Am Beginn der Fastenzeit wurde seitens der Erzdiözese Wien wieder einmal das berühmte „Autofasten“ ausgerufen. Die diözesanen Ämter und Stellen unter ihrem Vorgesetzten Kardinal Schönborn steckten wiederum Geld in die entsprechende Kampagne. Die Autofahrer werden ob der einschlägigen Belehrungen zweifellos erbaut sein.
Die an der Spitze der Kampagne stehende Pressekonferenz am 16.02. fand im „Raum der Stille“ am Hauptbahnhof statt. Wie sinnig. Diese wurde unter anderem von Weihbischof Scharl, Stadträtin Vassilakou und Vertretern der Wiener Linien bestritten.
Die Kirche ist sich mit der Politik eben einig. Wie schön.
Weihbischof Scharl gab dem ORF in diesem Zusammenhang auch ein Interview über das „Autofasten“. „À la longue“, meinte Exzellenz, „à la longue“ sollten die Menschen mehr Autofasten und weniger Autofahren.
Exzellenz hatte sich Medienberichten zufolge mit einem Amtsträger einer protestantischen Konfession schon im letzten Jahr an eine Einfallsstraße gestellt und im Berufsverkehr den Autofahrer mit Hinweisen auf Autofasten und dem Aufruf, „Fahrgemeinschaften“ zu bilden, eine „frohe Botschaft“ verkündet und damit sehr wahrscheinlich große Freude bereitet.
Nun, eigentlich ist das gar nicht lustig.
Alarmismus im Falschen
Auf der erzdiözesanen Homepage heißt es in diesem Zusammenhang:
„Es braucht einen anderen Lebensstil, ein Umdenken, einen Verzicht, damit wir eine lebenswerte Welt an unsere Nachfahren weitergeben können und die Schöpfung nicht kaputt fahren“, so Weihbischof Scharl bei der Pressekonferenz vor dem „Autofasten“-Start.
„Die Schöpfung kaputt fahren“ lautet also die alarmistische Parole.
Man fragt sich, wie man auf eine solche Absurdität kommen kann. Die Menschen können mit den paar Autos die Schöpfung nicht „kaputt fahren“. Das ist eine vollkommen groteske Disproportionalität.
Im übrigen formuliert man sonst ja auch nicht so dramatisch und alarmistisch. Nämlich bei den wirklich wichtigen Themen:
Die „Schöpfung“ wird keine hundert Meter Luftlinie vom Stephansplatz entfernt kaputt gemacht. Nämlich dort, wo sich eine prominente Abtreibungsstätte befindet. Mit ein, zwei Ausnahmen hält es kein Kirchenmann für notwendig, sich gegen die grausige Ermordung ungeborener Menschen auszusprechen, schon gar nicht, wenn das um die Ecke passiert.
Stattdessen bleibt man beim politisch korrekten und gesellschaftlich verträglichen Gerede vom „anderen Lebensstil“ etc.
Im Zusammenhang mit dem „Autofasten“ stößt der ökumenische Kompagnon übrigens in dasselbe Horn:
„Kirchen sollen sich einmischen, nicht in Parteipolitik und auch nicht moralisierend mit dem Zeigefinger. Sie sollen sich jedoch einbringen, indem sie sinnvolle Alternativen aufzeigen. Genau das geschieht mit dieser Aktion."
Sinnvolle Alternativen?
Nun, man muss nur von „Alternativen“ sprechen und sogleich kommt einem die Merkelsche „Alternativlosigkeit“ in den Sinn. Denn in den wirklich wichtigen Fragen hat keiner der Kirchenführer den Mut, wider den Stachel zu löcken.
Erwartungsgemäß hat sich auch Kardinal Schönborn in der ORF-Pressestunde am Palmsonntag angepasst geäußert.
Zum Beispiel zur „Steuerreform“. Die Kritik an deren mangelnder Familienfreundlichkeit klang da eher als lästige Pflichtübung. Kein Wort, dass diese Steuerreform die klein- und mittelständischen Unternehmer wieder ein Stück mehr belastet. Kein Wort, dass das Recht auf Privateigentum wieder etwas beschnitten wird. Kein Wort zur präventiven Abwehr der – besonders verwerflichen – Erbschaftsteuer.
Falsche Weichenstellungen
Analoges gilt für das katastrophale Fortpflanzungsmedizingesetz: Die Kirchenpolitik selbst hatte die längste Zeit die moralischen Grundlagen unterspült, wodurch dieses Skandalgesetz erst möglich geworden ist.
