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Was die Europäer nicht wollen: EU, Migration, Sozialdemokratie

Bis auf den Balkan und Deutschland weht der EU und dem Euro überall ein strenger Wind entgegen. Das zeigen auch die jüngsten Wahlen. Von Polen bis Spanien wenden sich die Wähler gegen das europäische Projekt, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch so viele Menschen begeistert hat. Die Polen und Spanier strafen dabei auch ihre eigenen Regierungen, obwohl diese innerhalb des europäischen Sammelsuriums zweifellos zu den relativ vernünftigen und erfolgreichen zählen. (Mit nachträglicher Ergänzung).

Das europäische Projekt stößt seit der großen Wirtschaftskrise – in Wahrheit schon seit den zahllosen Regulierungen und Machtanmaßungen durch Brüssel – zunehmend auf die Aversion der Bürger. Der Trend ist ein gemeinsamer, obwohl in Spanien die Wahl einen Links-, in Polen hingegen einen Rechtsruck gebracht hat.

Freilich sollte man vorsichtig sein: Weder die spanischen Regionalwahlen noch die Kür eines neuen polnischen Präsidenten bedeuten schon die Abwahl der jeweiligen Regierung. Sie bedeuten vorerst „nur“ deren massive Gefährdung. Der jüngste Wahltag ist vor allem ein klares Signal durch das fünft- beziehungsweise sechstgrößte Land Europas (die rechnerisch zusammen sogar an erster Stelle der EU liegen würden): Die trotz aller Rhetorik weiterhin auf Immigrationsförderung hinauslaufende Politik der EU-Kommission, also vor allem die geplante Quoten-Aufteilung der Asylwerber wird nicht mehr akzeptiert.

Die Spanier haben aber auch starke andere Motive: Sie sind der offenbar endemischen Korruption überdrüssig. Und des Sparens – obwohl dieses Spanien mit Erfolg durch die Krise gebracht hat (zumindest beinahe).

Nirgendwo in Europa, und eben auch nicht in Spanien, ist eine Mehrheit überzeugt, dass Europa gegenüber der griechischen Politik der letzten Monate wirklich hart bleiben wird. Daher ist es nur logisch, dass viele der der Krise schwer getroffenen Spanier jene Neo-Partei gewählt haben, die den griechischen Weg gehen will. Der da heißt: Weiterhin vom Euro profitieren, aber nur nicht sparen.

Trotz aller Härte-Rhetorik von Deutschland&Co ist eine Mehrheit der Griechen und jetzt eben auch eine stark angewachsene Minderheit der Spanier überzeugt: Eine Trotz-Haltung eines Krisenlandes, also ein Boykott der Sanierung wird am Ende ja doch belohnt werden. Da ist es fast logisch, eine linksradikale Partei zu wählen, die den Spaniern jetzt schon eine folgenlose Abkehr vom Sparkurs verspricht. Wer spart schon gerne, wenn er eh nicht muss?

Bis Herbst regieren jedoch die spanischen Konservativen weiter. Sie werden nicht einmal eine Fingerspitze bewegen, um die Schlaraffenland-Träume der Linken realistisch erscheinen zu lassen. Und genausowenig wollen sie ihre Sanierungspolitik der letzten Jahre als Fehler erscheinen lassen. Das heißt aber auch: Solange die konservative Regierung im Amt ist, wird es Griechenland noch viel schwerer haben, von den anderen Euro-Ländern Konzessionen zu erhalten.

Viele Europäer haben noch nicht begriffen: Konzessionen an Griechenland müssen von allen Euro-Ländern genehmigt werden. Nicht nur von den (letztlich immer mit der Nazikeule disziplinierbaren) Deutschen und von der (realitätsfremden) EU-Kommission. Sondern etwa auch von Spanien. Da ist keine Konzession denkbar.

Die Polen wollen kein Musterland mehr sein

Polen hat kein Euro-Problem – weder als Gläubiger noch als Schuldner – da es nie dem Euro beigetreten ist. Polen steht auch wirtschaftspolitisch eigentlich als Musterland mit einer starken Entwicklung da.

In Polen haben jedoch der geschicktere Wahlkampf und die sympathischere Persönlichkeit des Wahlsiegers Andrzej Duda die Wahl entschieden und zur Abwahl des amtierenden Präsidenten geführt. Duda ist freilich auch mit populistischen Forderungen aufgefallen, wie etwa jener nach einer Senkung des Pensionsantrittsalters. Offenbar geht es den Polen schon zu gut, dass eine Mehrheit wieder aufs Eis tanzen gehen will.

Wirtschaftspolitisch ist der Kurs der nationalkonservativen Partei von Duda eher links. Außen- und gesellschaftspolitisch ist er das ganz und gar nicht. Polen wird nicht nur bei der illegalen Immigration auf noch größere Härte schalten. Es wird in Sachen Ukraine auch noch russlandkritischer werden. Und es wird bei der Schwulen-Förderung durch die EU wohl auf einen konsequent kritischen Kurs gehen. „Levelling up“ (der geplante Kontrahierungszwang zugunsten Schwulen und Lesben, der die Vertragsfreiheit vernichtet) wird jetzt in der EU keine Chance haben (Was in Österreich Rotgrün nicht hindern wird, es immer wieder zu versuchen, bis man die ÖVP in einem schwachen Moment dazu zwingen kann). Polen wird all das schon unter der jetzigen liberalen Regierung tun, die sich vom Präsidenten nichts vorwerfen lassen will.

Polen und Spanien, Großbritannien und Frankreich, Finnland und Griechenland. So unterschiedlich die jüngsten Wahlergebnisse in mancherlei Hinsicht auch sein mögen, so haben sie doch neben klaren Anti-EU- und Anti-Migrations-Signalen noch eine weitere starke Gemeinsamkeit: die dramatische Dezimierung der klassischen Sozialdemokratie.

Deren Zeitalter geht europaweit zu Ende. Ein Trend, der seit Jahren stattfindet. Nur ist er vielen als gemeinschaftliche Entwicklung nicht aufgefallen, da die Sozialdemokratie bei den Europawahlen selbst ja noch ganz passabel abgeschnitten hat. Weshalb sie in Kommission und EU-Parlament ein ziemlich großes Wort führen kann.

Das haben ihnen die vielen Millionen EU-kritischen Wähler möglich gemacht, die bei der EU-Wahl gar nicht hingegangen sind. Womit die Sozialdemokratie dort zusammen mit den ebenfalls, wenn auch lange nicht so stark schwächelnden Christdemokraten eine Politik dominieren kann, die von der Mehrheit der Europäer abgelehnt wird.

Nachträgliche Ergänzung: In den vielen Berichten über die spanische Wahl fällt auf, dass überall sehr breit und positiv über die die linksradikale Podemos-Partei ("Wir können") berichtet wird, aber fast nirgendwo geht man ausführlich auf die neoliberale Ciudadanos ("Bürger") ein. Dabei ist diese Gruppierung mindestens ebenso überraschend und fast genauso erfolgreich (auch wenn sich das verschachtelte spanische Parteiensystem bei Regionalwahlen nicht gut in Prozenten darstellen lässt). Podemos wurde auf Anhieb drittstärkste Partei und Ciudadanos viertstärkste.

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