheitlich auf das Konto zugewanderter Kulturbereicherer gehen) und ein überbordender Zustrom an Asylwerbern, der die Regierenden offensichtlich heillos überfordert, sind exakt der Stoff, aus dem freiheitliche Wahlerfolge gestrickt sind. H. C. Straches Truppe muss in dieser Lage nur eines tun: keinen Eigenfehler begehen. Den Rest erledigen dann die abgehobenen rotschwarzgrünen Salonsozialisten, die jeden Bezug zu den Sorgen und Nöten der Wähler verloren haben.
Nicht, dass die Blauen auch nur den Funken eines Konzepts dafür hätten, wie man den bis über beide Achsen im Dreck steckenden Karren namens Österreich wieder flott manchen könnte. Schließlich handelt es sich auch bei ihnen um waschechte Sozialisten – wenn auch solche mit patriotischem Einschlag. Und sozialistische Regulierungs- und Umverteilungswut war und ist es schließlich, die die wirtschaftliche Basis des Landes sukzessive zerstört. Ein radikaler Kurswechsel in Richtung Freiheit in Verantwortung wäre also gefragt.
Traurig, dass jene beiden Kleinparteien, die fallweise mit liberalen Ansätzen aufhorchen lassen, die Neos und das Team Stronach, für die Realpolitik der Alpenrepublik keinerlei Relevanz besitzen und im Fall des Letzteren nur noch durch ihre öffentlich zelebrierte Selbstdemontage in die Schlagzeilen kommt.
Bis zur Wahl in Wien wird voraussichtlich nicht viel passieren. Ein Austausch des misserfolgsverwöhnten Kanzlers würde die Genossen nicht aus der Defensive bringen – ganz abgesehen von der Tatsache, dass es in ihren Reihen weit und breit niemanden gibt, der sich für diese Position aufdrängt.
Die Schwarzen wiederum könnten in Oberösterreich kräftig verlieren – was in Wien nur deshalb kaum mehr möglich ist, da sie die letzten der ihnen verbliebenen Wähler bequem in einem einzigen Heurigen unterbringen könnten. Der Stern des (unverständlicherweise) mit großen Vorschusslorbeeren ausgestatteten Parteichefs und Vizekanzlers Mitterlehner wird daher spätestens im Herbst rasant zu sinken beginnen.
Fragt sich, wies nach den nächsten bundesweiten Wahlen weitergehen wird. Mit drei annähernd gleich starken Parteien im Parlament – und den Freiheitlichen als mutmaßlich stärkster Kraft – dürfte sich eine Regierungsbildung schwierig gestalten, zumal dem Chef der ÖVP nichts Besseres einfällt, als sich, wie nach dem Kantersieg der Freiheitlichen in der Steiermark – vor einem „Rechtsruck“ zu fürchten. Einen Mann, der, wie einst Wolfgang Schüssel, die Courage aufbringt, die Roten aus der Regierung zu werfen, sucht man in dieser einst unternehmerfreundlichen Partei heute vergeblich…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.