Die gesamte Pressestunde bezeugt dieses Herumlavieren in wichtigen Fragen auf eindrucksvolle Weise. Kein Wunder, dass sich da auch fast kein ÖVP-Politiker mehr findet, die Kastanien aus dem Feuer zu holen.
Schlimm sind auch die rezenten Aussagen des Kardinals vor Jugendlichen am sogenannten „Theo-Tag“ im Don-Bosco-Haus. Er meinte etwa, dass die Priesterweihe für Frauen „aktuell nicht möglich“ sei. Er wisse nicht, so der Kardinal, „ob es hier einmal zu einer Änderung kommen werde.“ Johannes Paul II. hatte aber 1994 definitiv erklärt, dass sie überhaupt nicht und niemals möglich ist (Apostolisches Schreiben Ordinatio Sacerdotalis).
Das einzige, was dem Kardinal zur Islamisierung einfällt – offenbar eine von den Schülern aufgebrachte Frage – ist: „Die meisten Muslime haben halt mehr Kinder als die Christen."
Kardinal Schönborn verglich auch die Ritter, die vor etwa neunhundert Jahren aus Gründen der Notwehr und der Nothilfe mit dem Segen des Papstes große Mühen zur Befreiung des heiligen Landes auf sich genommen hatten, geschichtsfälschend mit Dschihadisten und RAF-Terroristen:
„Damals entstand auch die linksextremistische Terrorgruppe Rote Armee Fraktion. Schon die Kreuzzüge hätten eine Möglichkeit für junge, beschäftigungslose Ritter dargestellt, ins Abenteuer zu ziehen.“
Ein Sechzehnjähriger, der das hört, wird sich denken, wer sich selbst nicht ernst nimmt, den brauche ich auch nicht Ernst zu nehmen.
Katastrophal ist, dass Kardinal Schönborn ausgerechnet in der Passionszeit Kapriolen in Kernfragen des Glaubens vollführt. Der aktuelle Gastkommentar in der „Presse“ vom 27.03. enthält sogar die unglaubliche Passage:
„Auch ein Papst darf, ja, er soll mitunter so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Er ist Nachfolger eines Fischers aus Galiläa, der dem Sohn eines Zimmermanns nachgefolgt ist.“
Wie kann sich ein Kardinal der Kirche und Theologieprofessor so äußern? Weder ist die Ausdrucksweise „Schnabel“ angemessen, noch ist Jesus Christus der „Sohn eines Zimmermanns“. Dieser Ausdruck wird im Evangelium nur von denjenigen gebraucht, die ungläubig bleiben: „Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?“ (Mt 13,55)
Karfreitag
Es ist Karfreitag der Kirche. Der Glaube ist am Verdunsten. Die Kirchenführer haben sich der politischen Macht angepasst. Sie bieten – entgegen verschiedenen Lippenbekenntnissen – keine echte Alternative. Dabei wäre diese im überlieferten Glauben sehr wohl zu finden – mit segensreichen Folgen bis hinein in die Gesellschaftsordnung. Aber irgendetwas hält sie von der Verkündigung der geoffenbarten Wahrheit und vom Aufruf zur Bekehrung ab.
Wie auch immer, der jetzt nahe bevorstehende Karfreitag hält der Menschheit wie jedes Jahr den Spiegel vor.
Das damalige Geschehen war kein Ruhmesblatt für die Menschheit.
Das Karfreitagsgeschehen war die grausame Beseitigung eines Unschuldigen. Diejenigen, die es aufgrund jahrhundertelanger Vorbereitung hätten besser wissen müssen, verwarfen den Messias. Diejenigen, die auf ihr hochentwickeltes Rechtssystem so stolz waren, begingen einen Justizmord. Der Schülerkreis gab mit Flucht und Verleugnung kein nobles Bild ab. Sogar einen schäbigen Verrat gab es in den eigenen Reihen.
Heiligkeit und Verwerfung liegen eng beieinander, wie man sieht. Auch der Jüngerkreis späterer Zeiten ist nicht immer ruhmreich – Gelegenheit zur Gewissenserforschung für jeden einzelnen.
In einem hierarchischen System hat der Obere mehr Verantwortung. Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken.
Besonders die mit der Verkündigung der Wahrheit Betrauten sollten daher in sich gehen, was angesichts des Karfreitags- und Ostergeschehens wirklich wichtig ist. Mit dem „Autofasten“ gelangt man bestimmt nicht zur Osterfreude.
MMag. Wolfram Schrems, Linz und Wien, katholischer Theologe, Philosoph, kirchlich gesendeter Katechist