Die kleinste Steuerreform aller Zeiten für Familien

Langsam kommt Klarheit über die Auswirkungen der Steuerreform, diese sind – zumindest was Familien angeht – ernüchternd.

Ausganspunkt war die „kalte Progression“, also das Hineinrutschen in höhere Steuerklassen durch nur formal erhöhte Einkommen, obwohl die Einkommen infolge der Inflation materiell gleichbleiben. Vom Brutto-Einkommen blieb netto immer weniger über. Jetzt wird durch höhere Negativsteuern und niedrigere Eingangssteuersätze Einkommen von der in den letzten Jahren höher gewordenen Einkommensteuer bzw. von Sozialversicherungsbeiträgen entlastet – sicher der richtige Weg.

Die Voraussetzungen für eine steuerliche Berücksichtigung der Familien waren selten so gut wie diesmal: Die kleinere Regierungspartei ÖVP ging mit der ausdrücklichen Forderung nach einem steuerfreien Kinderfreibetrag von € 3.500,-- pro Kind und Elternteil in den Wahlkampf. Dies war eine klare Ansage an die Wähler: Wer Verantwortung für Kinder übernimmt, dessen Einkommen soll steuerlich entlastet werden. Eine grundsätzliche Entscheidung für die Menschen, die Verantwortung für die Weitergabe des Lebens und die nächste Generation übernehmen.

Im Koalitionsübereinkommen fand sich dann immerhin noch die Passage von „Familien werden eine besondere Berücksichtigung bei der Steuerreform erfahren“.

Als die SPÖ das Steuerreformkonzept des österreichischen Gewerkschaftsbundes unverändert übernahm, wurde diese „besondere Berücksichtigung“ bereits in Frage gestellt: Der ÖGB hatte es geschafft auf 15 Seiten Steuerprogramm das Wort Familie kein einziges mal zu erwähnen.

Nach der Präsentation der Steuerreform durch den Finanzminister wissen wir, was das heißt: Pro Kind und Monat gibt es nun als steuerliche Berücksichtigung durchschnittlich 6 Euro! Wirksam erst nach Beantragung und überdies erst 2017!

Dieses Ergebnis ist für die Politik angesichts der Ankündigung vor der Nationalratswahl und des gemeinsamen Beschlusses der Regierung beschämend. Wie kann man von Glaubwürdigkeit in der Politik sprechen, wenn von fünf Milliarden Manövriermasse lediglich zwei Prozent bei den Menschen landen, die ihr Einkommen nicht nur für sich, sondern auch für die nächste Generation verwenden und ausgeben.

Es wird sich daher nichts daran ändern, dass der Lebensstandard bei Familien insbesondere mit mehreren Kindern aufgrund deren Steuerleistung(!) im Vergleich zu Menschen mit gleichem Einkommen aber ohne Sorgepflichten deutlich sinkt!

Kurz nach der Präsentation hat das Familienministerium die Auswirkungen der Steuerreform für Familien vom Institut für Familienforschung untersuchen lassen. Ergebnis: Neben der überraschenden Aussage, die Familien hätten überdurchschnittlich(!) profitiert, kommt die besondere Erkenntnis ganz hinten in der Kurzstudie: Nur knapp mehr als die Hälfte der Familien nehmen den Kinderfreibetrag in Anspruch, wohl durch bürokratische Hemmnisse und Unkenntnis. So kann dann schnell aus zwei Prozent der Steuerreform eines werden!

Hier wäre die automatische Berücksichtigung des Kinderfreibetrags in der Arbeitnehmerveranlagung – wie es der Finanzminister in Zukunft für Spenden und den Kirchenbeitrag vorsieht – ein kleines Zeichen für mehr Familienfreundlichkeit.

Ja, die Volkspartei hat in den Nuller-Jahren großartige Neuerungen initiiert und umgesetzt: gemeinsame Obsorge, Kinderbetreuungsgeld, Pensionszeiten für Geburten, Recht auf Elternteilzeit. Mit dieser Steuerreform verdient sie jedoch – insbesondere nach dem klaren Wahlversprechen – das Prädikat „Familienpartei“ nicht. Wenn überdies erstmals seit Kreiskys Zeiten die Reduktion der Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds der Wirtschaft „zum Ausgleich“ versprochen wird, heißt das nichts anderes, als dass die Finanzierung der Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Schülerfreifahrt, Kinderbetreuungsgeld und vieles andere künftig zumindest ungeklärt ist.

Alfred Trendl ist Präsident des katholischen Familienverbandes und leitet eine Steuerberatungskanzlei in Wien.

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