Die jeden ersten Mai von den selbsternannten Vertretern der proletarischen Massen ausgegebenen Parolen zählen – neben den allemal putzigen Einlassungen der Genossinnen Bures und Heinisch-Hosek – stets zu den zuverlässigsten Lachnummern. Wenn in feinstes Tuch gehüllte Bonzen, die ihr Lebtag keinen positiv bilanzierenden Betrieb von innen gesehen und nie ein anderes Werkzeug als eine elektrische Zahnbürste bedient haben, mit bebender Stimme Wert und Bedeutung der (körperlichen) Arbeit beschwören, hat das schon etwas eminent Komisches.
Dass der Wiener Bürgermeister, in seiner Rolle als größter Hausherr der Welt (die Stadt Wien verwaltet via „Wiener Wohnen“ rund 220.000 Wohnungen) im Zusammenhang mit „leistbarem Wohnen“ die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der Politik (die im günstigsten Fall auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen: Was A gewinnt, muss B verlieren), auf die des Marktes überträgt, wo Transaktionen bekanntlich nur dann stattfinden, wenn sie zum beiderseitigen Vorteil auszufallen versprechen, ist kabarettreif.
Die Häuplsche Formel zum ersten Mai „Wir [die Roten] sind für niedrige Mieten und für die Mieter und sie [die Schwarzen] sind für hohe Mieten und für die Hausherren“, verrät allerdings einen derart eklatanten Mangel an Einsicht in ökonomische Gesetzmäßigkeiten, dass es schon nicht mehr witzig ist. Wer Preise mit politischen Mitteln (also durch Zwang und Gewalt) unter das sich auf dem Markt bildende Niveau drückt, produziert Mangel. Das gilt auch für Wohnraum und sollte sich sogar schon bis ins Wiener Rathaus herumgesprochen haben!
Kein privater Bauherr ist scharf darauf, in garantierte Verlustprojekte zu investieren. Folge: Rückgang der Wohnbautätigkeit, da die enormen Schulden der Stadt Wien dieser kaum noch eigene Bautätigkeit gestatten. Konsequenz: Pech für diejenigen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, um sich auf dem (kleinen) unregulierten Teil des Marktes eine Wohnung zu beschaffen – primär also rote Stammwähler. Merke: Gut gemeint bedeutet meist das Gegenteil von gut gemacht.
Es geht nicht um „wir oder sie“, sondern um Angebot und Nachfrage, ein System, das frei von politischen Eingriffen am besten funktioniert – und zwar zum Vorteil aller Beteiligten (von anmaßenden Politschranzen abgesehen, denen große Teile ihrer Macht zu nehmen ist). Dass der schwergewichtige Biologe an der Spitze des Wiener Rathauses von Fröschen mehr versteht als von der Ökonomie, ist verständlich. Doch leider gibt es nicht wenige „Wirtschaftsfachleute“, die im Auftrag der hohen Politik und auf Rechnung des Steuerzahlers jederzeit bereitwillig ein X zu einem U umdeuten. Die meisten davon finden sich im Dunstkreis des Staates und seiner zahlreichen überflüssigen Symbionten.
In der letzten Ausgabe des roten Klassenkampblatts „AK für Sie“ etwa, findet sich unter dem Titel „Budget ist im Griff“ ein herausragendes Musterbeispiel: Der Ökonom Markus Marterbauer erklärt an dieser Stelle: „Die Budgetsituation ist deutlich günstiger als vielfach dargestellt.“ Na klar, wer wird sich schon kleinkariert einer weiterhin dynamisch wachsenden Staatsschuld wegen echauffieren? Sind ja nur nebbich 283 Milliarden, oder der Bettel von 68.600,- Euro (!) je Erwerbstätigem. Ein Zinsendienst von knapp acht Milliarden jährlich – was ist das schon? Dass die staatliche Schuldenlast in dem Moment unfinanzierbar würde, stiege der Zins auch nur um einen einzigen Prozentpunkt an, regt den Genossen Marterbauer und Konsorten nicht im Geringsten auf.
Manche Ökonomen sind am ehesten mit Anatomen vergleichbar, die nie in ihrem Leben mit menschlichem Gewebe hantiert haben. In der Medizin gibt es solche Typen gottlob nicht. In den Wirtschaftswissenschaften dagegen wimmelt es von Leuten, die vom Leben außerhalb ihres Elfenbeinturms keinen blassen Schimmer haben. All ihr Denken kreist um blutleere Formeln und Funktionen. Menschen – insbesondere die unternehmerisch tätigen unter ihnen – haben in ihren Überlegungen keinen Platz. Was es im wirklichen Leben heißt, auf eigenes Risiko und unter harten Wettbewerbsbedingungen ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich zu führen, oder sich als Unselbständiger außerhalb geschützter Werkstätten zu behaupten, interessiert sie einfach nicht.
Kein Wunder also, dass die Einlassungen Marterbauers folgerichtig in der Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung gipfeln. Ein geradezu geniales Konzept – und ein großartiges Signal an die Unternehmer: Gleiche Kosten für weniger Arbeitsleistung! Wer da keine Lust darauf bekommt, neue Stellen zu schaffen…?
Abgesehen davon, dass Reptilienfreund Häupl zwischen Aufwand und Investition nicht zu unterscheiden vermag (er will z. B. in Kindergärten „investieren“!), werden die Betriebe unter diesen Umständen auf die von ihm geforderte „Milliarde zur Wirtschaftsankurbelung“ gerne verzichten…
Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist Kaufmann in Wien.